Kapitain hievon nichts gesagt worden. Jn- dem ich aber in den großen Saal trat, fand ich die nemliche Versammlung, vor welcher ich ohnlängst zu Gerichte gestanden, und auch den Kapitain Harmel, an der Tafel bei einem fröhlichen Mittagsmahl sitzen. Kaum aber faßte mich der Letztere in's Auge, so sprang er auf, und fragte mich in rauhem Tone: Was ich am Lande zu schaffen hätte? -- Statt der Antwort überreichte ich ihm das, von Seiner Edelheiten, dem Gouverneur erhaltene Billet, und trat, während dessen, hinter den Stuhl des Letztern, um zu fragen, was zu seinen Befehlen stände?
"Da ist" -- hub Dieser an, indem er aufstand und sich zu mir wandte -- "so eben der Kapitain Santleven von Vliessingen auf der Rheede angelangt und befindet sich im äussersten Drangsal. Er selbst liegt krank im Bette; seine Steuerleute sind todt; er hat daneben beinahe hundert Sklaven an Bord, und seine Noth und Verlegenheit ist dermaassen groß, daß er hat eilen müssen, diese Station zu erreichen, um von den hier liegenden Schiffen einen Steuermann zu er- langen, der die Führung des Schiffes über- nehmen möchte. Jch und die übrigen Herren Kapitaine hier wünschen ihm darinn, wie billig, zu willfahren und haben Euch, mein lieber Nettelbeck, zu diesem Posten ersehen."
Kapitain hievon nichts geſagt worden. Jn- dem ich aber in den großen Saal trat, fand ich die nemliche Verſammlung, vor welcher ich ohnlaͤngſt zu Gerichte geſtanden, und auch den Kapitain Harmel, an der Tafel bei einem froͤhlichen Mittagsmahl ſitzen. Kaum aber faßte mich der Letztere in’s Auge, ſo ſprang er auf, und fragte mich in rauhem Tone: Was ich am Lande zu ſchaffen haͤtte? — Statt der Antwort uͤberreichte ich ihm das, von Seiner Edelheiten, dem Gouverneur erhaltene Billet, und trat, waͤhrend deſſen, hinter den Stuhl des Letztern, um zu fragen, was zu ſeinen Befehlen ſtaͤnde?
„Da iſt‟ — hub Dieſer an, indem er aufſtand und ſich zu mir wandte — „ſo eben der Kapitain Santleven von Vlieſſingen auf der Rheede angelangt und befindet ſich im aͤuſſerſten Drangſal. Er ſelbſt liegt krank im Bette; ſeine Steuerleute ſind todt; er hat daneben beinahe hundert Sklaven an Bord, und ſeine Noth und Verlegenheit iſt dermaaſſen groß, daß er hat eilen muͤſſen, dieſe Station zu erreichen, um von den hier liegenden Schiffen einen Steuermann zu er- langen, der die Fuͤhrung des Schiffes uͤber- nehmen moͤchte. Jch und die uͤbrigen Herren Kapitaine hier wuͤnſchen ihm darinn, wie billig, zu willfahren und haben Euch, mein lieber Nettelbeck, zu dieſem Poſten erſehen.‟
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Kapitain hievon nichts geſagt worden. Jn-
dem ich aber in den großen Saal trat, fand
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ich ohnlaͤngſt zu Gerichte geſtanden, und auch
den Kapitain Harmel, an der Tafel bei einem
froͤhlichen Mittagsmahl ſitzen. Kaum aber
faßte mich der Letztere in’s Auge, ſo ſprang
er auf, und fragte mich in rauhem Tone:
Was ich am Lande zu ſchaffen haͤtte? —
Statt der Antwort uͤberreichte ich ihm das,
von Seiner Edelheiten, dem Gouverneur
erhaltene Billet, und trat, waͤhrend deſſen,
hinter den Stuhl des Letztern, um zu fragen,
was zu ſeinen Befehlen ſtaͤnde?
„Da iſt‟ — hub Dieſer an, indem er
aufſtand und ſich zu mir wandte — „ſo
eben der Kapitain Santleven von Vlieſſingen
auf der Rheede angelangt und befindet ſich
im aͤuſſerſten Drangſal. Er ſelbſt liegt krank
im Bette; ſeine Steuerleute ſind todt; er
hat daneben beinahe hundert Sklaven an
Bord, und ſeine Noth und Verlegenheit iſt
dermaaſſen groß, daß er hat eilen muͤſſen,
dieſe Station zu erreichen, um von den hier
liegenden Schiffen einen Steuermann zu er-
langen, der die Fuͤhrung des Schiffes uͤber-
nehmen moͤchte. Jch und die uͤbrigen Herren
Kapitaine hier wuͤnſchen ihm darinn, wie
billig, zu willfahren und haben Euch, mein
lieber Nettelbeck, zu dieſem Poſten erſehen.‟
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/73>, abgerufen am 16.02.2025.
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