Schaar umringte mich, sank um mich her auf die Kniee und hob gleichsam anbetende Hände zu mir empor. "Gloria dem König von Preussen!" rief der Eine: -- "Heil ihm!" der Andre -- "Heil für die strenge Gerechtigkeit!" und die volle Menge setzte schwärmerisch hinzu: "Leuchtendes Beispiel für alle Regenten der Erde! Heil ihm!" -- Mit jedem Augenblicke vermehrte sich das Geschrei und Getümmel.
Soll ich noch erst sagen, wie tief mich dieser Auftritt erschütterte? Die Thränen drängten sich mir unaufhaltsam aus den Augen. Jch neigte mich rings herum; ich legte die Hand auf's Herz; ich dankte stam- melnd und suchte einen Ausweg durch die immer gedrängter zusammenstürzende Menge. Zwar machten sie mir willig Platz: aber sie folgten mir auch mit anhaltendem Freuden- geschrei: "Vlvat der gerechte König!" Jn der That, nie in meinem Leben fühlte ich mich geehrter und glücklicher, ein Unterthan des großen Friedrichs zu seyn, als in diesem Augenblicke! Mein Herz ward mir zu schwer; ich schwankte, konnte nicht weiter und mußte mich erschöpft an eine Straßenecke lehnen. Nur meine erhobenen Hände, die ich unwillkührlich, wie zum Segnen, nach dem Volke ausstreckte, vermochten meinen Dank auszusprechen; und es schien mir auch
Schaar umringte mich, ſank um mich her auf die Kniee und hob gleichſam anbetende Haͤnde zu mir empor. „Gloria dem Koͤnig von Preuſſen!‟ rief der Eine: — „Heil ihm!‟ der Andre — „Heil fuͤr die ſtrenge Gerechtigkeit!‟ und die volle Menge ſetzte ſchwaͤrmeriſch hinzu: „Leuchtendes Beiſpiel fuͤr alle Regenten der Erde! Heil ihm!‟ — Mit jedem Augenblicke vermehrte ſich das Geſchrei und Getuͤmmel.
Soll ich noch erſt ſagen, wie tief mich dieſer Auftritt erſchuͤtterte? Die Thraͤnen draͤngten ſich mir unaufhaltſam aus den Augen. Jch neigte mich rings herum; ich legte die Hand auf’s Herz; ich dankte ſtam- melnd und ſuchte einen Ausweg durch die immer gedraͤngter zuſammenſtuͤrzende Menge. Zwar machten ſie mir willig Platz: aber ſie folgten mir auch mit anhaltendem Freuden- geſchrei: „Vlvat der gerechte Koͤnig!‟ Jn der That, nie in meinem Leben fuͤhlte ich mich geehrter und gluͤcklicher, ein Unterthan des großen Friedrichs zu ſeyn, als in dieſem Augenblicke! Mein Herz ward mir zu ſchwer; ich ſchwankte, konnte nicht weiter und mußte mich erſchoͤpft an eine Straßenecke lehnen. Nur meine erhobenen Haͤnde, die ich unwillkuͤhrlich, wie zum Segnen, nach dem Volke ausſtreckte, vermochten meinen Dank auszuſprechen; und es ſchien mir auch
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Schaar umringte mich, ſank um mich her
auf die Kniee und hob gleichſam anbetende
Haͤnde zu mir empor. „Gloria dem Koͤnig
von Preuſſen!‟ rief der Eine: — „Heil
ihm!‟ der Andre — „Heil fuͤr die ſtrenge
Gerechtigkeit!‟ und die volle Menge ſetzte
ſchwaͤrmeriſch hinzu: „Leuchtendes Beiſpiel
fuͤr alle Regenten der Erde! Heil ihm!‟ —
Mit jedem Augenblicke vermehrte ſich das
Geſchrei und Getuͤmmel.
Soll ich noch erſt ſagen, wie tief mich
dieſer Auftritt erſchuͤtterte? Die Thraͤnen
draͤngten ſich mir unaufhaltſam aus den
Augen. Jch neigte mich rings herum; ich
legte die Hand auf’s Herz; ich dankte ſtam-
melnd und ſuchte einen Ausweg durch die
immer gedraͤngter zuſammenſtuͤrzende Menge.
Zwar machten ſie mir willig Platz: aber ſie
folgten mir auch mit anhaltendem Freuden-
geſchrei: „Vlvat der gerechte Koͤnig!‟ Jn
der That, nie in meinem Leben fuͤhlte ich
mich geehrter und gluͤcklicher, ein Unterthan
des großen Friedrichs zu ſeyn, als in dieſem
Augenblicke! Mein Herz ward mir zu
ſchwer; ich ſchwankte, konnte nicht weiter und
mußte mich erſchoͤpft an eine Straßenecke
lehnen. Nur meine erhobenen Haͤnde, die
ich unwillkuͤhrlich, wie zum Segnen, nach
dem Volke ausſtreckte, vermochten meinen
Dank auszuſprechen; und es ſchien mir auch
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/170>, abgerufen am 16.07.2024.
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