durch mein Fernrohr ansah, desto mehr schöpfte ich Verdacht. Jch veränderte mei- nen Kurs, um mich näher am Lande zu halten: die Barke that desgleichen. Jch setzte Segel über Segel auf: sie that auch Jhrerseits alles Mögliche, um uns näher zu kommen. Offenbar war ihr Absehen auf uns gerichtet: und ich überzeugte mich immer ge- wisser, daß "Friß, Vogel; oder stirb!" hier die Losung seyn werde.
Jn dieser kritischen Lage rief ich mein Schiffsvolk zusammen, und sagte: "Kinder, ihr seht -- da haben wir die Bescheerung! Die türkschen Hunde haben es offenbar auf uns gemünzt, und unsre Pässe helfen uns hier nicht durch. Was meynt ihr? Sol- len wir uns von ihnen so mir nichts, dir nichts, entern lassen und vor dem Pack zu Kreuze kriechen? Jch, meines Parts, zöge lieber den Tod vor, als mich zeitlebens in der Sklaverei unter die Peitsche zu ducken. Oder habt ihr grössere Lust dazu? Sprecht!" -- Die Kerle sahen mir das Feuer aus den Augen leuchten, und wurden selber warm. Sie meynten, es mußte wacker drein ge- schlagen werden, und zugleich lief Alles, die Gewehre, soviel wir deren hatten, zur Hand zu nehmen und in Stand zu setzen.
Unter diesen kriegerischen Vorbereitungen war uns aber auch das Fahrzeug so nahe
durch mein Fernrohr anſah, deſto mehr ſchoͤpfte ich Verdacht. Jch veraͤnderte mei- nen Kurs, um mich naͤher am Lande zu halten: die Barke that desgleichen. Jch ſetzte Segel uͤber Segel auf: ſie that auch Jhrerſeits alles Moͤgliche, um uns naͤher zu kommen. Offenbar war ihr Abſehen auf uns gerichtet: und ich uͤberzeugte mich immer ge- wiſſer, daß „Friß, Vogel; oder ſtirb!‟ hier die Loſung ſeyn werde.
Jn dieſer kritiſchen Lage rief ich mein Schiffsvolk zuſammen, und ſagte: „Kinder, ihr ſeht — da haben wir die Beſcheerung! Die tuͤrkſchen Hunde haben es offenbar auf uns gemuͤnzt, und unſre Paͤſſe helfen uns hier nicht durch. Was meynt ihr? Sol- len wir uns von ihnen ſo mir nichts, dir nichts, entern laſſen und vor dem Pack zu Kreuze kriechen? Jch, meines Parts, zoͤge lieber den Tod vor, als mich zeitlebens in der Sklaverei unter die Peitſche zu ducken. Oder habt ihr groͤſſere Luſt dazu? Sprecht!‟ — Die Kerle ſahen mir das Feuer aus den Augen leuchten, und wurden ſelber warm. Sie meynten, es mußte wacker drein ge- ſchlagen werden, und zugleich lief Alles, die Gewehre, ſoviel wir deren hatten, zur Hand zu nehmen und in Stand zu ſetzen.
Unter dieſen kriegeriſchen Vorbereitungen war uns aber auch das Fahrzeug ſo nahe
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nen Kurs, um mich naͤher am Lande zu
halten: die Barke that desgleichen. Jch
ſetzte Segel uͤber Segel auf: ſie that auch
Jhrerſeits alles Moͤgliche, um uns naͤher zu
kommen. Offenbar war ihr Abſehen auf uns
gerichtet: und ich uͤberzeugte mich immer ge-
wiſſer, daß „Friß, Vogel; oder ſtirb!‟ hier
die Loſung ſeyn werde.
Jn dieſer kritiſchen Lage rief ich mein
Schiffsvolk zuſammen, und ſagte: „Kinder,
ihr ſeht — da haben wir die Beſcheerung!
Die tuͤrkſchen Hunde haben es offenbar auf
uns gemuͤnzt, und unſre Paͤſſe helfen uns
hier nicht durch. Was meynt ihr? Sol-
len wir uns von ihnen ſo mir nichts,
dir nichts, entern laſſen und vor dem Pack
zu Kreuze kriechen? Jch, meines Parts, zoͤge
lieber den Tod vor, als mich zeitlebens in
der Sklaverei unter die Peitſche zu ducken.
Oder habt ihr groͤſſere Luſt dazu? Sprecht!‟
— Die Kerle ſahen mir das Feuer aus
den Augen leuchten, und wurden ſelber warm.
Sie meynten, es mußte wacker drein ge-
ſchlagen werden, und zugleich lief Alles, die
Gewehre, ſoviel wir deren hatten, zur Hand
zu nehmen und in Stand zu ſetzen.
Unter dieſen kriegeriſchen Vorbereitungen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/166>, abgerufen am 16.02.2025.
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