laufen. Sie schienen gerührt: aber wer weiß, wie lange es mag vorgehalten haben?
Hier in Hamburg fand sich eine neue Ladung für mich nach Lissabon, mit welcher ich jedoch erst am letzten August auf den Weg zu kommen vermochte. Die Reise selbst bietet mir nichts Erhebliches für die Erzäh- lung dar: doch mag ich wohl eines Schrecks erwähnen, der mir noch ganz für das Ende derselben vorbehalten blieb. Als ich nemlich etwa 7 Meilen nördlich von der Mündung des Tajo gekommen war, sah ich ein Fahr- zeug mir entgegensteuern, das mit unge- wöhnlich vielen Menschen besetzt zu seyn schien. Unter andern Umständen würde mich diese Begegnung ziemlich gleichgültig gelassen haben. Allein schon während unsrer ganzen Reise spukte es mir und meinen Leuten im Kopfe herum, daß wir gegen die Barbares- ken und Marockaner eine unfreie Flagge hatten; und unser einziger Trost bestand darinn, daß von einem Raubzuge derselben, soweit nördlich hinauf, doch seit geraumer Zeit nichts verlautet habe.
Jetzt indeß schoß mir bei jenem Anblicke das Blatt: denn wie leicht war es, bei alle- dem, möglich, daß ein Korsar, verwegener, als seine Genossen, sich hier, an einem so vielbesuchten Punkte, auf die Lauer gelegt haben möchte! Je genauer ich mir das Segel
11. Bändchen. (11)
laufen. Sie ſchienen geruͤhrt: aber wer weiß, wie lange es mag vorgehalten haben?
Hier in Hamburg fand ſich eine neue Ladung fuͤr mich nach Liſſabon, mit welcher ich jedoch erſt am letzten Auguſt auf den Weg zu kommen vermochte. Die Reiſe ſelbſt bietet mir nichts Erhebliches fuͤr die Erzaͤh- lung dar: doch mag ich wohl eines Schrecks erwaͤhnen, der mir noch ganz fuͤr das Ende derſelben vorbehalten blieb. Als ich nemlich etwa 7 Meilen noͤrdlich von der Muͤndung des Tajo gekommen war, ſah ich ein Fahr- zeug mir entgegenſteuern, das mit unge- woͤhnlich vielen Menſchen beſetzt zu ſeyn ſchien. Unter andern Umſtaͤnden wuͤrde mich dieſe Begegnung ziemlich gleichguͤltig gelaſſen haben. Allein ſchon waͤhrend unſrer ganzen Reiſe ſpukte es mir und meinen Leuten im Kopfe herum, daß wir gegen die Barbares- ken und Marockaner eine unfreie Flagge hatten; und unſer einziger Troſt beſtand darinn, daß von einem Raubzuge derſelben, ſoweit noͤrdlich hinauf, doch ſeit geraumer Zeit nichts verlautet habe.
Jetzt indeß ſchoß mir bei jenem Anblicke das Blatt: denn wie leicht war es, bei alle- dem, moͤglich, daß ein Korſar, verwegener, als ſeine Genoſſen, ſich hier, an einem ſo vielbeſuchten Punkte, auf die Lauer gelegt haben moͤchte! Je genauer ich mir das Segel
11. Bändchen. (11)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="161"/>
laufen. Sie ſchienen geruͤhrt: aber wer<lb/>
weiß, wie lange es mag vorgehalten haben?</p><lb/><p>Hier in Hamburg fand ſich eine neue<lb/>
Ladung fuͤr mich nach Liſſabon, mit welcher<lb/>
ich jedoch erſt am letzten Auguſt auf den Weg<lb/>
zu kommen vermochte. Die Reiſe ſelbſt<lb/>
bietet mir nichts Erhebliches fuͤr die Erzaͤh-<lb/>
lung dar: doch mag ich wohl eines Schrecks<lb/>
erwaͤhnen, der mir noch ganz fuͤr das Ende<lb/>
derſelben vorbehalten blieb. Als ich nemlich<lb/>
etwa 7 Meilen noͤrdlich von der Muͤndung<lb/>
des Tajo gekommen war, ſah ich ein Fahr-<lb/>
zeug mir entgegenſteuern, das mit unge-<lb/>
woͤhnlich vielen Menſchen beſetzt zu ſeyn<lb/>ſchien. Unter andern Umſtaͤnden wuͤrde mich<lb/>
dieſe Begegnung ziemlich gleichguͤltig gelaſſen<lb/>
haben. Allein ſchon waͤhrend unſrer ganzen<lb/>
Reiſe ſpukte es mir und meinen Leuten im<lb/>
Kopfe herum, daß wir gegen die Barbares-<lb/>
ken und Marockaner eine unfreie Flagge<lb/>
hatten; und unſer einziger Troſt beſtand<lb/>
darinn, daß von einem Raubzuge derſelben,<lb/>ſoweit noͤrdlich hinauf, doch ſeit geraumer<lb/>
Zeit nichts verlautet habe.</p><lb/><p>Jetzt indeß ſchoß mir bei jenem Anblicke<lb/>
das Blatt: denn wie leicht war es, bei alle-<lb/>
dem, moͤglich, daß ein Korſar, verwegener,<lb/>
als ſeine Genoſſen, ſich hier, an einem ſo<lb/>
vielbeſuchten Punkte, auf die Lauer gelegt<lb/>
haben moͤchte! Je genauer ich mir das Segel<lb/><fwplace="bottom"type="sig">11. Bändchen. (11)</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[161/0165]
laufen. Sie ſchienen geruͤhrt: aber wer
weiß, wie lange es mag vorgehalten haben?
Hier in Hamburg fand ſich eine neue
Ladung fuͤr mich nach Liſſabon, mit welcher
ich jedoch erſt am letzten Auguſt auf den Weg
zu kommen vermochte. Die Reiſe ſelbſt
bietet mir nichts Erhebliches fuͤr die Erzaͤh-
lung dar: doch mag ich wohl eines Schrecks
erwaͤhnen, der mir noch ganz fuͤr das Ende
derſelben vorbehalten blieb. Als ich nemlich
etwa 7 Meilen noͤrdlich von der Muͤndung
des Tajo gekommen war, ſah ich ein Fahr-
zeug mir entgegenſteuern, das mit unge-
woͤhnlich vielen Menſchen beſetzt zu ſeyn
ſchien. Unter andern Umſtaͤnden wuͤrde mich
dieſe Begegnung ziemlich gleichguͤltig gelaſſen
haben. Allein ſchon waͤhrend unſrer ganzen
Reiſe ſpukte es mir und meinen Leuten im
Kopfe herum, daß wir gegen die Barbares-
ken und Marockaner eine unfreie Flagge
hatten; und unſer einziger Troſt beſtand
darinn, daß von einem Raubzuge derſelben,
ſoweit noͤrdlich hinauf, doch ſeit geraumer
Zeit nichts verlautet habe.
Jetzt indeß ſchoß mir bei jenem Anblicke
das Blatt: denn wie leicht war es, bei alle-
dem, moͤglich, daß ein Korſar, verwegener,
als ſeine Genoſſen, ſich hier, an einem ſo
vielbeſuchten Punkte, auf die Lauer gelegt
haben moͤchte! Je genauer ich mir das Segel
11. Bändchen. (11)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/165>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.