in keinem Winkel meines Gedächtnisses besin- nen. Jn eben dem Moment aber war sie auch bereits zu mir herunter geeilt, ergriff mich an beiden Händen, und betheuerte: Sie lasse mich nicht; ich müsse kommen und bei ihr und ihrem Manne einsprechen. Jetzt erst schoß es mir mit Einemmale auf's Herz, daß hier von dem Kniffelschen Ehepaare die Rede seyn möge. Und so war es auch wirklich!
Schon in Pillau hatt' ich, auf gelegent- liche Erkundigung, von diesem Paare so mancherlei vernommen, was mich nach der Ernenrung dieser alten Bekanntschaft eben nicht lüstern machte. Sie hatten mit denen ihnen ausgesetzten Geldern übel gewirthschaf- tet, und waren überall betrogen worden und steckten tief in Schulden, weil die reiche Ver- wandtschaft in Suriname immer noch diesen und jenen Wucherer lockte, ihnen Kredit zu geben. Ausser dem Hause, daß er bewohnte, und wovon ihm vielleicht auch kein Ziegel mehr eigen gehörte, besaß der alte Tropf nichts mehr, als seinen gekauften Titel "Li- cent-Rath," den aber der Pöbelwitz allgemein in den Spottnamen "Licent-Rekel" verkehrt hatte. Kurz, bei diesen Leuten, die mit ihrer braven Tochter gar nichts Aehnliches besaßen, war wei- ter weder Freude noch Ehre zu holen; und es verdroß mich sogar, daß sie mein altes liebes Ei- genthum durch ihre Gegenwart verschimpfirten.
in keinem Winkel meines Gedaͤchtniſſes beſin- nen. Jn eben dem Moment aber war ſie auch bereits zu mir herunter geeilt, ergriff mich an beiden Haͤnden, und betheuerte: Sie laſſe mich nicht; ich muͤſſe kommen und bei ihr und ihrem Manne einſprechen. Jetzt erſt ſchoß es mir mit Einemmale auf’s Herz, daß hier von dem Kniffelſchen Ehepaare die Rede ſeyn moͤge. Und ſo war es auch wirklich!
Schon in Pillau hatt’ ich, auf gelegent- liche Erkundigung, von dieſem Paare ſo mancherlei vernommen, was mich nach der Ernenrung dieſer alten Bekanntſchaft eben nicht luͤſtern machte. Sie hatten mit denen ihnen ausgeſetzten Geldern uͤbel gewirthſchaf- tet, und waren uͤberall betrogen worden und ſteckten tief in Schulden, weil die reiche Ver- wandtſchaft in Suriname immer noch dieſen und jenen Wucherer lockte, ihnen Kredit zu geben. Auſſer dem Hauſe, daß er bewohnte, und wovon ihm vielleicht auch kein Ziegel mehr eigen gehoͤrte, beſaß der alte Tropf nichts mehr, als ſeinen gekauften Titel „Li- cent-Rath,‟ den aber der Poͤbelwitz allgemein in den Spottnamen „Licent-Rekel‟ verkehrt hatte. Kurz, bei dieſen Leuten, die mit ihrer braven Tochter gar nichts Aehnliches beſaßen, war wei- ter weder Freude noch Ehre zu holen; und es verdroß mich ſogar, daß ſie mein altes liebes Ei- genthum durch ihre Gegenwart verſchimpfirten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0141"n="137"/>
in keinem Winkel meines Gedaͤchtniſſes beſin-<lb/>
nen. Jn eben dem Moment aber war ſie<lb/>
auch bereits zu mir herunter geeilt, ergriff<lb/>
mich an beiden Haͤnden, und betheuerte: Sie<lb/>
laſſe mich nicht; ich muͤſſe kommen und bei<lb/>
ihr und ihrem Manne einſprechen. Jetzt<lb/>
erſt ſchoß es mir mit Einemmale auf’s Herz,<lb/>
daß hier von dem Kniffelſchen Ehepaare die<lb/>
Rede ſeyn moͤge. Und ſo war es auch wirklich!</p><lb/><p>Schon in Pillau hatt’ ich, auf gelegent-<lb/>
liche Erkundigung, von dieſem Paare ſo<lb/>
mancherlei vernommen, was mich nach der<lb/>
Ernenrung dieſer alten Bekanntſchaft eben<lb/>
nicht luͤſtern machte. Sie hatten mit denen<lb/>
ihnen ausgeſetzten Geldern uͤbel gewirthſchaf-<lb/>
tet, und waren uͤberall betrogen worden und<lb/>ſteckten tief in Schulden, weil die reiche Ver-<lb/>
wandtſchaft in Suriname immer noch dieſen<lb/>
und jenen Wucherer lockte, ihnen Kredit zu<lb/>
geben. Auſſer dem Hauſe, daß er bewohnte,<lb/>
und wovon ihm vielleicht auch kein Ziegel<lb/>
mehr eigen gehoͤrte, beſaß der alte Tropf<lb/>
nichts mehr, als ſeinen gekauften Titel „Li-<lb/>
cent-Rath,‟ den aber der Poͤbelwitz allgemein<lb/>
in den Spottnamen „Licent-Rekel‟ verkehrt hatte.<lb/>
Kurz, bei dieſen Leuten, die mit ihrer braven<lb/>
Tochter gar nichts Aehnliches beſaßen, war wei-<lb/>
ter weder Freude noch Ehre zu holen; und es<lb/>
verdroß mich ſogar, daß ſie mein altes liebes Ei-<lb/>
genthum durch ihre Gegenwart verſchimpfirten.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[137/0141]
in keinem Winkel meines Gedaͤchtniſſes beſin-
nen. Jn eben dem Moment aber war ſie
auch bereits zu mir herunter geeilt, ergriff
mich an beiden Haͤnden, und betheuerte: Sie
laſſe mich nicht; ich muͤſſe kommen und bei
ihr und ihrem Manne einſprechen. Jetzt
erſt ſchoß es mir mit Einemmale auf’s Herz,
daß hier von dem Kniffelſchen Ehepaare die
Rede ſeyn moͤge. Und ſo war es auch wirklich!
Schon in Pillau hatt’ ich, auf gelegent-
liche Erkundigung, von dieſem Paare ſo
mancherlei vernommen, was mich nach der
Ernenrung dieſer alten Bekanntſchaft eben
nicht luͤſtern machte. Sie hatten mit denen
ihnen ausgeſetzten Geldern uͤbel gewirthſchaf-
tet, und waren uͤberall betrogen worden und
ſteckten tief in Schulden, weil die reiche Ver-
wandtſchaft in Suriname immer noch dieſen
und jenen Wucherer lockte, ihnen Kredit zu
geben. Auſſer dem Hauſe, daß er bewohnte,
und wovon ihm vielleicht auch kein Ziegel
mehr eigen gehoͤrte, beſaß der alte Tropf
nichts mehr, als ſeinen gekauften Titel „Li-
cent-Rath,‟ den aber der Poͤbelwitz allgemein
in den Spottnamen „Licent-Rekel‟ verkehrt hatte.
Kurz, bei dieſen Leuten, die mit ihrer braven
Tochter gar nichts Aehnliches beſaßen, war wei-
ter weder Freude noch Ehre zu holen; und es
verdroß mich ſogar, daß ſie mein altes liebes Ei-
genthum durch ihre Gegenwart verſchimpfirten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/141>, abgerufen am 01.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.