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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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und flogen bereits bis in die Domstraße
hinüber.

Jch, herzlich erschrocken, rannte nach der
Kirche und die Thurmtreppe hinan! Jm
Hinaufsteigen überdachte ich mir's, wie groß
das Unglück werden könne und müsse, da
wohl schwerlich Jemand sich's unternehmen
werde, bis in die höchste Spitze hinan-
zuklimmen, wo er in den finstern Winkeln
nicht einmal so bekannt sey, als ich, der
ich sie in meiner Jugend so vielfältig, und
oft mit Lebensgefahr, durchkrochen hatte.
"Also nur frisch drauf und dran!" rief eine
Stimme in mir -- "Du weißt hier ja
Bescheid!"

Jn der That wußt' ich auch, daß dro-
ben auf dem Glockenboden stets Wasser und
Löscheimer bereit standen: aber an einer
Handspritze, die hier hauptsächlich Noth
thun würde, konnt' es leichtlich fehlen.
Dies erwägend, macht' ich auf der Stelle
rechtsum; drängte mich mit Mühe neben
den vielen Menschen vorüber, die Alle nach
oben hinauf wollten; flog gleich in's erste
nächste Haus und rief um eine Sprütze,
die aber hier -- die auch im zweiten
Hause nicht zu finden war und meiner stei-
genden Ungeduld erst im dritten gereicht
wurde.

Jetzt

und flogen bereits bis in die Domſtraße
hinuͤber.

Jch, herzlich erſchrocken, rannte nach der
Kirche und die Thurmtreppe hinan! Jm
Hinaufſteigen uͤberdachte ich mir’s, wie groß
das Ungluͤck werden koͤnne und muͤſſe, da
wohl ſchwerlich Jemand ſich’s unternehmen
werde, bis in die hoͤchſte Spitze hinan-
zuklimmen, wo er in den finſtern Winkeln
nicht einmal ſo bekannt ſey, als ich, der
ich ſie in meiner Jugend ſo vielfaͤltig, und
oft mit Lebensgefahr, durchkrochen hatte.
„Alſo nur friſch drauf und dran!‟ rief eine
Stimme in mir — „Du weißt hier ja
Beſcheid!‟

Jn der That wußt’ ich auch, daß dro-
ben auf dem Glockenboden ſtets Waſſer und
Loͤſcheimer bereit ſtanden: aber an einer
Handſpritze, die hier hauptſaͤchlich Noth
thun wuͤrde, konnt’ es leichtlich fehlen.
Dies erwaͤgend, macht’ ich auf der Stelle
rechtsum; draͤngte mich mit Muͤhe neben
den vielen Menſchen voruͤber, die Alle nach
oben hinauf wollten; flog gleich in’s erſte
naͤchſte Haus und rief um eine Spruͤtze,
die aber hier — die auch im zweiten
Hauſe nicht zu finden war und meiner ſtei-
genden Ungeduld erſt im dritten gereicht
wurde.

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[128/0132] und flogen bereits bis in die Domſtraße hinuͤber. Jch, herzlich erſchrocken, rannte nach der Kirche und die Thurmtreppe hinan! Jm Hinaufſteigen uͤberdachte ich mir’s, wie groß das Ungluͤck werden koͤnne und muͤſſe, da wohl ſchwerlich Jemand ſich’s unternehmen werde, bis in die hoͤchſte Spitze hinan- zuklimmen, wo er in den finſtern Winkeln nicht einmal ſo bekannt ſey, als ich, der ich ſie in meiner Jugend ſo vielfaͤltig, und oft mit Lebensgefahr, durchkrochen hatte. „Alſo nur friſch drauf und dran!‟ rief eine Stimme in mir — „Du weißt hier ja Beſcheid!‟ Jn der That wußt’ ich auch, daß dro- ben auf dem Glockenboden ſtets Waſſer und Loͤſcheimer bereit ſtanden: aber an einer Handſpritze, die hier hauptſaͤchlich Noth thun wuͤrde, konnt’ es leichtlich fehlen. Dies erwaͤgend, macht’ ich auf der Stelle rechtsum; draͤngte mich mit Muͤhe neben den vielen Menſchen voruͤber, die Alle nach oben hinauf wollten; flog gleich in’s erſte naͤchſte Haus und rief um eine Spruͤtze, die aber hier — die auch im zweiten Hauſe nicht zu finden war und meiner ſtei- genden Ungeduld erſt im dritten gereicht wurde. Jetzt

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/132>, abgerufen am 24.11.2024.