am Morgen unser nächtliches Abentheuer mittheilten, nahm sich den Affront, welcher seinen Schützlingen widerfahren war, mehr zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un- sern Vorstellungen, las er der Wirthinn ei- nen derben Text, sagte ihr und ihrem Hause, wo er so viele Jahre verkehrt hatte, alle Gemeinschaft auf, und wollte jede Christen- seele warnen, keinen Fuß über diese unwirth- liche Schwelle zu setzen. Wir hatten genug zu thun, den lieben alten Mann zu be- schwichtigen, der sich's nicht nehmen ließ, uns noch zu guter Letzt durch ein vollständi- ges Frühstück satt zu machen; ja auch all' unsre Taschen mit Brodt, Käse, gekochtem Fleisch, und was er sonst wußte und hatte, vollzustopfen.
Das gethan, ergriff er seinen Stab und wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie sehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh- ren und seine Kräfte zu schonen. Vielmehr hörte er nicht auf, uns eifrig wegen unsers bessern Fortkommens zu berathen; und wäh- rend dieser Besprechungen verlief Ein Stünd- chen nach dem Andern, es ward Mittag, und wir befanden uns in Franecker. Hier zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ auftragen, als ob wir uns für drei Tage satt essen sollten, und konnte sich endlich
am Morgen unſer naͤchtliches Abentheuer mittheilten, nahm ſich den Affront, welcher ſeinen Schuͤtzlingen widerfahren war, mehr zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un- ſern Vorſtellungen, las er der Wirthinn ei- nen derben Text, ſagte ihr und ihrem Hauſe, wo er ſo viele Jahre verkehrt hatte, alle Gemeinſchaft auf, und wollte jede Chriſten- ſeele warnen, keinen Fuß uͤber dieſe unwirth- liche Schwelle zu ſetzen. Wir hatten genug zu thun, den lieben alten Mann zu be- ſchwichtigen, der ſich’s nicht nehmen ließ, uns noch zu guter Letzt durch ein vollſtaͤndi- ges Fruͤhſtuͤck ſatt zu machen; ja auch all’ unſre Taſchen mit Brodt, Kaͤſe, gekochtem Fleiſch, und was er ſonſt wußte und hatte, vollzuſtopfen.
Das gethan, ergriff er ſeinen Stab und wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie ſehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh- ren und ſeine Kraͤfte zu ſchonen. Vielmehr hoͤrte er nicht auf, uns eifrig wegen unſers beſſern Fortkommens zu berathen; und waͤh- rend dieſer Beſprechungen verlief Ein Stuͤnd- chen nach dem Andern, es ward Mittag, und wir befanden uns in Franecker. Hier zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ auftragen, als ob wir uns fuͤr drei Tage ſatt eſſen ſollten, und konnte ſich endlich
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am Morgen unſer naͤchtliches Abentheuer
mittheilten, nahm ſich den Affront, welcher
ſeinen Schuͤtzlingen widerfahren war, mehr
zu Herzen, als wir erwarteten. Trotz un-
ſern Vorſtellungen, las er der Wirthinn ei-
nen derben Text, ſagte ihr und ihrem Hauſe,
wo er ſo viele Jahre verkehrt hatte, alle
Gemeinſchaft auf, und wollte jede Chriſten-
ſeele warnen, keinen Fuß uͤber dieſe unwirth-
liche Schwelle zu ſetzen. Wir hatten genug
zu thun, den lieben alten Mann zu be-
ſchwichtigen, der ſich’s nicht nehmen ließ,
uns noch zu guter Letzt durch ein vollſtaͤndi-
ges Fruͤhſtuͤck ſatt zu machen; ja auch all’
unſre Taſchen mit Brodt, Kaͤſe, gekochtem
Fleiſch, und was er ſonſt wußte und hatte,
vollzuſtopfen.
Das gethan, ergriff er ſeinen Stab und
wanderte mit uns zum Thore hinaus, wie
ſehr wir ihn auch bitten mochten, umzukeh-
ren und ſeine Kraͤfte zu ſchonen. Vielmehr
hoͤrte er nicht auf, uns eifrig wegen unſers
beſſern Fortkommens zu berathen; und waͤh-
rend dieſer Beſprechungen verlief Ein Stuͤnd-
chen nach dem Andern, es ward Mittag,
und wir befanden uns in Franecker. Hier
zog er mit uns in ein Wirthshaus; ließ
auftragen, als ob wir uns fuͤr drei Tage
ſatt eſſen ſollten, und konnte ſich endlich
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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