So wie dies unglückliche Geständniß über meine Lippen floh, war es gleich, als ob das Gewitter in's Kloster geschlagen hätte. Alles gerieth in Bewegung; der Eine sprach hitzig mit dem Andern; Niemand wollte den Seli- gen anfassen, und doch mußten die Ketzerge- beine, ehe die Sonne untergieng, aus dem geweiheten Bezirk fortgeschafft werden. Man steckte uns endlich eine beschriebene Karte in die Hand, die an einen Tischler lautete, welcher wohl die Lieferung der Särge für das Hospital auf sich haben mochte. Denn als wir ihn uns endlich ausgefragt hatten, fanden wir deren bei ihm einen reichlichen Vorrath vor und wurden bedeutet, unter denselben Einen nach der Größe unsrer Leiche auszusuchen. Unsre Wahl fiel auf den läng- sten, weil unser Oheim von einer ansehnlichen Statur gewesen war; und mit diesem Sarge wanderten wir nun nach dem Kloster zurück.
Hier trieb man uns, ohne sich zu irgend einiger Handreichung zu verstehen, mit bar- schem Ernst, den Leichnam unverzüglich ein- zusargen und ihn, aus dem Gemache hinweg, auf die Straße unter einen, uns dazu ange- wiesenen Schoppen zu bringen. Unsre Weh- muth kannte keine Grenzen. Jndeß thaten wir, wie uns geboten worden; man reichte uns Hammer und Nägel, um den Deckel zuzuschlagen, und nun hoben wir an, den
So wie dies ungluͤckliche Geſtaͤndniß uͤber meine Lippen floh, war es gleich, als ob das Gewitter in’s Kloſter geſchlagen haͤtte. Alles gerieth in Bewegung; der Eine ſprach hitzig mit dem Andern; Niemand wollte den Seli- gen anfaſſen, und doch mußten die Ketzerge- beine, ehe die Sonne untergieng, aus dem geweiheten Bezirk fortgeſchafft werden. Man ſteckte uns endlich eine beſchriebene Karte in die Hand, die an einen Tiſchler lautete, welcher wohl die Lieferung der Saͤrge fuͤr das Hoſpital auf ſich haben mochte. Denn als wir ihn uns endlich ausgefragt hatten, fanden wir deren bei ihm einen reichlichen Vorrath vor und wurden bedeutet, unter denſelben Einen nach der Groͤße unſrer Leiche auszuſuchen. Unſre Wahl fiel auf den laͤng- ſten, weil unſer Oheim von einer anſehnlichen Statur geweſen war; und mit dieſem Sarge wanderten wir nun nach dem Kloſter zuruͤck.
Hier trieb man uns, ohne ſich zu irgend einiger Handreichung zu verſtehen, mit bar- ſchem Ernſt, den Leichnam unverzuͤglich ein- zuſargen und ihn, aus dem Gemache hinweg, auf die Straße unter einen, uns dazu ange- wieſenen Schoppen zu bringen. Unſre Weh- muth kannte keine Grenzen. Jndeß thaten wir, wie uns geboten worden; man reichte uns Hammer und Naͤgel, um den Deckel zuzuſchlagen, und nun hoben wir an, den
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So wie dies ungluͤckliche Geſtaͤndniß uͤber
meine Lippen floh, war es gleich, als ob das
Gewitter in’s Kloſter geſchlagen haͤtte. Alles
gerieth in Bewegung; der Eine ſprach hitzig
mit dem Andern; Niemand wollte den Seli-
gen anfaſſen, und doch mußten die Ketzerge-
beine, ehe die Sonne untergieng, aus dem
geweiheten Bezirk fortgeſchafft werden. Man
ſteckte uns endlich eine beſchriebene Karte in
die Hand, die an einen Tiſchler lautete,
welcher wohl die Lieferung der Saͤrge fuͤr
das Hoſpital auf ſich haben mochte. Denn
als wir ihn uns endlich ausgefragt hatten,
fanden wir deren bei ihm einen reichlichen
Vorrath vor und wurden bedeutet, unter
denſelben Einen nach der Groͤße unſrer Leiche
auszuſuchen. Unſre Wahl fiel auf den laͤng-
ſten, weil unſer Oheim von einer anſehnlichen
Statur geweſen war; und mit dieſem Sarge
wanderten wir nun nach dem Kloſter zuruͤck.
Hier trieb man uns, ohne ſich zu irgend
einiger Handreichung zu verſtehen, mit bar-
ſchem Ernſt, den Leichnam unverzuͤglich ein-
zuſargen und ihn, aus dem Gemache hinweg,
auf die Straße unter einen, uns dazu ange-
wieſenen Schoppen zu bringen. Unſre Weh-
muth kannte keine Grenzen. Jndeß thaten
wir, wie uns geboten worden; man reichte
uns Hammer und Naͤgel, um den Deckel
zuzuſchlagen, und nun hoben wir an, den
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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