merten, und wußten nicht, was wir mit dem- selben aufangen sollten. Vom Strande her ward uns durch ein Sprachrohr unaufhörlich zugeschrieen: "Springt über Bord! Springt über Bord! Wächst das Wasser mit der Fluth wieder an: so seyd ihr verloren -- Springt! Springt!"
Angefeuert und beängstigt zugleich durch dies Rufen, zogen wir endlich unsern Leiden- den, dessen Bewußtseyn völlig geschwunden war, hart an den Bord des Schiffes und nahmen eine besonders mächtige Sturzwelle in Acht, mit welcher wir ihn in Gottes Na- men dahin fahren liessen. Zu unsrer unaus- sprechlichen Freude sahen wir, wie er mit derselben, im Fluge, dem Laude zugeführt wurde, und wie dort die guten Leute ihn auffingen, ehe er noch von der See wieder zurückgespült werden konnte. Jetzt trieb ich meinen Bruder, den entscheidenden Sprung zu wagen; dann den Sohn meines Oheims; und Ein Stein nach dem Andern fiel mir vom Herzen, da ich sie alsobald gerettet und in Sicherheit erblickte. Nun warf ich mich gleichfalls, als der Letzte, wohlgemuthet in die rollenden Wogen; und in der nächsten Minute umfiengen mich auch bereits hülf- reiche Arme, die mich den Strand hinauf in's Trockne trugen.
Es
merten, und wußten nicht, was wir mit dem- ſelben aufangen ſollten. Vom Strande her ward uns durch ein Sprachrohr unaufhoͤrlich zugeſchrieen: „Springt uͤber Bord! Springt uͤber Bord! Waͤchſt das Waſſer mit der Fluth wieder an: ſo ſeyd ihr verloren — Springt! Springt!‟
Angefeuert und beaͤngſtigt zugleich durch dies Rufen, zogen wir endlich unſern Leiden- den, deſſen Bewußtſeyn voͤllig geſchwunden war, hart an den Bord des Schiffes und nahmen eine beſonders maͤchtige Sturzwelle in Acht, mit welcher wir ihn in Gottes Na- men dahin fahren lieſſen. Zu unſrer unaus- ſprechlichen Freude ſahen wir, wie er mit derſelben, im Fluge, dem Laude zugefuͤhrt wurde, und wie dort die guten Leute ihn auffingen, ehe er noch von der See wieder zuruͤckgeſpuͤlt werden konnte. Jetzt trieb ich meinen Bruder, den entſcheidenden Sprung zu wagen; dann den Sohn meines Oheims; und Ein Stein nach dem Andern fiel mir vom Herzen, da ich ſie alſobald gerettet und in Sicherheit erblickte. Nun warf ich mich gleichfalls, als der Letzte, wohlgemuthet in die rollenden Wogen; und in der naͤchſten Minute umfiengen mich auch bereits huͤlf- reiche Arme, die mich den Strand hinauf in’s Trockne trugen.
Es
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merten, und wußten nicht, was wir mit dem-
ſelben aufangen ſollten. Vom Strande her
ward uns durch ein Sprachrohr unaufhoͤrlich
zugeſchrieen: „Springt uͤber Bord! Springt
uͤber Bord! Waͤchſt das Waſſer mit der Fluth
wieder an: ſo ſeyd ihr verloren — Springt!
Springt!‟
Angefeuert und beaͤngſtigt zugleich durch
dies Rufen, zogen wir endlich unſern Leiden-
den, deſſen Bewußtſeyn voͤllig geſchwunden
war, hart an den Bord des Schiffes und
nahmen eine beſonders maͤchtige Sturzwelle
in Acht, mit welcher wir ihn in Gottes Na-
men dahin fahren lieſſen. Zu unſrer unaus-
ſprechlichen Freude ſahen wir, wie er mit
derſelben, im Fluge, dem Laude zugefuͤhrt
wurde, und wie dort die guten Leute ihn
auffingen, ehe er noch von der See wieder
zuruͤckgeſpuͤlt werden konnte. Jetzt trieb
ich meinen Bruder, den entſcheidenden Sprung
zu wagen; dann den Sohn meines Oheims;
und Ein Stein nach dem Andern fiel mir vom
Herzen, da ich ſie alſobald gerettet und in
Sicherheit erblickte. Nun warf ich mich
gleichfalls, als der Letzte, wohlgemuthet in
die rollenden Wogen; und in der naͤchſten
Minute umfiengen mich auch bereits huͤlf-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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