Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter uns Umhertreibenden mochte ich
wohl der Erste seyn, der sich glücklich aus
diesem bösen Handel zog. Jch trieb nemlich
gegen ein vor Anker liegendes Schiff, und er-
hielt mich so lange am Ankertau, bis die
Leute mich zu sich an Bord ziehen konnten.
Mein guter Oheim hingegen ward ebensowohl
durch den harten Sturm, als die schnelle
Strömung, beinah eine Viertelmeile weit, bis
unterhalb des Dänischen Kastells davon ge-
führt. Aber indem er sich kümmerlich an
einem Spriet *) festgeklammert erhielt, braucht'
er wohl eine Stunde, bevor er mit Schwim-
men das Land erreichte. Zwei Matrosen
wurden durch eine Lootsen-Jolle gerettet;
Einer aber blieb leider! verloren.

Erst am Morgen fanden wir vier Gebor-
genen uns in Helsingör wieder zusammen.
Unsre Schaluppe ward uns von dem Wacht-
schiffe wieder zurückgegeben; wir ersetzten
unsre verunglückte Ladung durch angekaufte
neue Vorräthe, versahen uns mit frischen
Rudern und kehrten sodann nach unserm
Schiffe zurück. Sobald auch nur Wind und
Wetter wieder günstiger geworden waren,
säumten wir nicht, unsre Fahrt, trotz der
späten und bösen Jahreszeit, fortzusetzen.

*) Eine starke, funfzehnfüßige Stange vom Scha-
luppen-Segel.

Unter uns Umhertreibenden mochte ich
wohl der Erſte ſeyn, der ſich gluͤcklich aus
dieſem boͤſen Handel zog. Jch trieb nemlich
gegen ein vor Anker liegendes Schiff, und er-
hielt mich ſo lange am Ankertau, bis die
Leute mich zu ſich an Bord ziehen konnten.
Mein guter Oheim hingegen ward ebenſowohl
durch den harten Sturm, als die ſchnelle
Stroͤmung, beinah eine Viertelmeile weit, bis
unterhalb des Daͤniſchen Kaſtells davon ge-
fuͤhrt. Aber indem er ſich kuͤmmerlich an
einem Spriet *) feſtgeklammert erhielt, braucht’
er wohl eine Stunde, bevor er mit Schwim-
men das Land erreichte. Zwei Matroſen
wurden durch eine Lootſen-Jolle gerettet;
Einer aber blieb leider! verloren.

Erſt am Morgen fanden wir vier Gebor-
genen uns in Helſingoͤr wieder zuſammen.
Unſre Schaluppe ward uns von dem Wacht-
ſchiffe wieder zuruͤckgegeben; wir erſetzten
unſre verungluͤckte Ladung durch angekaufte
neue Vorraͤthe, verſahen uns mit friſchen
Rudern und kehrten ſodann nach unſerm
Schiffe zuruͤck. Sobald auch nur Wind und
Wetter wieder guͤnſtiger geworden waren,
ſaͤumten wir nicht, unſre Fahrt, trotz der
ſpaͤten und boͤſen Jahreszeit, fortzuſetzen.

*) Eine ſtarke, funfzehnfuͤßige Stange vom Scha-
luppen-Segel.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0058" n="42"/>
        <p>Unter uns Umhertreibenden mochte ich<lb/>
wohl der Er&#x017F;te &#x017F;eyn, der &#x017F;ich glu&#x0364;cklich aus<lb/>
die&#x017F;em bo&#x0364;&#x017F;en Handel zog. Jch trieb nemlich<lb/>
gegen ein vor Anker liegendes Schiff, und er-<lb/>
hielt mich &#x017F;o lange am Ankertau, bis die<lb/>
Leute mich zu &#x017F;ich an Bord ziehen konnten.<lb/>
Mein guter Oheim hingegen ward eben&#x017F;owohl<lb/>
durch den harten Sturm, als die &#x017F;chnelle<lb/>
Stro&#x0364;mung, beinah eine Viertelmeile weit, bis<lb/>
unterhalb des Da&#x0364;ni&#x017F;chen Ka&#x017F;tells davon ge-<lb/>
fu&#x0364;hrt. Aber indem er &#x017F;ich ku&#x0364;mmerlich an<lb/>
einem Spriet <note place="foot" n="*)">Eine &#x017F;tarke, funfzehnfu&#x0364;ßige Stange vom Scha-<lb/>
luppen-Segel.</note> fe&#x017F;tgeklammert erhielt, braucht&#x2019;<lb/>
er wohl eine Stunde, bevor er mit Schwim-<lb/>
men das Land erreichte. Zwei Matro&#x017F;en<lb/>
wurden durch eine Loot&#x017F;en-Jolle gerettet;<lb/>
Einer aber blieb leider! verloren.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;t am Morgen fanden wir vier Gebor-<lb/>
genen uns in Hel&#x017F;ingo&#x0364;r wieder zu&#x017F;ammen.<lb/>
Un&#x017F;re Schaluppe ward uns von dem Wacht-<lb/>
&#x017F;chiffe wieder zuru&#x0364;ckgegeben; wir er&#x017F;etzten<lb/>
un&#x017F;re verunglu&#x0364;ckte Ladung durch angekaufte<lb/>
neue Vorra&#x0364;the, ver&#x017F;ahen uns mit fri&#x017F;chen<lb/>
Rudern und kehrten &#x017F;odann nach un&#x017F;erm<lb/>
Schiffe zuru&#x0364;ck. Sobald auch nur Wind und<lb/>
Wetter wieder gu&#x0364;n&#x017F;tiger geworden waren,<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umten wir nicht, un&#x017F;re Fahrt, trotz der<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ten und bo&#x0364;&#x017F;en Jahreszeit, fortzu&#x017F;etzen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] Unter uns Umhertreibenden mochte ich wohl der Erſte ſeyn, der ſich gluͤcklich aus dieſem boͤſen Handel zog. Jch trieb nemlich gegen ein vor Anker liegendes Schiff, und er- hielt mich ſo lange am Ankertau, bis die Leute mich zu ſich an Bord ziehen konnten. Mein guter Oheim hingegen ward ebenſowohl durch den harten Sturm, als die ſchnelle Stroͤmung, beinah eine Viertelmeile weit, bis unterhalb des Daͤniſchen Kaſtells davon ge- fuͤhrt. Aber indem er ſich kuͤmmerlich an einem Spriet *) feſtgeklammert erhielt, braucht’ er wohl eine Stunde, bevor er mit Schwim- men das Land erreichte. Zwei Matroſen wurden durch eine Lootſen-Jolle gerettet; Einer aber blieb leider! verloren. Erſt am Morgen fanden wir vier Gebor- genen uns in Helſingoͤr wieder zuſammen. Unſre Schaluppe ward uns von dem Wacht- ſchiffe wieder zuruͤckgegeben; wir erſetzten unſre verungluͤckte Ladung durch angekaufte neue Vorraͤthe, verſahen uns mit friſchen Rudern und kehrten ſodann nach unſerm Schiffe zuruͤck. Sobald auch nur Wind und Wetter wieder guͤnſtiger geworden waren, ſaͤumten wir nicht, unſre Fahrt, trotz der ſpaͤten und boͤſen Jahreszeit, fortzuſetzen. *) Eine ſtarke, funfzehnfuͤßige Stange vom Scha- luppen-Segel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/58
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/58>, abgerufen am 22.11.2024.