nach uns herüber winselte. Es schien nun wohl entschieden, daß das Schiff leer und verlassen von Menschen seyn müsse: aber eben dies weckte in mir und Andern mehr die Lust, die Schaluppe auszusetzen und zu einer genaueren Untersuchung dieses wun- derbaren Vorfalls hinüber zu fahren: denn so, wie sich die Sache anließ, kam es hier vielleicht bloß darauf an, ein herrenloses Eigenthum als gute Prise in Besitz zu nehmen.
Meine hierauf gerichteten Vorschläge fie- len jedoch bei dem Kapitain in taube Oh- ren. Er meynte, der Wind bliese zu frisch und die See gienge zu hoch, als daß er Boot und Menschen einem solchen Wagniß preiß geben könnte; und auch im besten Falle werde es um den Rückweg, gegen den Sturmwind an, noch mißlicher stehen. Er- picht, wie ich auf den Handel war, stellte ich ihm vor, wie es füglich so einzurichten wäre, daß die Schaluppe mit Wind und Wellen geradezu auf das fremde Schiff los- steuerte, und das unsrige, nach erfolgter Besichtigung, sich jenseits unter den Wind legte, um uns, mittelst dieses Manoeuvre's gemächlich wieder an Bord zu nehmen. "Nettelbeck!" rief er -- "Das wird der Teufel nicht mit Euch wagen!"
nach uns heruͤber winſelte. Es ſchien nun wohl entſchieden, daß das Schiff leer und verlaſſen von Menſchen ſeyn muͤſſe: aber eben dies weckte in mir und Andern mehr die Luſt, die Schaluppe auszuſetzen und zu einer genaueren Unterſuchung dieſes wun- derbaren Vorfalls hinuͤber zu fahren: denn ſo, wie ſich die Sache anließ, kam es hier vielleicht bloß darauf an, ein herrenloſes Eigenthum als gute Priſe in Beſitz zu nehmen.
Meine hierauf gerichteten Vorſchlaͤge fie- len jedoch bei dem Kapitain in taube Oh- ren. Er meynte, der Wind blieſe zu friſch und die See gienge zu hoch, als daß er Boot und Menſchen einem ſolchen Wagniß preiß geben koͤnnte; und auch im beſten Falle werde es um den Ruͤckweg, gegen den Sturmwind an, noch mißlicher ſtehen. Er- picht, wie ich auf den Handel war, ſtellte ich ihm vor, wie es fuͤglich ſo einzurichten waͤre, daß die Schaluppe mit Wind und Wellen geradezu auf das fremde Schiff los- ſteuerte, und das unſrige, nach erfolgter Beſichtigung, ſich jenſeits unter den Wind legte, um uns, mittelſt dieſes Manoeuvre’s gemaͤchlich wieder an Bord zu nehmen. „Nettelbeck!‟ rief er — „Das wird der Teufel nicht mit Euch wagen!‟
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nach uns heruͤber winſelte. Es ſchien nun
wohl entſchieden, daß das Schiff leer und
verlaſſen von Menſchen ſeyn muͤſſe: aber
eben dies weckte in mir und Andern mehr
die Luſt, die Schaluppe auszuſetzen und zu
einer genaueren Unterſuchung dieſes wun-
derbaren Vorfalls hinuͤber zu fahren: denn
ſo, wie ſich die Sache anließ, kam es hier
vielleicht bloß darauf an, ein herrenloſes
Eigenthum als gute Priſe in Beſitz zu
nehmen.
Meine hierauf gerichteten Vorſchlaͤge fie-
len jedoch bei dem Kapitain in taube Oh-
ren. Er meynte, der Wind blieſe zu friſch
und die See gienge zu hoch, als daß er
Boot und Menſchen einem ſolchen Wagniß
preiß geben koͤnnte; und auch im beſten
Falle werde es um den Ruͤckweg, gegen den
Sturmwind an, noch mißlicher ſtehen. Er-
picht, wie ich auf den Handel war, ſtellte
ich ihm vor, wie es fuͤglich ſo einzurichten
waͤre, daß die Schaluppe mit Wind und
Wellen geradezu auf das fremde Schiff los-
ſteuerte, und das unſrige, nach erfolgter
Beſichtigung, ſich jenſeits unter den Wind
legte, um uns, mittelſt dieſes Manoeuvre’s
gemaͤchlich wieder an Bord zu nehmen.
„Nettelbeck!‟ rief er — „Das wird der
Teufel nicht mit Euch wagen!‟
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/274>, abgerufen am 03.05.2024.
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