werk blieb, dessen ich gern entübrigt gewesen wäre, und daß ich mich in meiner Lage mit jedem Tage mißmüthiger und unzufriedner fühlte. Auf die Länge konnte das so nicht bleiben. Was aber dem Fasse vollends den Boden ausschlug, war ein Schimpf, der mir von einem Manne widerfuhr, um den ich wohl ein Besseres verdient gehabt hatte. Dieser Kaufmann K. nemlich, für den ich vormals, als eigner Schiffsrheeder Güter und Frachten mit Ehren über See gefahren hatte, glaubte ein Werk der Barmherzigkeit an mir zu thun, wenn er mir das Glück widerfahren liesse, unter seinem unwissenden Bauer-Schiffer als Steuermann zu dienen. Meine ganze Seele fühlte sich über diesen erniedrigenden Vor- schlag entrüstet. Es war, als ob jeder Bube in Colberg mit Fingern auf mich wiese; und so ließ mir's auch länger keine Ruhe, als bis ich mich im Jahr 1771, als Passagier, nach Holland auf den Weg machte; in voller und gewisser Zuversicht, daß dies Land mir für mein besseres Fortkommen in allen Fällen die gewünschte Genüge leisten werde.
Mein eigentlicher Plan bei diesem rasch gefaßten und ausgeführten Entschlusse war auf die Küste von Guinea gerichtet, wo die Art des Handelsverkehrs mir bei meiner ersten Ausflucht bereits bekannt geworden war; und da ich mich der damals erlernten Landes-
werk blieb, deſſen ich gern entuͤbrigt geweſen waͤre, und daß ich mich in meiner Lage mit jedem Tage mißmuͤthiger und unzufriedner fuͤhlte. Auf die Laͤnge konnte das ſo nicht bleiben. Was aber dem Faſſe vollends den Boden ausſchlug, war ein Schimpf, der mir von einem Manne widerfuhr, um den ich wohl ein Beſſeres verdient gehabt hatte. Dieſer Kaufmann K. nemlich, fuͤr den ich vormals, als eigner Schiffsrheeder Guͤter und Frachten mit Ehren uͤber See gefahren hatte, glaubte ein Werk der Barmherzigkeit an mir zu thun, wenn er mir das Gluͤck widerfahren lieſſe, unter ſeinem unwiſſenden Bauer-Schiffer als Steuermann zu dienen. Meine ganze Seele fuͤhlte ſich uͤber dieſen erniedrigenden Vor- ſchlag entruͤſtet. Es war, als ob jeder Bube in Colberg mit Fingern auf mich wieſe; und ſo ließ mir’s auch laͤnger keine Ruhe, als bis ich mich im Jahr 1771, als Paſſagier, nach Holland auf den Weg machte; in voller und gewiſſer Zuverſicht, daß dies Land mir fuͤr mein beſſeres Fortkommen in allen Faͤllen die gewuͤnſchte Genuͤge leiſten werde.
Mein eigentlicher Plan bei dieſem raſch gefaßten und ausgefuͤhrten Entſchluſſe war auf die Kuͤſte von Guinea gerichtet, wo die Art des Handelsverkehrs mir bei meiner erſten Ausflucht bereits bekannt geworden war; und da ich mich der damals erlernten Landes-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0263"n="247"/>
werk blieb, deſſen ich gern entuͤbrigt geweſen<lb/>
waͤre, und daß ich mich in meiner Lage mit<lb/>
jedem Tage mißmuͤthiger und unzufriedner<lb/>
fuͤhlte. Auf die Laͤnge konnte das ſo nicht<lb/>
bleiben. Was aber dem Faſſe vollends den<lb/>
Boden ausſchlug, war ein Schimpf, der mir<lb/>
von einem Manne widerfuhr, um den ich<lb/>
wohl ein Beſſeres verdient gehabt hatte.<lb/>
Dieſer Kaufmann K. nemlich, fuͤr den ich<lb/>
vormals, als eigner Schiffsrheeder Guͤter und<lb/>
Frachten mit Ehren uͤber See gefahren hatte,<lb/>
glaubte ein Werk der Barmherzigkeit an mir zu<lb/>
thun, wenn er mir das Gluͤck widerfahren lieſſe,<lb/>
unter ſeinem unwiſſenden Bauer-Schiffer als<lb/>
Steuermann zu dienen. Meine ganze Seele<lb/>
fuͤhlte ſich uͤber dieſen erniedrigenden Vor-<lb/>ſchlag entruͤſtet. Es war, als ob jeder Bube<lb/>
in Colberg mit Fingern auf mich wieſe; und<lb/>ſo ließ mir’s auch laͤnger keine Ruhe, als bis<lb/>
ich mich im Jahr 1771, als Paſſagier, nach<lb/>
Holland auf den Weg machte; in voller und<lb/>
gewiſſer Zuverſicht, daß dies Land mir fuͤr<lb/>
mein beſſeres Fortkommen in allen Faͤllen<lb/>
die gewuͤnſchte Genuͤge leiſten werde.</p><lb/><p>Mein eigentlicher Plan bei dieſem raſch<lb/>
gefaßten und ausgefuͤhrten Entſchluſſe war<lb/>
auf die Kuͤſte von Guinea gerichtet, wo die<lb/>
Art des Handelsverkehrs mir bei meiner erſten<lb/>
Ausflucht bereits bekannt geworden war; und<lb/>
da ich mich der damals erlernten Landes-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[247/0263]
werk blieb, deſſen ich gern entuͤbrigt geweſen
waͤre, und daß ich mich in meiner Lage mit
jedem Tage mißmuͤthiger und unzufriedner
fuͤhlte. Auf die Laͤnge konnte das ſo nicht
bleiben. Was aber dem Faſſe vollends den
Boden ausſchlug, war ein Schimpf, der mir
von einem Manne widerfuhr, um den ich
wohl ein Beſſeres verdient gehabt hatte.
Dieſer Kaufmann K. nemlich, fuͤr den ich
vormals, als eigner Schiffsrheeder Guͤter und
Frachten mit Ehren uͤber See gefahren hatte,
glaubte ein Werk der Barmherzigkeit an mir zu
thun, wenn er mir das Gluͤck widerfahren lieſſe,
unter ſeinem unwiſſenden Bauer-Schiffer als
Steuermann zu dienen. Meine ganze Seele
fuͤhlte ſich uͤber dieſen erniedrigenden Vor-
ſchlag entruͤſtet. Es war, als ob jeder Bube
in Colberg mit Fingern auf mich wieſe; und
ſo ließ mir’s auch laͤnger keine Ruhe, als bis
ich mich im Jahr 1771, als Paſſagier, nach
Holland auf den Weg machte; in voller und
gewiſſer Zuverſicht, daß dies Land mir fuͤr
mein beſſeres Fortkommen in allen Faͤllen
die gewuͤnſchte Genuͤge leiſten werde.
Mein eigentlicher Plan bei dieſem raſch
gefaßten und ausgefuͤhrten Entſchluſſe war
auf die Kuͤſte von Guinea gerichtet, wo die
Art des Handelsverkehrs mir bei meiner erſten
Ausflucht bereits bekannt geworden war; und
da ich mich der damals erlernten Landes-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/263>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.