Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

und trat endlich drohend auf mich ein, indem
er die Hand an das Gefäß seines Degens
schlug. "Oho Bürschken" sagte ich, und be-
sah ihn mir schmunzelnd von unten bis oben
-- "das wollen wir dir wohl anstreichen!" --
Jch ging in die Kajüte, schnallte mir meinen
Säbel um, und kam wieder auf's Verdeck,
um ihm das Weisse im Auge zu sehen. Weil
sich seine Galle aber immer noch nicht legen
wollte, seine geläufige Zunge wie ein Rohr-
sperling schimpfte, und bei jedem dritten
Worte die Faust immer wieder nach dem Degen
fuhr, riß mir endlich auch die Geduld. Jch
legte ebenfalls die Hand, und eben nicht sanft,
an meinen Säbel, und forderte ihn auf, zur
Stelle mit mir an's Land zu kommen, damit
ich sähe, was Vater und Mutter aus ihm
gefuttert hätten, -- wie wir Pommern zu
sagen pflegen.

Jch sprang voran in die Schaluppe und
bot sechs Matrosen auf, die Riemen zur
Hand zu nehmen. Mein Urian kam auf
mein wiederholtes Winken mir nachgestiegen.
Jch stellte mich an's Ruder und steuerte nach
dem Packwerk; war mit Einem Satze am
Lande, und warf, meines Gegners gewärtig,
mir Hut und Rock vom Leibe, der denn
auch bald hinter mir dreinfackelte. Wir zo-
gen Beide blank, und standen verbittert ein-
ander gegenüber. Monsieur machte mir mit

und trat endlich drohend auf mich ein, indem
er die Hand an das Gefaͤß ſeines Degens
ſchlug. „Oho Buͤrſchken‟ ſagte ich, und be-
ſah ihn mir ſchmunzelnd von unten bis oben
— „das wollen wir dir wohl anſtreichen!‟ —
Jch ging in die Kajuͤte, ſchnallte mir meinen
Saͤbel um, und kam wieder auf’s Verdeck,
um ihm das Weiſſe im Auge zu ſehen. Weil
ſich ſeine Galle aber immer noch nicht legen
wollte, ſeine gelaͤufige Zunge wie ein Rohr-
ſperling ſchimpfte, und bei jedem dritten
Worte die Fauſt immer wieder nach dem Degen
fuhr, riß mir endlich auch die Geduld. Jch
legte ebenfalls die Hand, und eben nicht ſanft,
an meinen Saͤbel, und forderte ihn auf, zur
Stelle mit mir an’s Land zu kommen, damit
ich ſaͤhe, was Vater und Mutter aus ihm
gefuttert haͤtten, — wie wir Pommern zu
ſagen pflegen.

Jch ſprang voran in die Schaluppe und
bot ſechs Matroſen auf, die Riemen zur
Hand zu nehmen. Mein Urian kam auf
mein wiederholtes Winken mir nachgeſtiegen.
Jch ſtellte mich an’s Ruder und ſteuerte nach
dem Packwerk; war mit Einem Satze am
Lande, und warf, meines Gegners gewaͤrtig,
mir Hut und Rock vom Leibe, der denn
auch bald hinter mir dreinfackelte. Wir zo-
gen Beide blank, und ſtanden verbittert ein-
ander gegenuͤber. Monſieur machte mir mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0258" n="242"/>
und trat endlich drohend auf mich ein, indem<lb/>
er die Hand an das Gefa&#x0364;ß &#x017F;eines Degens<lb/>
&#x017F;chlug. &#x201E;Oho Bu&#x0364;r&#x017F;chken&#x201F; &#x017F;agte ich, und be-<lb/>
&#x017F;ah ihn mir &#x017F;chmunzelnd von unten bis oben<lb/>
&#x2014; &#x201E;das wollen wir dir wohl an&#x017F;treichen!&#x201F; &#x2014;<lb/>
Jch ging in die Kaju&#x0364;te, &#x017F;chnallte mir meinen<lb/>
Sa&#x0364;bel um, und kam wieder auf&#x2019;s Verdeck,<lb/>
um ihm das Wei&#x017F;&#x017F;e im Auge zu &#x017F;ehen. Weil<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eine Galle aber immer noch nicht legen<lb/>
wollte, &#x017F;eine gela&#x0364;ufige Zunge wie ein Rohr-<lb/>
&#x017F;perling &#x017F;chimpfte, und bei jedem dritten<lb/>
Worte die Fau&#x017F;t immer wieder nach dem Degen<lb/>
fuhr, riß mir endlich auch die Geduld. Jch<lb/>
legte ebenfalls die Hand, und eben nicht &#x017F;anft,<lb/>
an meinen Sa&#x0364;bel, und forderte ihn auf, zur<lb/>
Stelle mit mir an&#x2019;s Land zu kommen, damit<lb/>
ich &#x017F;a&#x0364;he, was Vater und Mutter aus ihm<lb/>
gefuttert ha&#x0364;tten, &#x2014; wie wir Pommern zu<lb/>
&#x017F;agen pflegen.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;prang voran in die Schaluppe und<lb/>
bot &#x017F;echs Matro&#x017F;en auf, die Riemen zur<lb/>
Hand zu nehmen. Mein Urian kam auf<lb/>
mein wiederholtes Winken mir nachge&#x017F;tiegen.<lb/>
Jch &#x017F;tellte mich an&#x2019;s Ruder und &#x017F;teuerte nach<lb/>
dem Packwerk; war mit Einem Satze am<lb/>
Lande, und warf, meines Gegners gewa&#x0364;rtig,<lb/>
mir Hut und Rock vom Leibe, der denn<lb/>
auch bald hinter mir dreinfackelte. Wir zo-<lb/>
gen Beide blank, und &#x017F;tanden verbittert ein-<lb/>
ander gegenu&#x0364;ber. Mon&#x017F;ieur machte mir mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0258] und trat endlich drohend auf mich ein, indem er die Hand an das Gefaͤß ſeines Degens ſchlug. „Oho Buͤrſchken‟ ſagte ich, und be- ſah ihn mir ſchmunzelnd von unten bis oben — „das wollen wir dir wohl anſtreichen!‟ — Jch ging in die Kajuͤte, ſchnallte mir meinen Saͤbel um, und kam wieder auf’s Verdeck, um ihm das Weiſſe im Auge zu ſehen. Weil ſich ſeine Galle aber immer noch nicht legen wollte, ſeine gelaͤufige Zunge wie ein Rohr- ſperling ſchimpfte, und bei jedem dritten Worte die Fauſt immer wieder nach dem Degen fuhr, riß mir endlich auch die Geduld. Jch legte ebenfalls die Hand, und eben nicht ſanft, an meinen Saͤbel, und forderte ihn auf, zur Stelle mit mir an’s Land zu kommen, damit ich ſaͤhe, was Vater und Mutter aus ihm gefuttert haͤtten, — wie wir Pommern zu ſagen pflegen. Jch ſprang voran in die Schaluppe und bot ſechs Matroſen auf, die Riemen zur Hand zu nehmen. Mein Urian kam auf mein wiederholtes Winken mir nachgeſtiegen. Jch ſtellte mich an’s Ruder und ſteuerte nach dem Packwerk; war mit Einem Satze am Lande, und warf, meines Gegners gewaͤrtig, mir Hut und Rock vom Leibe, der denn auch bald hinter mir dreinfackelte. Wir zo- gen Beide blank, und ſtanden verbittert ein- ander gegenuͤber. Monſieur machte mir mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/258
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/258>, abgerufen am 04.10.2024.