Jemand hatte die ertheilte Anweisung zu ih- rem Anbau recht begriffen. Wer sie also nicht geradezu, in seiner getäuschten Erwar- tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng doch bei der Auspflanzung so verkehrt, als möglich, zu Werke. Einige steckten sie hie und da einzeln in die Erde, ohne sich weiter um sie zu kümmern; Andre (und darunter war auch meine liebe Großmutter mit ih- rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das Ding noch klüger anzugreifen, wenn sie diese Kartoffeln beisammen auf Einen Haufen schütteten und mit etwas Erde bedeckten. Da wuchsen sie nun zu einem dichten Filz in einander; und ich sehe noch oft in meinem Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo solchergestalt die gute Frau hierinn ihr erstes Lehrgeld gab.
Nun mochten aber wohl die Herren vom Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben, daß es unter den Empfängern viele lose Ver- ächter gegeben, die ihren Schatz gar nicht einmal der Erde anvertraut hätten. Dar- um ward in den Sommer-Monaten durch den Rathsdiener und Feldwächter eine allge- meine und strenge Kartoffel-Schau ver- anstaltet und den widerspenstig Befundenen eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab wiederum ein großes Geschrei, und diente
Jemand hatte die ertheilte Anweiſung zu ih- rem Anbau recht begriffen. Wer ſie alſo nicht geradezu, in ſeiner getaͤuſchten Erwar- tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng doch bei der Auspflanzung ſo verkehrt, als moͤglich, zu Werke. Einige ſteckten ſie hie und da einzeln in die Erde, ohne ſich weiter um ſie zu kuͤmmern; Andre (und darunter war auch meine liebe Großmutter mit ih- rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das Ding noch kluͤger anzugreifen, wenn ſie dieſe Kartoffeln beiſammen auf Einen Haufen ſchuͤtteten und mit etwas Erde bedeckten. Da wuchſen ſie nun zu einem dichten Filz in einander; und ich ſehe noch oft in meinem Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo ſolchergeſtalt die gute Frau hierinn ihr erſtes Lehrgeld gab.
Nun mochten aber wohl die Herren vom Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben, daß es unter den Empfaͤngern viele loſe Ver- aͤchter gegeben, die ihren Schatz gar nicht einmal der Erde anvertraut haͤtten. Dar- um ward in den Sommer-Monaten durch den Rathsdiener und Feldwaͤchter eine allge- meine und ſtrenge Kartoffel-Schau ver- anſtaltet und den widerſpenſtig Befundenen eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab wiederum ein großes Geſchrei, und diente
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Jemand hatte die ertheilte Anweiſung zu ih-
rem Anbau recht begriffen. Wer ſie alſo
nicht geradezu, in ſeiner getaͤuſchten Erwar-
tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng
doch bei der Auspflanzung ſo verkehrt, als
moͤglich, zu Werke. Einige ſteckten ſie hie
und da einzeln in die Erde, ohne ſich weiter
um ſie zu kuͤmmern; Andre (und darunter
war auch meine liebe Großmutter mit ih-
rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das
Ding noch kluͤger anzugreifen, wenn ſie dieſe
Kartoffeln beiſammen auf Einen Haufen
ſchuͤtteten und mit etwas Erde bedeckten.
Da wuchſen ſie nun zu einem dichten Filz
in einander; und ich ſehe noch oft in meinem
Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo
ſolchergeſtalt die gute Frau hierinn ihr erſtes
Lehrgeld gab.
Nun mochten aber wohl die Herren vom
Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben,
daß es unter den Empfaͤngern viele loſe Ver-
aͤchter gegeben, die ihren Schatz gar nicht
einmal der Erde anvertraut haͤtten. Dar-
um ward in den Sommer-Monaten durch
den Rathsdiener und Feldwaͤchter eine allge-
meine und ſtrenge Kartoffel-Schau ver-
anſtaltet und den widerſpenſtig Befundenen
eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/24>, abgerufen am 24.11.2024.
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