verloren seyn, so mußten schleunige Anstal- ten getroffen werden, das verunglückte Fahr- zeug wieder über Wasser zu bringen. Dazu wurden denn zwei Schiffe benutzt, die eben auch im Hafen lagen, und wovon das Eine von meines Vaters Bruder geführt wurde. So war ich denn auch bei diesem Empor- winden, an welchem ich eine kindische Freude hatte, beständig zugegen; ward mitunter auch wohl, als unnütz und hinderlich, über Seite geschoben, und habe darüber all diese einzelnen Umstände nur um so besser im Ge- dächtniß behalten.
Gieng nun gleich das Wiederflottmachen des Schiffes glücklich von Statten, so war doch das Korn durchnäßt, zum Vermahlen untüchtig und die Hoffnung all der darauf vertrösteten Menschen vereitelt. Die Colber- ger Bürger kauften den beschädigten Roggen um ein Viertel des geltenden Marktpreises; und da mein Vater damals königlicher Korn- messer im Orte war, so gieng auf diese Weise die ganze geborgene Ladung durch seine Hände. Jeder suchte mit seinem Kauf so gut, als möglich, zurecht zu kommen und ihn auf's schnellste zu trocknen. Alle Stra- ßen waren auf diese Weise mit Laken und Schürzen überdeckt, auf welchen das Getreide der Luft und Sonne ausgesetzt wurde. Kurze
verloren ſeyn, ſo mußten ſchleunige Anſtal- ten getroffen werden, das verungluͤckte Fahr- zeug wieder uͤber Waſſer zu bringen. Dazu wurden denn zwei Schiffe benutzt, die eben auch im Hafen lagen, und wovon das Eine von meines Vaters Bruder gefuͤhrt wurde. So war ich denn auch bei dieſem Empor- winden, an welchem ich eine kindiſche Freude hatte, beſtaͤndig zugegen; ward mitunter auch wohl, als unnuͤtz und hinderlich, uͤber Seite geſchoben, und habe daruͤber all dieſe einzelnen Umſtaͤnde nur um ſo beſſer im Ge- daͤchtniß behalten.
Gieng nun gleich das Wiederflottmachen des Schiffes gluͤcklich von Statten, ſo war doch das Korn durchnaͤßt, zum Vermahlen untuͤchtig und die Hoffnung all der darauf vertroͤſteten Menſchen vereitelt. Die Colber- ger Buͤrger kauften den beſchaͤdigten Roggen um ein Viertel des geltenden Marktpreiſes; und da mein Vater damals koͤniglicher Korn- meſſer im Orte war, ſo gieng auf dieſe Weiſe die ganze geborgene Ladung durch ſeine Haͤnde. Jeder ſuchte mit ſeinem Kauf ſo gut, als moͤglich, zurecht zu kommen und ihn auf’s ſchnellſte zu trocknen. Alle Stra- ßen waren auf dieſe Weiſe mit Laken und Schuͤrzen uͤberdeckt, auf welchen das Getreide der Luft und Sonne ausgeſetzt wurde. Kurze
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verloren ſeyn, ſo mußten ſchleunige Anſtal-
ten getroffen werden, das verungluͤckte Fahr-
zeug wieder uͤber Waſſer zu bringen. Dazu
wurden denn zwei Schiffe benutzt, die eben
auch im Hafen lagen, und wovon das Eine
von meines Vaters Bruder gefuͤhrt wurde.
So war ich denn auch bei dieſem Empor-
winden, an welchem ich eine kindiſche Freude
hatte, beſtaͤndig zugegen; ward mitunter
auch wohl, als unnuͤtz und hinderlich, uͤber
Seite geſchoben, und habe daruͤber all dieſe
einzelnen Umſtaͤnde nur um ſo beſſer im Ge-
daͤchtniß behalten.
Gieng nun gleich das Wiederflottmachen
des Schiffes gluͤcklich von Statten, ſo war
doch das Korn durchnaͤßt, zum Vermahlen
untuͤchtig und die Hoffnung all der darauf
vertroͤſteten Menſchen vereitelt. Die Colber-
ger Buͤrger kauften den beſchaͤdigten Roggen
um ein Viertel des geltenden Marktpreiſes;
und da mein Vater damals koͤniglicher Korn-
meſſer im Orte war, ſo gieng auf dieſe
Weiſe die ganze geborgene Ladung durch
ſeine Haͤnde. Jeder ſuchte mit ſeinem Kauf
ſo gut, als moͤglich, zurecht zu kommen und
ihn auf’s ſchnellſte zu trocknen. Alle Stra-
ßen waren auf dieſe Weiſe mit Laken und
Schuͤrzen uͤberdeckt, auf welchen das Getreide
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/21>, abgerufen am 18.04.2024.
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