gar noch nicht in der Kajüte bemerkt hatte, unterbrochen. Dieser sprang ungeduldig auf und rief: "Unnützes Geplauder und kein Ende! Jetzt hurtig auf und davon! Das Kommandiren ist von nun an an mir."
Da dem nicht zu widersprechen war, so mußt' ich ihm überlassen, zu handeln, wie er's verantworten konnte, gieng hinaus, ließ die Segel aufziehen und schickte zwei Matro- sen an Land, um die Taue hinten und vorne abzulösen, womit das Schiff am Bollwerk befestigt lag. Aber das zusammengelaufene Volk war nicht willens, den Handel so kurz vor dem Knie abzubrechen. Meine Leute wurden umringt und an der Ausrichtung ihres Geschäfts gehindert; so daß ich, um nicht noch ärgern Lärm zu veranlassen, es fürs beste hielt, sie an Bord zurückzurufen. Dagegen nahm ich einem russischen Soldaten den Säbel von der Seite und kappte die Taue an beiden Enden, und jetzt kam das Schiff zu Gange, obwohl Alles, was am Lande war und Arme hatte, es festzuhalten bemüht war. Der Lärm und das Getümmel hierbei sind nicht zu beschreiben.
Noch aber gab sich der Haufe nicht zu- frieden: sondern da das Schiff nothwendig weiter unten am holländischen Baume anle- gen mußte, damit der Baumschreiber meinen Paß visirte, so stürzte Groß und Klein im
gar noch nicht in der Kajuͤte bemerkt hatte, unterbrochen. Dieſer ſprang ungeduldig auf und rief: „Unnuͤtzes Geplauder und kein Ende! Jetzt hurtig auf und davon! Das Kommandiren iſt von nun an an mir.‟
Da dem nicht zu widerſprechen war, ſo mußt’ ich ihm uͤberlaſſen, zu handeln, wie er’s verantworten konnte, gieng hinaus, ließ die Segel aufziehen und ſchickte zwei Matro- ſen an Land, um die Taue hinten und vorne abzuloͤſen, womit das Schiff am Bollwerk befeſtigt lag. Aber das zuſammengelaufene Volk war nicht willens, den Handel ſo kurz vor dem Knie abzubrechen. Meine Leute wurden umringt und an der Ausrichtung ihres Geſchaͤfts gehindert; ſo daß ich, um nicht noch aͤrgern Laͤrm zu veranlaſſen, es fuͤrs beſte hielt, ſie an Bord zuruͤckzurufen. Dagegen nahm ich einem ruſſiſchen Soldaten den Saͤbel von der Seite und kappte die Taue an beiden Enden, und jetzt kam das Schiff zu Gange, obwohl Alles, was am Lande war und Arme hatte, es feſtzuhalten bemuͤht war. Der Laͤrm und das Getuͤmmel hierbei ſind nicht zu beſchreiben.
Noch aber gab ſich der Haufe nicht zu- frieden: ſondern da das Schiff nothwendig weiter unten am hollaͤndiſchen Baume anle- gen mußte, damit der Baumſchreiber meinen Paß viſirte, ſo ſtuͤrzte Groß und Klein im
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gar noch nicht in der Kajuͤte bemerkt hatte,
unterbrochen. Dieſer ſprang ungeduldig auf
und rief: „Unnuͤtzes Geplauder und kein
Ende! Jetzt hurtig auf und davon! Das
Kommandiren iſt von nun an an mir.‟
Da dem nicht zu widerſprechen war, ſo
mußt’ ich ihm uͤberlaſſen, zu handeln, wie
er’s verantworten konnte, gieng hinaus, ließ
die Segel aufziehen und ſchickte zwei Matro-
ſen an Land, um die Taue hinten und vorne
abzuloͤſen, womit das Schiff am Bollwerk
befeſtigt lag. Aber das zuſammengelaufene
Volk war nicht willens, den Handel ſo kurz
vor dem Knie abzubrechen. Meine Leute
wurden umringt und an der Ausrichtung
ihres Geſchaͤfts gehindert; ſo daß ich, um
nicht noch aͤrgern Laͤrm zu veranlaſſen, es
fuͤrs beſte hielt, ſie an Bord zuruͤckzurufen.
Dagegen nahm ich einem ruſſiſchen Soldaten
den Saͤbel von der Seite und kappte die
Taue an beiden Enden, und jetzt kam das
Schiff zu Gange, obwohl Alles, was am
Lande war und Arme hatte, es feſtzuhalten
bemuͤht war. Der Laͤrm und das Getuͤmmel
hierbei ſind nicht zu beſchreiben.
Noch aber gab ſich der Haufe nicht zu-
frieden: ſondern da das Schiff nothwendig
weiter unten am hollaͤndiſchen Baume anle-
gen mußte, damit der Baumſchreiber meinen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/173>, abgerufen am 16.02.2025.
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