Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

und Pillau, sondern auch in Riga, bis wieder
in offne See; und selbst freier Ballast sollte
mir, wenn ich's verlangte, im letztern Hafen
geliefert werden. Die Certeparthie darüber
ward geschlossen und sowohl von einem russi-
schen General, mit dem ich es zu thun hatte,
als von mir unterzeichnet.

Noch am nemlichen Abend kam ich, ohn-
weit des Licents, in das Weinhaus der Wittwe
Otten, wo damals gewöhnlich der größte
Zusammenfluß von Schiffern aller Nationen
war, und ließ im Gespräch Dies und Jenes
von meiner so eben übernommenen Fracht
verlauten. Niemand konnte oder wollte meinen
Worten glauben, bis ich meine Certeparthie
vorzeigte. Dann aber erhob sich ein spötti-
sches Gelächter auf meine Unkosten. Jch
wurde gefragt: wie ich doch wohl nur glau-
ben könnte, daß man mir meinen Accord in
Riga erfüllen werde? Man prophezeihte mir
einstimmig, man werde mir dort gerade nur
soviel, als man Lust habe, oder auch wohl
gar nichts, geben; und sollte inzwischen (wie
es ganz darnach aussähe) der Krieg zwischen
Rußland und Preussen wieder ausbrechen, so
könnte mich's obendrein noch mein Schiff kosten.

Diese Warnungen, denen ich ihren guten
Grund' nicht absprechen konnte, giengen mir
gewaltig im Kopfe herum. Allein ich war
schon zuweit gegangen, um jetzt noch zurück-

und Pillau, ſondern auch in Riga, bis wieder
in offne See; und ſelbſt freier Ballaſt ſollte
mir, wenn ich’s verlangte, im letztern Hafen
geliefert werden. Die Certeparthie daruͤber
ward geſchloſſen und ſowohl von einem ruſſi-
ſchen General, mit dem ich es zu thun hatte,
als von mir unterzeichnet.

Noch am nemlichen Abend kam ich, ohn-
weit des Licents, in das Weinhaus der Wittwe
Otten, wo damals gewoͤhnlich der groͤßte
Zuſammenfluß von Schiffern aller Nationen
war, und ließ im Geſpraͤch Dies und Jenes
von meiner ſo eben uͤbernommenen Fracht
verlauten. Niemand konnte oder wollte meinen
Worten glauben, bis ich meine Certeparthie
vorzeigte. Dann aber erhob ſich ein ſpoͤtti-
ſches Gelaͤchter auf meine Unkoſten. Jch
wurde gefragt: wie ich doch wohl nur glau-
ben koͤnnte, daß man mir meinen Accord in
Riga erfuͤllen werde? Man prophezeihte mir
einſtimmig, man werde mir dort gerade nur
ſoviel, als man Luſt habe, oder auch wohl
gar nichts, geben; und ſollte inzwiſchen (wie
es ganz darnach ausſaͤhe) der Krieg zwiſchen
Rußland und Preuſſen wieder ausbrechen, ſo
koͤnnte mich’s obendrein noch mein Schiff koſten.

Dieſe Warnungen, denen ich ihren guten
Grund’ nicht abſprechen konnte, giengen mir
gewaltig im Kopfe herum. Allein ich war
ſchon zuweit gegangen, um jetzt noch zuruͤck-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="149"/>
und Pillau, &#x017F;ondern auch in Riga, bis wieder<lb/>
in offne See; und &#x017F;elb&#x017F;t freier Balla&#x017F;t &#x017F;ollte<lb/>
mir, wenn ich&#x2019;s verlangte, im letztern Hafen<lb/>
geliefert werden. Die Certeparthie daru&#x0364;ber<lb/>
ward ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;owohl von einem ru&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen General, mit dem ich es zu thun hatte,<lb/>
als von mir unterzeichnet.</p><lb/>
        <p>Noch am nemlichen Abend kam ich, ohn-<lb/>
weit des Licents, in das Weinhaus der Wittwe<lb/>
Otten, wo damals gewo&#x0364;hnlich der gro&#x0364;ßte<lb/>
Zu&#x017F;ammenfluß von Schiffern aller Nationen<lb/>
war, und ließ im Ge&#x017F;pra&#x0364;ch Dies und Jenes<lb/>
von meiner &#x017F;o eben u&#x0364;bernommenen Fracht<lb/>
verlauten. Niemand konnte oder wollte meinen<lb/>
Worten glauben, bis ich meine Certeparthie<lb/>
vorzeigte. Dann aber erhob &#x017F;ich ein &#x017F;po&#x0364;tti-<lb/>
&#x017F;ches Gela&#x0364;chter auf meine Unko&#x017F;ten. Jch<lb/>
wurde gefragt: wie ich doch wohl nur glau-<lb/>
ben ko&#x0364;nnte, daß man mir meinen Accord in<lb/>
Riga erfu&#x0364;llen werde? Man prophezeihte mir<lb/>
ein&#x017F;timmig, man werde mir dort gerade nur<lb/>
&#x017F;oviel, als man Lu&#x017F;t habe, oder auch wohl<lb/>
gar nichts, geben; und &#x017F;ollte inzwi&#x017F;chen (wie<lb/>
es ganz darnach aus&#x017F;a&#x0364;he) der Krieg zwi&#x017F;chen<lb/>
Rußland und Preu&#x017F;&#x017F;en wieder ausbrechen, &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnte mich&#x2019;s obendrein noch mein Schiff ko&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Warnungen, denen ich ihren guten<lb/>
Grund&#x2019; nicht ab&#x017F;prechen konnte, giengen mir<lb/>
gewaltig im Kopfe herum. Allein ich war<lb/>
&#x017F;chon zuweit gegangen, um jetzt noch zuru&#x0364;ck-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0165] und Pillau, ſondern auch in Riga, bis wieder in offne See; und ſelbſt freier Ballaſt ſollte mir, wenn ich’s verlangte, im letztern Hafen geliefert werden. Die Certeparthie daruͤber ward geſchloſſen und ſowohl von einem ruſſi- ſchen General, mit dem ich es zu thun hatte, als von mir unterzeichnet. Noch am nemlichen Abend kam ich, ohn- weit des Licents, in das Weinhaus der Wittwe Otten, wo damals gewoͤhnlich der groͤßte Zuſammenfluß von Schiffern aller Nationen war, und ließ im Geſpraͤch Dies und Jenes von meiner ſo eben uͤbernommenen Fracht verlauten. Niemand konnte oder wollte meinen Worten glauben, bis ich meine Certeparthie vorzeigte. Dann aber erhob ſich ein ſpoͤtti- ſches Gelaͤchter auf meine Unkoſten. Jch wurde gefragt: wie ich doch wohl nur glau- ben koͤnnte, daß man mir meinen Accord in Riga erfuͤllen werde? Man prophezeihte mir einſtimmig, man werde mir dort gerade nur ſoviel, als man Luſt habe, oder auch wohl gar nichts, geben; und ſollte inzwiſchen (wie es ganz darnach ausſaͤhe) der Krieg zwiſchen Rußland und Preuſſen wieder ausbrechen, ſo koͤnnte mich’s obendrein noch mein Schiff koſten. Dieſe Warnungen, denen ich ihren guten Grund’ nicht abſprechen konnte, giengen mir gewaltig im Kopfe herum. Allein ich war ſchon zuweit gegangen, um jetzt noch zuruͤck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/165
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/165>, abgerufen am 15.05.2024.