Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Doch etliche Stunden später fand sich
auch bereits ein russischer Officier mit vier
Mann Wache und in Begleitung des Bordings-
Factors Mager ein, um mich hier aufzu-
suchen und festzunehmen. Sie trafen sogleich
auf der Hausflur mit mir zusammen; und der
Factor, welcher sich stellte, mich nicht zu
kennen, fragte mich, wo der Schiffer Nettel-
beck zu finden sey? Jch stutzte einen Augen-
blick, ermuthigte mich aber doch alsbald zu
dem Bescheide: Den würden sie wohl in Pil-
lau suchen müssen. "Nein! nein!" unter-
brach mich der Officier, welcher deutsch sprach --
"Wir wissen, daß er hier schon wieder zu
haben ist. Wir wollen ihn wohl heraus-
klopfen." -- Klopft nur! dacht' ich, und
schritt ganz lässig zur hintern Hofthüre hinaus.
Kaum aber hatt' ich diese auch nur im Rücken,
so hätte man sehen sollen, was für lange
Beine ich machte, um in den Garten und
über alle Zäune, Planken und Hecken hinweg
an den Neuen Graben zu kommen, wo ich
bei einem guten Freunde, Heinrich Topen,
eine neue Zuflucht zu finden wußte.

Hier blieb ich unentdeckt, während im
Hause meines Schwiegervaters jeder Winkel
auf's sorgfältigste nach mir durchstöbert wurde.
Dagegen ward in Pillau mein Bordingskahn
nicht sobald ledig, als ihn die Russen auch in
Beschlag nahmen, neu bemannten und, bis

Doch etliche Stunden ſpaͤter fand ſich
auch bereits ein ruſſiſcher Officier mit vier
Mann Wache und in Begleitung des Bordings-
Factors Mager ein, um mich hier aufzu-
ſuchen und feſtzunehmen. Sie trafen ſogleich
auf der Hausflur mit mir zuſammen; und der
Factor, welcher ſich ſtellte, mich nicht zu
kennen, fragte mich, wo der Schiffer Nettel-
beck zu finden ſey? Jch ſtutzte einen Augen-
blick, ermuthigte mich aber doch alsbald zu
dem Beſcheide: Den wuͤrden ſie wohl in Pil-
lau ſuchen muͤſſen. „Nein! nein!‟ unter-
brach mich der Officier, welcher deutſch ſprach —
„Wir wiſſen, daß er hier ſchon wieder zu
haben iſt. Wir wollen ihn wohl heraus-
klopfen.‟ — Klopft nur! dacht’ ich, und
ſchritt ganz laͤſſig zur hintern Hofthuͤre hinaus.
Kaum aber hatt’ ich dieſe auch nur im Ruͤcken,
ſo haͤtte man ſehen ſollen, was fuͤr lange
Beine ich machte, um in den Garten und
uͤber alle Zaͤune, Planken und Hecken hinweg
an den Neuen Graben zu kommen, wo ich
bei einem guten Freunde, Heinrich Topen,
eine neue Zuflucht zu finden wußte.

Hier blieb ich unentdeckt, waͤhrend im
Hauſe meines Schwiegervaters jeder Winkel
auf’s ſorgfaͤltigſte nach mir durchſtoͤbert wurde.
Dagegen ward in Pillau mein Bordingskahn
nicht ſobald ledig, als ihn die Ruſſen auch in
Beſchlag nahmen, neu bemannten und, bis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0151" n="135"/>
        <p>Doch etliche Stunden &#x017F;pa&#x0364;ter fand &#x017F;ich<lb/>
auch bereits ein ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Officier mit vier<lb/>
Mann Wache und in Begleitung des Bordings-<lb/>
Factors Mager ein, um mich hier aufzu-<lb/>
&#x017F;uchen und fe&#x017F;tzunehmen. Sie trafen &#x017F;ogleich<lb/>
auf der Hausflur mit mir zu&#x017F;ammen; und der<lb/>
Factor, welcher &#x017F;ich &#x017F;tellte, mich nicht zu<lb/>
kennen, fragte mich, wo der Schiffer Nettel-<lb/>
beck zu finden &#x017F;ey? Jch &#x017F;tutzte einen Augen-<lb/>
blick, ermuthigte mich aber doch alsbald zu<lb/>
dem Be&#x017F;cheide: Den wu&#x0364;rden &#x017F;ie wohl in Pil-<lb/>
lau &#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Nein! nein!&#x201F; unter-<lb/>
brach mich der Officier, welcher deut&#x017F;ch &#x017F;prach &#x2014;<lb/>
&#x201E;Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß er hier &#x017F;chon wieder zu<lb/>
haben i&#x017F;t. Wir wollen ihn wohl heraus-<lb/>
klopfen.&#x201F; &#x2014; Klopft nur! dacht&#x2019; ich, und<lb/>
&#x017F;chritt ganz la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig zur hintern Hofthu&#x0364;re hinaus.<lb/>
Kaum aber hatt&#x2019; ich die&#x017F;e auch nur im Ru&#x0364;cken,<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;tte man &#x017F;ehen &#x017F;ollen, was fu&#x0364;r lange<lb/>
Beine ich machte, um in den Garten und<lb/>
u&#x0364;ber alle Za&#x0364;une, Planken und Hecken hinweg<lb/>
an den Neuen Graben zu kommen, wo ich<lb/>
bei einem guten Freunde, Heinrich Topen,<lb/>
eine neue Zuflucht zu finden wußte.</p><lb/>
        <p>Hier blieb ich unentdeckt, wa&#x0364;hrend im<lb/>
Hau&#x017F;e meines Schwiegervaters jeder Winkel<lb/>
auf&#x2019;s &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;te nach mir durch&#x017F;to&#x0364;bert wurde.<lb/>
Dagegen ward in Pillau mein Bordingskahn<lb/>
nicht &#x017F;obald ledig, als ihn die Ru&#x017F;&#x017F;en auch in<lb/>
Be&#x017F;chlag nahmen, neu bemannten und, bis<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0151] Doch etliche Stunden ſpaͤter fand ſich auch bereits ein ruſſiſcher Officier mit vier Mann Wache und in Begleitung des Bordings- Factors Mager ein, um mich hier aufzu- ſuchen und feſtzunehmen. Sie trafen ſogleich auf der Hausflur mit mir zuſammen; und der Factor, welcher ſich ſtellte, mich nicht zu kennen, fragte mich, wo der Schiffer Nettel- beck zu finden ſey? Jch ſtutzte einen Augen- blick, ermuthigte mich aber doch alsbald zu dem Beſcheide: Den wuͤrden ſie wohl in Pil- lau ſuchen muͤſſen. „Nein! nein!‟ unter- brach mich der Officier, welcher deutſch ſprach — „Wir wiſſen, daß er hier ſchon wieder zu haben iſt. Wir wollen ihn wohl heraus- klopfen.‟ — Klopft nur! dacht’ ich, und ſchritt ganz laͤſſig zur hintern Hofthuͤre hinaus. Kaum aber hatt’ ich dieſe auch nur im Ruͤcken, ſo haͤtte man ſehen ſollen, was fuͤr lange Beine ich machte, um in den Garten und uͤber alle Zaͤune, Planken und Hecken hinweg an den Neuen Graben zu kommen, wo ich bei einem guten Freunde, Heinrich Topen, eine neue Zuflucht zu finden wußte. Hier blieb ich unentdeckt, waͤhrend im Hauſe meines Schwiegervaters jeder Winkel auf’s ſorgfaͤltigſte nach mir durchſtoͤbert wurde. Dagegen ward in Pillau mein Bordingskahn nicht ſobald ledig, als ihn die Ruſſen auch in Beſchlag nahmen, neu bemannten und, bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/151
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/151>, abgerufen am 15.05.2024.