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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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das meinem Schwiegervater gehörte, und
worauf ich ihm die Hälfte des taxirten Wer-
thes von 2000 Gulden Preuß. baar ausge-
zahlt hatte. Es währte aber nicht lange,
so ward ich, gleich vielen Andern Meines-
gleichen, von den Russen, die damals in ganz
Preussen den Meister spielten, gepreßt und
zum Transport von Proviant und Militair-
Effecten von Pillau nach Elbing und Stuthof
gebraucht. An Bezahlung war hierbei im ge-
ringsten nicht zu denken: desto reichlicher aber
gab es hier üble Behandlung und allerlei
Verdrüßlichkeiten zu verdauen, die mir die
Galle in's Blut jagten. Jch entschloß mich
daher kurz und gut, der Pauke ein Loch zu
machen.

Eben lag ich auf dem frischen Haff bei
Stuthof vor Anker. Jch war ledig, und sollte
nach Pillau gehen. Ein russischer Soldat
war mir an Bord zur Aufsicht gegeben, der
keinen Augenblick von mir weichen sollte.
Dennoch war leicht ein Vorwand gefunden,
ihn an's Land zu locken und dort bei der
Flasche so angelegentlich zu beschäftigen, daß
ich mich auf mein Fahrzeug zurückschleichen,
den Anker lichten und meines Weges davon-
segeln konnte. Der arme Kerl, der mich in-
deß nur zubald vermißte, lief mir wohl eine
halbe Meile am Strande nach, schrie und be-
schwor mich bei all seinen Heiligen, daß ich

das meinem Schwiegervater gehoͤrte, und
worauf ich ihm die Haͤlfte des taxirten Wer-
thes von 2000 Gulden Preuß. baar ausge-
zahlt hatte. Es waͤhrte aber nicht lange,
ſo ward ich, gleich vielen Andern Meines-
gleichen, von den Ruſſen, die damals in ganz
Preuſſen den Meiſter ſpielten, gepreßt und
zum Tranſport von Proviant und Militair-
Effecten von Pillau nach Elbing und Stuthof
gebraucht. An Bezahlung war hierbei im ge-
ringſten nicht zu denken: deſto reichlicher aber
gab es hier uͤble Behandlung und allerlei
Verdruͤßlichkeiten zu verdauen, die mir die
Galle in’s Blut jagten. Jch entſchloß mich
daher kurz und gut, der Pauke ein Loch zu
machen.

Eben lag ich auf dem friſchen Haff bei
Stuthof vor Anker. Jch war ledig, und ſollte
nach Pillau gehen. Ein ruſſiſcher Soldat
war mir an Bord zur Aufſicht gegeben, der
keinen Augenblick von mir weichen ſollte.
Dennoch war leicht ein Vorwand gefunden,
ihn an’s Land zu locken und dort bei der
Flaſche ſo angelegentlich zu beſchaͤftigen, daß
ich mich auf mein Fahrzeug zuruͤckſchleichen,
den Anker lichten und meines Weges davon-
ſegeln konnte. Der arme Kerl, der mich in-
deß nur zubald vermißte, lief mir wohl eine
halbe Meile am Strande nach, ſchrie und be-
ſchwor mich bei all ſeinen Heiligen, daß ich

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[131/0147] das meinem Schwiegervater gehoͤrte, und worauf ich ihm die Haͤlfte des taxirten Wer- thes von 2000 Gulden Preuß. baar ausge- zahlt hatte. Es waͤhrte aber nicht lange, ſo ward ich, gleich vielen Andern Meines- gleichen, von den Ruſſen, die damals in ganz Preuſſen den Meiſter ſpielten, gepreßt und zum Tranſport von Proviant und Militair- Effecten von Pillau nach Elbing und Stuthof gebraucht. An Bezahlung war hierbei im ge- ringſten nicht zu denken: deſto reichlicher aber gab es hier uͤble Behandlung und allerlei Verdruͤßlichkeiten zu verdauen, die mir die Galle in’s Blut jagten. Jch entſchloß mich daher kurz und gut, der Pauke ein Loch zu machen. Eben lag ich auf dem friſchen Haff bei Stuthof vor Anker. Jch war ledig, und ſollte nach Pillau gehen. Ein ruſſiſcher Soldat war mir an Bord zur Aufſicht gegeben, der keinen Augenblick von mir weichen ſollte. Dennoch war leicht ein Vorwand gefunden, ihn an’s Land zu locken und dort bei der Flaſche ſo angelegentlich zu beſchaͤftigen, daß ich mich auf mein Fahrzeug zuruͤckſchleichen, den Anker lichten und meines Weges davon- ſegeln konnte. Der arme Kerl, der mich in- deß nur zubald vermißte, lief mir wohl eine halbe Meile am Strande nach, ſchrie und be- ſchwor mich bei all ſeinen Heiligen, daß ich

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/147>, abgerufen am 07.05.2024.