Nestroy, Johann: Der böse Geist Lumpacivagabundus, oder: Das liederliche Kleeblatt. Wien, 1835. Zwirn. Nicht wahr? Ich wär' ja hinlänglich zufrieden gewesen, wenn er mir für eine jede Tochter eine Watschen gegeben hätte, aber zwei Watschen, das ist ja ein offenbarer Luxus. -- Mein dritter Mei- ster, der hat ein G'schwisterkind g'habt von 21 Jah- ren -- aber hörst, Schuster, so ein schönes G'schwi- sterkind hab' ich in meinem ganzen Leben nit g'sehn. Da hab' ich aber hernach eine saubere Köchin kennen g'lernt, mit der bin ich durchgangen, und 's G'schwi- sterkind hab' ich sitzen lassen. Knieriem. Meine G'schicht ist nicht so lang, aber äußerst tragisch. Erstens ist mir meine Profession z'wider, ich hab' nur Sinn für die Astronomie -- und dann hab' ich nichts als unverschuldete Unglücksfälle g'habt. -- In Budweis hab' ich mein Meister g'haut. Leim. Warum denn? Knieriem. Weil ich ein Rausch g'habt hab', also kann ich nix davor. In Altbrünn hätt' ich bald ein Lehrbu- ben zerrissen. Leim. So was ist aber auch abscheulich. Zwirn. Aber was soll denn ein zerrissener Lehrbub an- Zwirn. Nicht wahr? Ich wär’ ja hinlänglich zufrieden geweſen, wenn er mir für eine jede Tochter eine Watſchen gegeben hätte, aber zwei Watſchen, das iſt ja ein offenbarer Luxus. — Mein dritter Mei- ſter, der hat ein G’ſchwiſterkind g’habt von 21 Jah- ren — aber hörſt, Schuſter, ſo ein ſchönes G’ſchwi- ſterkind hab’ ich in meinem ganzen Leben nit g’ſehn. Da hab’ ich aber hernach eine ſaubere Köchin kennen g’lernt, mit der bin ich durchgangen, und ’s G’ſchwi- ſterkind hab’ ich ſitzen laſſen. Knieriem. Meine G’ſchicht iſt nicht ſo lang, aber äußerſt tragiſch. Erſtens iſt mir meine Profeſſion z’wider, ich hab’ nur Sinn für die Aſtronomie — und dann hab’ ich nichts als unverſchuldete Unglücksfälle g’habt. — In Budweis hab’ ich mein Meiſter g’haut. Leim. Warum denn? Knieriem. Weil ich ein Rauſch g’habt hab’, alſo kann ich nix davor. In Altbrünn hätt’ ich bald ein Lehrbu- ben zerriſſen. Leim. So was iſt aber auch abſcheulich. Zwirn. Aber was ſoll denn ein zerriſſener Lehrbub an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0035" n="29"/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>Nicht wahr? Ich wär’ ja hinlänglich zufrieden<lb/> geweſen, wenn er mir für eine jede Tochter <hi rendition="#g">eine</hi><lb/> Watſchen gegeben hätte, aber <hi rendition="#g">zwei</hi> Watſchen, das<lb/> iſt ja ein offenbarer Luxus. — Mein dritter Mei-<lb/> ſter, der hat ein G’ſchwiſterkind g’habt von 21 Jah-<lb/> ren — aber hörſt, Schuſter, ſo ein ſchönes G’ſchwi-<lb/> ſterkind hab’ ich in meinem ganzen Leben nit g’ſehn.<lb/> Da hab’ ich aber hernach eine ſaubere Köchin kennen<lb/> g’lernt, mit der bin ich durchgangen, und ’s G’ſchwi-<lb/> ſterkind hab’ ich ſitzen laſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KNI"> <speaker><hi rendition="#g">Knieriem</hi>.</speaker><lb/> <p>Meine G’ſchicht iſt nicht ſo lang, aber äußerſt<lb/> tragiſch. Erſtens iſt mir meine Profeſſion z’wider,<lb/> ich hab’ nur Sinn für die Aſtronomie — und<lb/> dann hab’ ich nichts als unverſchuldete Unglücksfälle<lb/> g’habt. — In Budweis hab’ ich mein Meiſter<lb/> g’haut.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEI"> <speaker><hi rendition="#g">Leim</hi>.</speaker><lb/> <p>Warum denn?</p> </sp><lb/> <sp who="#KNI"> <speaker><hi rendition="#g">Knieriem</hi>.</speaker><lb/> <p>Weil ich ein Rauſch g’habt hab’, alſo kann ich<lb/> nix davor. In Altbrünn hätt’ ich bald ein Lehrbu-<lb/> ben zerriſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEI"> <speaker><hi rendition="#g">Leim</hi>.</speaker><lb/> <p>So was iſt aber auch abſcheulich.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWI"> <speaker><hi rendition="#g">Zwirn</hi>.</speaker><lb/> <p>Aber was ſoll denn ein zerriſſener Lehrbub an-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
Zwirn.
Nicht wahr? Ich wär’ ja hinlänglich zufrieden
geweſen, wenn er mir für eine jede Tochter eine
Watſchen gegeben hätte, aber zwei Watſchen, das
iſt ja ein offenbarer Luxus. — Mein dritter Mei-
ſter, der hat ein G’ſchwiſterkind g’habt von 21 Jah-
ren — aber hörſt, Schuſter, ſo ein ſchönes G’ſchwi-
ſterkind hab’ ich in meinem ganzen Leben nit g’ſehn.
Da hab’ ich aber hernach eine ſaubere Köchin kennen
g’lernt, mit der bin ich durchgangen, und ’s G’ſchwi-
ſterkind hab’ ich ſitzen laſſen.
Knieriem.
Meine G’ſchicht iſt nicht ſo lang, aber äußerſt
tragiſch. Erſtens iſt mir meine Profeſſion z’wider,
ich hab’ nur Sinn für die Aſtronomie — und
dann hab’ ich nichts als unverſchuldete Unglücksfälle
g’habt. — In Budweis hab’ ich mein Meiſter
g’haut.
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Warum denn?
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Weil ich ein Rauſch g’habt hab’, alſo kann ich
nix davor. In Altbrünn hätt’ ich bald ein Lehrbu-
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Zitationshilfe: | Nestroy, Johann: Der böse Geist Lumpacivagabundus, oder: Das liederliche Kleeblatt. Wien, 1835, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nestroy_lumpacivagabundus_1835/35>, abgerufen am 16.07.2024. |