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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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Siebenjährige Welt-Beschauung.
damit zubeehren/ welches aber schlecht genug und also geklun-
gen/ daß man bald die Ohren darfür zustopffen mögen.

Das XVIII. Capitul.

Von der Türcken rühmlichen Gerechtigkeit ein
sonderbares Exempel.

ALhier muß ich eine sonderbare Geschicht/ die sich zu unser
Zeit etwann zehen Schritt von unserm Hann über zu
Constantinopel zugetragen/ erzehlen. Es wurde eins-
mahls in der Nacht zu verbothener Zeit ein Türcke auf der
Gassen von der Wache er griffen/ welcher ein kleines Kästlein
untern Armen gehabt und endlich auf scharffe Zurede gestan-
den/ daß ers gestohlen. Den nimmt alsbald die Wache ohn al-
le Verantwortung/ Urthel und Recht/ wirfft ihm einen Strick
um den Hals und hing ihn an den nechsten Baum bey gedach-
tem Hann. Das Kästlein aber setzte man unter den Baum/
daran der Dieb hieng/ damit iederman deß erhenckten Ubel-
that würcklich sehen solte/ wie dem Fürgeben nach/ der Türcki-
sche Keyser selber dabey gewesen und selbiges besehen haben soll.
Denn den Gebrauch hat der Keyser/ welches gewiß/ daß er deß
Nachts oft und vielmahls hin und her reitet und also die Justitz
zubefördern und zuerhalten höchlich befliessen ist. Ja auch deß
Tages wol gehet er vielmahl mit schlechten Kleidern und mit
wenig/ oder wol gar keinen Dienern die Gassen und Märckte
durch/ da das meiste verkaufft und gekaufft wird/ damit er sie-
het/ ob man verbothenen Wucher und Ubersatz treibet. Das
were wol noth bey unsern Kramern/ welche das für ihr bestes
Glück achten/ ie mehr sie an einer Wahr gewinnen können und
nicht betrachten/ obs wieder Gewissen und Christliche Liebe
lauffe oder nicht.

Die
M 2

Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
damit zubeehren/ welches aber ſchlecht genug und alſo geklun-
gen/ daß man bald die Ohren darfuͤr zuſtopffen moͤgen.

Das XVIII. Capitul.

Von der Tuͤrcken ruͤhmlichen Gerechtigkeit ein
ſonderbares Exempel.

ALhier muß ich eine ſonderbare Geſchicht/ die ſich zu unſer
Zeit etwann zehen Schritt von unſerm Hann uͤber zu
Conſtantinopel zugetragen/ erzehlen. Es wurde eins-
mahls in der Nacht zu verbothener Zeit ein Tuͤrcke auf der
Gaſſen von der Wache er griffen/ welcher ein kleines Kaͤſtlein
untern Armen gehabt und endlich auf ſcharffe Zurede geſtan-
den/ daß ers geſtohlen. Den nimmt alsbald die Wache ohn al-
le Verantwortung/ Urthel und Recht/ wirfft ihm einen Strick
um den Hals und hing ihn an den nechſten Baum bey gedach-
tem Hann. Das Kaͤſtlein aber ſetzte man unter den Baum/
daran der Dieb hieng/ damit iederman deß erhenckten Ubel-
that wuͤrcklich ſehen ſolte/ wie dem Fuͤrgeben nach/ der Tuͤrcki-
ſche Keyſer ſelber dabey geweſen und ſelbiges beſehen haben ſoll.
Denn den Gebrauch hat der Keyſer/ welches gewiß/ daß er deß
Nachts oft und vielmahls hin und her reitet und alſo die Juſtitz
zubefoͤrdern und zuerhalten hoͤchlich beflieſſen iſt. Ja auch deß
Tages wol gehet er vielmahl mit ſchlechten Kleidern und mit
wenig/ oder wol gar keinen Dienern die Gaſſen und Maͤrckte
durch/ da das meiſte verkaufft und gekaufft wird/ damit er ſie-
het/ ob man verbothenen Wucher und Uberſatz treibet. Das
were wol noth bey unſern Kramern/ welche das fuͤr ihr beſtes
Gluͤck achten/ ie mehr ſie an einer Wahr gewinnen koͤnnen und
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lauffe oder nicht.

Die
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[89/0095] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. damit zubeehren/ welches aber ſchlecht genug und alſo geklun- gen/ daß man bald die Ohren darfuͤr zuſtopffen moͤgen. Das XVIII. Capitul. Von der Tuͤrcken ruͤhmlichen Gerechtigkeit ein ſonderbares Exempel. ALhier muß ich eine ſonderbare Geſchicht/ die ſich zu unſer Zeit etwann zehen Schritt von unſerm Hann uͤber zu Conſtantinopel zugetragen/ erzehlen. Es wurde eins- mahls in der Nacht zu verbothener Zeit ein Tuͤrcke auf der Gaſſen von der Wache er griffen/ welcher ein kleines Kaͤſtlein untern Armen gehabt und endlich auf ſcharffe Zurede geſtan- den/ daß ers geſtohlen. Den nimmt alsbald die Wache ohn al- le Verantwortung/ Urthel und Recht/ wirfft ihm einen Strick um den Hals und hing ihn an den nechſten Baum bey gedach- tem Hann. Das Kaͤſtlein aber ſetzte man unter den Baum/ daran der Dieb hieng/ damit iederman deß erhenckten Ubel- that wuͤrcklich ſehen ſolte/ wie dem Fuͤrgeben nach/ der Tuͤrcki- ſche Keyſer ſelber dabey geweſen und ſelbiges beſehen haben ſoll. Denn den Gebrauch hat der Keyſer/ welches gewiß/ daß er deß Nachts oft und vielmahls hin und her reitet und alſo die Juſtitz zubefoͤrdern und zuerhalten hoͤchlich beflieſſen iſt. Ja auch deß Tages wol gehet er vielmahl mit ſchlechten Kleidern und mit wenig/ oder wol gar keinen Dienern die Gaſſen und Maͤrckte durch/ da das meiſte verkaufft und gekaufft wird/ damit er ſie- het/ ob man verbothenen Wucher und Uberſatz treibet. Das were wol noth bey unſern Kramern/ welche das fuͤr ihr beſtes Gluͤck achten/ ie mehr ſie an einer Wahr gewinnen koͤnnen und nicht betrachten/ obs wieder Gewiſſen und Chriſtliche Liebe lauffe oder nicht. Die M 2

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/95>, abgerufen am 21.11.2024.