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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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Siebenjährige Welt-Beschauung.
te bey Gott so viel zu wege bringen/ daß hinfort kein Wurm/
noch schädlich Unziefer drinnen mehr solte gesehen werden/ und
ist hierauf bald für ihren Augen verschwunden/ worüber sich
die Münche hefftig entsetzet und vermeinet/ daß es ein Gespenst
gewesen. Seynd demnach mit Furcht vollends herab/ biß
an diesen Brunn gangen/ allda auf ihre Knie gefallen und
Gott im Himmel angeruffen und gebeten/ daß/ dafern es ein
Göttliches Gesichte gewesen/ Gott zu Bestettigung dessen an
dem Orthe einen Brunn entspringen lassen wolle. Und das ist
auch geschehen. Denn in dem sie im vollen Beten sind/ ent-
springet dieser Brunn allda unterm Felsen in einem Augenblick/
welcher ein schön lauter und wolschmeckendes Wasser hat und
noch heute zu Tage allda zu sehen ist. Drauff sind die Münche
wieder ins Kloster gangen und haben von da an biß auf die heu-
tige Stunde vom Ungeziefer Friede gehabt.

Das muß man einem Papisten sagen: Bey denen Evan-
gelischen erleuchteten Christen ist es/ Gott Lob nunmehr zu
helle zu dergleichen Fabeln und Legenden/ dieweil sie wissen/
daß sie im Namen CHRJSTJ GOTT selber um seine
Wolthaten ansprechen und nicht erst der Heiligen Vorbitte
gebrauchen/ noch Gott versichen dörffen.

Der Weg von unten im Thaal an/ biß fast zu
höchst hinauff/ ist so beschaffen/ daß man fast wie Stuffen
steigen kan.

Als wir ein wenig übern Brunn hinauf kommen/ stieß
uns von der Höhe ein ziemlicher starcker Wind an/ drauff ka-
men wir in eine kleine alte Capelle mit einem gar niedrigen en-
gen Thürlein/ Sanct Maria genannt/ an welcher
war ein klein Kämmerlein. Jn dieser Capelle räucher-
te der Münch/ zündete ein Wachsliechtlein an/ und ließ es

bren-

Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
te bey Gott ſo viel zu wege bringen/ daß hinfort kein Wurm/
noch ſchaͤdlich Unziefer drinnen mehr ſolte geſehen werden/ und
iſt hierauf bald fuͤr ihren Augen verſchwunden/ woruͤber ſich
die Muͤnche hefftig entſetzet und vermeinet/ daß es ein Geſpenſt
geweſen. Seynd demnach mit Furcht vollends herab/ biß
an dieſen Brunn gangen/ allda auf ihre Knie gefallen und
Gott im Himmel angeruffen und gebeten/ daß/ dafern es ein
Goͤttliches Geſichte geweſen/ Gott zu Beſtettigung deſſen an
dem Orthe einen Brunn entſpringen laſſen wolle. Und das iſt
auch geſchehen. Denn in dem ſie im vollen Beten ſind/ ent-
ſpringet dieſer Brunn allda unterm Felſen in einem Augenblick/
welcher ein ſchoͤn lauter und wolſchmeckendes Waſſer hat und
noch heute zu Tage allda zu ſehen iſt. Drauff ſind die Muͤnche
wiedeꝛ ins Kloſter gangen und haben von da an biß auf die heu-
tige Stunde vom Ungeziefer Friede gehabt.

Das muß man einem Papiſten ſagen: Bey denen Evan-
geliſchen erleuchteten Chriſten iſt es/ Gott Lob nunmehr zu
helle zu dergleichen Fabeln und Legenden/ dieweil ſie wiſſen/
daß ſie im Namen CHRJSTJ GOTT ſelber um ſeine
Wolthaten anſprechen und nicht erſt der Heiligen Vorbitte
gebrauchen/ noch Gott verſichen doͤrffen.

Der Weg von unten im Thaal an/ biß faſt zu
hoͤchſt hinauff/ iſt ſo beſchaffen/ daß man faſt wie Stuffen
ſteigen kan.

Als wir ein wenig uͤbern Brunn hinauf kommen/ ſtieß
uns von der Hoͤhe ein ziemlicher ſtarcker Wind an/ drauff ka-
men wir in eine kleine alte Capelle mit einem gar niedrigen en-
gen Thuͤrlein/ Sanct Maria genannt/ an welcher
war ein klein Kaͤmmerlein. Jn dieſer Capelle raͤucher-
te der Muͤnch/ zuͤndete ein Wachsliechtlein an/ und ließ es

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[205/0211] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. te bey Gott ſo viel zu wege bringen/ daß hinfort kein Wurm/ noch ſchaͤdlich Unziefer drinnen mehr ſolte geſehen werden/ und iſt hierauf bald fuͤr ihren Augen verſchwunden/ woruͤber ſich die Muͤnche hefftig entſetzet und vermeinet/ daß es ein Geſpenſt geweſen. Seynd demnach mit Furcht vollends herab/ biß an dieſen Brunn gangen/ allda auf ihre Knie gefallen und Gott im Himmel angeruffen und gebeten/ daß/ dafern es ein Goͤttliches Geſichte geweſen/ Gott zu Beſtettigung deſſen an dem Orthe einen Brunn entſpringen laſſen wolle. Und das iſt auch geſchehen. Denn in dem ſie im vollen Beten ſind/ ent- ſpringet dieſer Brunn allda unterm Felſen in einem Augenblick/ welcher ein ſchoͤn lauter und wolſchmeckendes Waſſer hat und noch heute zu Tage allda zu ſehen iſt. Drauff ſind die Muͤnche wiedeꝛ ins Kloſter gangen und haben von da an biß auf die heu- tige Stunde vom Ungeziefer Friede gehabt. Das muß man einem Papiſten ſagen: Bey denen Evan- geliſchen erleuchteten Chriſten iſt es/ Gott Lob nunmehr zu helle zu dergleichen Fabeln und Legenden/ dieweil ſie wiſſen/ daß ſie im Namen CHRJSTJ GOTT ſelber um ſeine Wolthaten anſprechen und nicht erſt der Heiligen Vorbitte gebrauchen/ noch Gott verſichen doͤrffen. Der Weg von unten im Thaal an/ biß faſt zu hoͤchſt hinauff/ iſt ſo beſchaffen/ daß man faſt wie Stuffen ſteigen kan. Als wir ein wenig uͤbern Brunn hinauf kommen/ ſtieß uns von der Hoͤhe ein ziemlicher ſtarcker Wind an/ drauff ka- men wir in eine kleine alte Capelle mit einem gar niedrigen en- gen Thuͤrlein/ Sanct Maria genannt/ an welcher war ein klein Kaͤmmerlein. Jn dieſer Capelle raͤucher- te der Muͤnch/ zuͤndete ein Wachsliechtlein an/ und ließ es bren-

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/211>, abgerufen am 24.11.2024.