Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebenjährige Welt-Beschauung.
schen sehr hohen Steinfelsen zu beiden Seiten hingezogen/ biß
wir wegen der unerträglichen grossen Hitze einen sehr anmu-
thigen hohen weiten Felsen angetroffen und Mittags Ruhe
drunter genommen und uns mit Speiß und Tranck/ so guth
wirs hatten/ wieder erquicket. Und wie mich der Münch berich-
tet/ so solte dieses unsägliche Wüste Stein-Gebürge sich biß an
den Berg Sinai erstrecken und mit dem Griechischen Kloster
grentzen.

Jch hatte mich bißhero in der starcken Sonnen Hitze heff-
tig abgemattet/ nimmer keinen warmen/ noch guthen Bissen
gessen und Tag und Nacht in Unruhe/ Hunger und Durst/
Furcht/ Angst und Gefahr/ wie ich ohne Schaden in solcher
wilden fremde und wüsten Einöde unter so viel Barbarischen
Völckern hinkommen mögte/ zubracht/ darum war mir dieser
erquickende Felsen sonders angenehm und sehr erfreulich zur
Ruhe/ ob es gleich eine geringe Weile wären konte.

Denn mit solchem Felsen war es also beschaffen: Er war
von unten hinauf so hoch/ als ich kaum mit aufgehabenen Hän-
den reichen können und weit enhinder gantz hohl 250. Spannen
umbher als wenn er mit fleiß außgewölbet/ oder außgearbeitet
gewesen were. Und wenn man von aussen hinein sahe/ ließ er sich
ansehen/ wie man die Hölle mit ihrem abscheulichen
Rachen abzumahlen pfleget. Dahero weil die Son-
ne nicht hinein scheinen konte/ es drunter ziemlich frisch und
kühle war. Der Felß war roth/ weiß und schwärtzlich vom
Stein und so hart/ als ein Kieselstein und waren weiland He-
breische Buchstaben drein gehauen gewesen/ die man doch Al-
ters halben nicht wol mehr erkennen konte. Sollen auch von
denen Kindern Jsrael/ wie mich die Mohren berichtet/ allda
zum Warzeichen ihrer Reise hinterlassen worden seyn. Bey
diesem Felsen stehet auch noch ein anderer/ der et-
was kleiner ist: Und wird dieser Orth von den Mohren Prach

ge
B b 3

Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchen ſehr hohen Steinfelſen zu beiden Seiten hingezogen/ biß
wir wegen der unertraͤglichen groſſen Hitze einen ſehr anmu-
thigen hohen weiten Felſen angetroffen und Mittags Ruhe
drunter genommen und uns mit Speiß und Tranck/ ſo guth
wirs hatten/ wieder erquicket. Und wie mich der Muͤnch berich-
tet/ ſo ſolte dieſes unſaͤgliche Wuͤſte Stein-Gebuͤrge ſich biß an
den Berg Sinai erſtrecken und mit dem Griechiſchen Kloſter
grentzen.

Jch hatte mich bißhero in der ſtarcken Sonnen Hitze heff-
tig abgemattet/ nimmer keinen warmen/ noch guthen Biſſen
geſſen und Tag und Nacht in Unruhe/ Hunger und Durſt/
Furcht/ Angſt und Gefahr/ wie ich ohne Schaden in ſolcher
wilden fremde und wuͤſten Einoͤde unter ſo viel Barbariſchen
Voͤlckern hinkommen moͤgte/ zubracht/ darum war mir dieſer
erquickende Felſen ſonders angenehm und ſehr erfreulich zur
Ruhe/ ob es gleich eine geringe Weile waͤren konte.

Denn mit ſolchem Felſen war es alſo beſchaffen: Er war
von unten hinauf ſo hoch/ als ich kaum mit aufgehabenen Haͤn-
den reichen koͤnnen und weit enhinder gantz hohl 250. Spannen
umbher als wenn er mit fleiß außgewoͤlbet/ oder außgearbeitet
geweſen were. Und wenn man von auſſen hinein ſahe/ ließ eꝛ ſich
anſehen/ wie man die Hoͤlle mit ihrem abſcheulichen
Rachen abzumahlen pfleget. Dahero weil die Son-
ne nicht hinein ſcheinen konte/ es drunter ziemlich friſch und
kuͤhle war. Der Felß war roth/ weiß und ſchwaͤrtzlich vom
Stein und ſo hart/ als ein Kieſelſtein und waren weiland He-
breiſche Buchſtaben drein gehauen geweſen/ die man doch Al-
ters halben nicht wol mehr erkennen konte. Sollen auch von
denen Kindern Jſrael/ wie mich die Mohren berichtet/ allda
zum Warzeichen ihrer Reiſe hinterlaſſen worden ſeyn. Bey
dieſem Felſen ſtehet auch noch ein anderer/ der et-
was kleiner iſt: Und wird dieſer Orth von den Mohren Prach

ge
B b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0201" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebenja&#x0364;hrige Welt-Be&#x017F;chauung.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ehr hohen Steinfel&#x017F;en zu beiden Seiten hingezogen/ biß<lb/>
wir wegen der unertra&#x0364;glichen gro&#x017F;&#x017F;en Hitze einen &#x017F;ehr anmu-<lb/>
thigen hohen weiten Fel&#x017F;en angetroffen und Mittags Ruhe<lb/>
drunter genommen und uns mit Speiß und Tranck/ &#x017F;o guth<lb/>
wirs hatten/ wieder erquicket. Und wie mich der Mu&#x0364;nch berich-<lb/>
tet/ &#x017F;o &#x017F;olte die&#x017F;es un&#x017F;a&#x0364;gliche Wu&#x0364;&#x017F;te Stein-Gebu&#x0364;rge &#x017F;ich biß an<lb/>
den Berg Sinai er&#x017F;trecken und mit dem Griechi&#x017F;chen Klo&#x017F;ter<lb/>
grentzen.</p><lb/>
            <p>Jch hatte mich bißhero in der &#x017F;tarcken Sonnen Hitze heff-<lb/>
tig abgemattet/ nimmer keinen warmen/ noch guthen Bi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en und Tag und Nacht in Unruhe/ Hunger und Dur&#x017F;t/<lb/>
Furcht/ Ang&#x017F;t und Gefahr/ wie ich ohne Schaden in &#x017F;olcher<lb/>
wilden fremde und wu&#x0364;&#x017F;ten Eino&#x0364;de unter &#x017F;o viel Barbari&#x017F;chen<lb/>
Vo&#x0364;lckern hinkommen mo&#x0364;gte/ zubracht/ darum war mir die&#x017F;er<lb/>
erquickende Fel&#x017F;en &#x017F;onders angenehm und &#x017F;ehr erfreulich zur<lb/>
Ruhe/ ob es gleich eine geringe Weile wa&#x0364;ren konte.</p><lb/>
            <p>Denn mit &#x017F;olchem Fel&#x017F;en war es al&#x017F;o be&#x017F;chaffen: Er war<lb/>
von unten hinauf &#x017F;o hoch/ als ich kaum mit aufgehabenen Ha&#x0364;n-<lb/>
den reichen ko&#x0364;nnen und weit enhinder gantz hohl 250. Spannen<lb/>
umbher als wenn er mit fleiß außgewo&#x0364;lbet/ oder außgearbeitet<lb/>
gewe&#x017F;en were. Und wenn man von au&#x017F;&#x017F;en hinein &#x017F;ahe/ ließ e&#xA75B; &#x017F;ich<lb/>
an&#x017F;ehen/ wie man die Ho&#x0364;lle mit ihrem ab&#x017F;cheulichen<lb/>
Rachen abzumahlen pfleget. Dahero weil die Son-<lb/>
ne nicht hinein &#x017F;cheinen konte/ es drunter ziemlich fri&#x017F;ch und<lb/>
ku&#x0364;hle war. Der Felß war roth/ weiß und &#x017F;chwa&#x0364;rtzlich vom<lb/>
Stein und &#x017F;o hart/ als ein Kie&#x017F;el&#x017F;tein und waren weiland He-<lb/>
brei&#x017F;che Buch&#x017F;taben drein gehauen gewe&#x017F;en/ die man doch Al-<lb/>
ters halben nicht wol mehr erkennen konte. Sollen auch von<lb/>
denen Kindern J&#x017F;rael/ wie mich die Mohren berichtet/ allda<lb/>
zum Warzeichen ihrer Rei&#x017F;e hinterla&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;eyn. Bey<lb/>
die&#x017F;em Fel&#x017F;en &#x017F;tehet auch noch ein anderer/ der et-<lb/>
was kleiner i&#x017F;t: Und wird die&#x017F;er Orth von den Mohren <hi rendition="#aq">Prach</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ge</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0201] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. ſchen ſehr hohen Steinfelſen zu beiden Seiten hingezogen/ biß wir wegen der unertraͤglichen groſſen Hitze einen ſehr anmu- thigen hohen weiten Felſen angetroffen und Mittags Ruhe drunter genommen und uns mit Speiß und Tranck/ ſo guth wirs hatten/ wieder erquicket. Und wie mich der Muͤnch berich- tet/ ſo ſolte dieſes unſaͤgliche Wuͤſte Stein-Gebuͤrge ſich biß an den Berg Sinai erſtrecken und mit dem Griechiſchen Kloſter grentzen. Jch hatte mich bißhero in der ſtarcken Sonnen Hitze heff- tig abgemattet/ nimmer keinen warmen/ noch guthen Biſſen geſſen und Tag und Nacht in Unruhe/ Hunger und Durſt/ Furcht/ Angſt und Gefahr/ wie ich ohne Schaden in ſolcher wilden fremde und wuͤſten Einoͤde unter ſo viel Barbariſchen Voͤlckern hinkommen moͤgte/ zubracht/ darum war mir dieſer erquickende Felſen ſonders angenehm und ſehr erfreulich zur Ruhe/ ob es gleich eine geringe Weile waͤren konte. Denn mit ſolchem Felſen war es alſo beſchaffen: Er war von unten hinauf ſo hoch/ als ich kaum mit aufgehabenen Haͤn- den reichen koͤnnen und weit enhinder gantz hohl 250. Spannen umbher als wenn er mit fleiß außgewoͤlbet/ oder außgearbeitet geweſen were. Und wenn man von auſſen hinein ſahe/ ließ eꝛ ſich anſehen/ wie man die Hoͤlle mit ihrem abſcheulichen Rachen abzumahlen pfleget. Dahero weil die Son- ne nicht hinein ſcheinen konte/ es drunter ziemlich friſch und kuͤhle war. Der Felß war roth/ weiß und ſchwaͤrtzlich vom Stein und ſo hart/ als ein Kieſelſtein und waren weiland He- breiſche Buchſtaben drein gehauen geweſen/ die man doch Al- ters halben nicht wol mehr erkennen konte. Sollen auch von denen Kindern Jſrael/ wie mich die Mohren berichtet/ allda zum Warzeichen ihrer Reiſe hinterlaſſen worden ſeyn. Bey dieſem Felſen ſtehet auch noch ein anderer/ der et- was kleiner iſt: Und wird dieſer Orth von den Mohren Prach ge B b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/201
Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/201>, abgerufen am 06.05.2024.