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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen von Museis insgemein.
eine Raritat können genennet werden, davon lassen sich keine gewiß de-
termini
ren, sondern da kommts drauf an, und bleibt darbey, was jener
Weltweise sagt:

Quot capitum vivunt, totidem studiorum millia.

Oder: So viel Köpffe, so viel Sinne. Zumalen einer dasjenige kaum
mit Augen ansiehet, was ein anderer fast anbetet. Wiederum aestimiret
dieser ein oder anderes Ding, und setzet es in hohem Werth, woran doch jener
gar kein Behagen finden kan. Doch bleibet diß unfehlbar gewiß, daß es in
Raritäten sich nicht allemal nach dem blossen äusserlichen Ansehen judiciren
lässet. Jch will z. E. setzen, ein Lapis Bezoar, ein Pedro del Porco &c. hat bey
weitem das Ansehen nicht in der Proportion, als es seine Rarität und Kost-
barkeit wohl mit sich brächte: Muscus und Cibeth, item Gold und Silber,
wie es in der Erde gefunden wird etc. haben nur ein äusserliches schlechtes
Ansehen, ohngeachtet ihre Kostbarkeit bekandt ist. Warum wird ein Hya-
cinth, Chrysolit, Saphir &c.
in solchem Werth gehalten, ob ihm gleich
bisweilen ein durch des Künstlers Hand und Zubereitung von Glas ge-
schmoltzener Fluß an Schönheit des äusserlichen Ansehens weit übergehet?
Aus keiner andern Ursache, als weil jene nur selten aus Orient zu uns ge-
bracht, diese aber so offt, als wirs verlangen, von uns können verfertiget werden.
Eine Rarität aber wird überhaupt an und vor sich dasjenige genannt: 1)
Welches aus allen dreyen Reichen der Natur entweder bey uns selbst spar-
sam und selten gefunden, oder in weit von uns entlegenen Ländern gesamm-
let, und 3) was durch die Hand eines künstlichen Meisters ausgearbeitet
und verfertiget wird. Beyde haben überdem noch ihre besondere Observa-
tiones,
denn z. E. ie weniger diß oder jenes Stück aus der Natur uns vor
Augen kommt, und vornemlich die aussernatürliche oder monströse Ge-
schöpffe, item wann sie bey ihrer Seltenheit auch ein äusserlich prächtiges
Ansehen haben, als ein Diamant, Carfunckel etc. deßgleichen auch bey den
Artificial- oder Kunst-Sachen, ie härter oder weicher die Materie ist, zum
Exempel, Bilder aus harten Gesteinen, oder in zarten Reiß- und Gersten-
Körnern geschnitzt; ie grösser und subtiler z. E. ein Colossus oder ein Kirsch-
Kern mit circa 180. Menschen-Angesichtern ist etc. desto höher steiget die
Hochachtung und Rarität eines ieglichen Dinges. Wir müssen aber wei-
ter gehen, und so thut sich denn abermal die Frage hervor:

II. Was solche Behältnisse, worinnen dergleichen Raritäten
pflegen aufbehalten zu werden, für Namen haben?

Der in allerley Raritäten wohlerfahrne Hr. Dan. Major hat in seinem
edirten Tractat von Kunst- und Naturalien-Kammern diese

Materie

IV. Theil Anmerckungen von Muſeis insgemein.
eine Raritat koͤnnen genennet werden, davon laſſen ſich keine gewiß de-
termini
ren, ſondern da kommts drauf an, und bleibt darbey, was jener
Weltweiſe ſagt:

Quot capitum vivunt, totidem ſtudiorum millia.

Oder: So viel Koͤpffe, ſo viel Sinne. Zumalen einer dasjenige kaum
mit Augen anſiehet, was ein anderer faſt anbetet. Wiederum æſtimiret
dieſer ein oder anderes Ding, und ſetzet es in hohem Werth, woran doch jener
gar kein Behagen finden kan. Doch bleibet diß unfehlbar gewiß, daß es in
Raritaͤten ſich nicht allemal nach dem bloſſen aͤuſſerlichen Anſehen judiciren
laͤſſet. Jch will z. E. ſetzen, ein Lapis Bezoar, ein Pedro del Porco &c. hat bey
weitem das Anſehen nicht in der Proportion, als es ſeine Raritaͤt und Koſt-
barkeit wohl mit ſich braͤchte: Muſcus und Cibeth, item Gold und Silber,
wie es in der Erde gefunden wird ꝛc. haben nur ein aͤuſſerliches ſchlechtes
Anſehen, ohngeachtet ihre Koſtbarkeit bekandt iſt. Warum wird ein Hya-
cinth, Chryſolit, Saphir &c.
in ſolchem Werth gehalten, ob ihm gleich
bisweilen ein durch des Kuͤnſtlers Hand und Zubereitung von Glas ge-
ſchmoltzener Fluß an Schoͤnheit des aͤuſſerlichen Anſehens weit uͤbergehet?
Aus keiner andern Urſache, als weil jene nur ſelten aus Orient zu uns ge-
bracht, dieſe aber ſo offt, als wirs verlangen, von uns koͤnnẽ verfertiget werden.
Eine Raritaͤt aber wird uͤberhaupt an und vor ſich dasjenige genannt: 1)
Welches aus allen dreyen Reichen der Natur entweder bey uns ſelbſt ſpar-
ſam und ſelten gefunden, oder in weit von uns entlegenen Laͤndern geſamm-
let, und 3) was durch die Hand eines kuͤnſtlichen Meiſters ausgearbeitet
und verfertiget wird. Beyde haben uͤberdem noch ihre beſondere Obſerva-
tiones,
denn z. E. ie weniger diß oder jenes Stuͤck aus der Natur uns vor
Augen kommt, und vornemlich die auſſernatuͤrliche oder monſtröſe Ge-
ſchoͤpffe, item wann ſie bey ihrer Seltenheit auch ein aͤuſſerlich praͤchtiges
Anſehen haben, als ein Diamant, Carfunckel ꝛc. deßgleichen auch bey den
Artificial- oder Kunſt-Sachen, ie haͤrter oder weicher die Materie iſt, zum
Exempel, Bilder aus harten Geſteinen, oder in zarten Reiß- und Gerſten-
Koͤrnern geſchnitzt; ie groͤſſer und ſubtiler z. E. ein Coloſſus oder ein Kirſch-
Kern mit circa 180. Menſchen-Angeſichtern iſt ꝛc. deſto hoͤher ſteiget die
Hochachtung und Raritaͤt eines ieglichen Dinges. Wir muͤſſen aber wei-
ter gehen, und ſo thut ſich denn abermal die Frage hervor:

II. Was ſolche Behaͤltniſſe, worinnen dergleichen Raritaͤten
pflegen aufbehalten zu werden, fuͤr Namen haben?

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edirten Tractat von Kunſt- und Naturalien-Kammern dieſe

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[407/0435] IV. Theil Anmerckungen von Muſeis insgemein. eine Raritat koͤnnen genennet werden, davon laſſen ſich keine gewiß de- terminiren, ſondern da kommts drauf an, und bleibt darbey, was jener Weltweiſe ſagt: Quot capitum vivunt, totidem ſtudiorum millia. Oder: So viel Koͤpffe, ſo viel Sinne. Zumalen einer dasjenige kaum mit Augen anſiehet, was ein anderer faſt anbetet. Wiederum æſtimiret dieſer ein oder anderes Ding, und ſetzet es in hohem Werth, woran doch jener gar kein Behagen finden kan. Doch bleibet diß unfehlbar gewiß, daß es in Raritaͤten ſich nicht allemal nach dem bloſſen aͤuſſerlichen Anſehen judiciren laͤſſet. Jch will z. E. ſetzen, ein Lapis Bezoar, ein Pedro del Porco &c. hat bey weitem das Anſehen nicht in der Proportion, als es ſeine Raritaͤt und Koſt- barkeit wohl mit ſich braͤchte: Muſcus und Cibeth, item Gold und Silber, wie es in der Erde gefunden wird ꝛc. haben nur ein aͤuſſerliches ſchlechtes Anſehen, ohngeachtet ihre Koſtbarkeit bekandt iſt. Warum wird ein Hya- cinth, Chryſolit, Saphir &c. in ſolchem Werth gehalten, ob ihm gleich bisweilen ein durch des Kuͤnſtlers Hand und Zubereitung von Glas ge- ſchmoltzener Fluß an Schoͤnheit des aͤuſſerlichen Anſehens weit uͤbergehet? Aus keiner andern Urſache, als weil jene nur ſelten aus Orient zu uns ge- bracht, dieſe aber ſo offt, als wirs verlangen, von uns koͤnnẽ verfertiget werden. Eine Raritaͤt aber wird uͤberhaupt an und vor ſich dasjenige genannt: 1) Welches aus allen dreyen Reichen der Natur entweder bey uns ſelbſt ſpar- ſam und ſelten gefunden, oder in weit von uns entlegenen Laͤndern geſamm- let, und 3) was durch die Hand eines kuͤnſtlichen Meiſters ausgearbeitet und verfertiget wird. Beyde haben uͤberdem noch ihre beſondere Obſerva- tiones, denn z. E. ie weniger diß oder jenes Stuͤck aus der Natur uns vor Augen kommt, und vornemlich die auſſernatuͤrliche oder monſtröſe Ge- ſchoͤpffe, item wann ſie bey ihrer Seltenheit auch ein aͤuſſerlich praͤchtiges Anſehen haben, als ein Diamant, Carfunckel ꝛc. deßgleichen auch bey den Artificial- oder Kunſt-Sachen, ie haͤrter oder weicher die Materie iſt, zum Exempel, Bilder aus harten Geſteinen, oder in zarten Reiß- und Gerſten- Koͤrnern geſchnitzt; ie groͤſſer und ſubtiler z. E. ein Coloſſus oder ein Kirſch- Kern mit circa 180. Menſchen-Angeſichtern iſt ꝛc. deſto hoͤher ſteiget die Hochachtung und Raritaͤt eines ieglichen Dinges. Wir muͤſſen aber wei- ter gehen, und ſo thut ſich denn abermal die Frage hervor: II. Was ſolche Behaͤltniſſe, worinnen dergleichen Raritaͤten pflegen aufbehalten zu werden, fuͤr Namen haben? Der in allerley Raritaͤten wohlerfahrne Hr. Dan. Major hat in ſeinem edirten Tractat von Kunſt- und Naturalien-Kammern dieſe Materie

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/435>, abgerufen am 22.11.2024.