SO angenehm denen Augen vorerzehlte Behältnisse Kunst-und natürlicher Raritäten sind; eben so, und noch weit empfindlicher geniesset das Gemüth die herrlichsten Früchte in Lesung guter Bücher. Wie mühsam aber unsere alte Vorfahren in der Ge- lehrsamkeit haben profitiren können, bezeuget unter andern auch J. C. Scali- ger, indem er in der Vorrede über dieOrationeswiderErasmumund für Ciceronem gar sehr über den Mangel und Seltenheit guter Bücher also kla- get: Es ist allhier (er lebte dazumal in der Frantzösischen Provintz Aqui- tanien,) kein eintzig Buch zu kauff, (also spricht er,) ohne die, welche vonJustinianoherkommen, und die kleine Kinder-Grammatic.Jch habe über 500. Meilen her, und von den äussersten Enden der Welt mir die Bücher anschaffen müssen, aus denBibliothequen zu Basel, Florentz, Venedig, Rom etc. Und in der andernOrationwiderErasm. spricht er: Jch bin mir selber die spielende Person, dieScenaund der Schauplatz in der Comödie: Denn man wird schwerlich im gan- tzen Lande alle SchrifftenCiceronisfinden. Derohalben achte ich es für eine Sünde zu reden vonPlatone, Hippocrate, Aristotele, Demosthene, Galeno, Thucydideund dergleichen. So schwer und mühsam aber auch dazumaln die Studia waren; desto emsiger war auch zur selben Zeit die Be- gierde und Fleiß zur Gelehrsamkeit. Ein theures Buch war auch dasjeni- ge, welches Alexander Magnus (wie bereits im Anfang gedacht,) dem Aristo- teli um 500. Talenta oder 5. Tonnen Goldes bezahlte, nur daher die Natu- ren der Thiere zu erforschen und zu beschreiben; anderer vielen Exempel zu geschweigen. Die theure Zeit und Seltenheit aber der Bücher verursachte dazumaln der Mangel und die Unbekandtschafft der nachhero erfundenen un- schätzbaren und vortrefflichen Buchdrucker-Kunst, in Ermangelung deren zuvor alle Bücher und Schrifften mit der Feder und eigner Hand musten geschrieben werden: Und da denn gleich ein gelehrtes Werck von diesem oder jenem berühmten Manne verfertiget war, so konte es doch nicht mehr als einem zur Zeit nutzen, es wäre denn, daß der Verfertiger desselben die Freyheit an einen oder andern mehr gab, um selbiges abzucopiren. Was solches aber für Zeit erfordert hat, lässet sich leicht vorstellen: Und inson- derheit da es ein Werck von ziemlicher Weitläufftigkeit gewesen. Und diß
ist
III. Theil. Von Bibliothequen.
SO angenehm denen Augen vorerzehlte Behaͤltniſſe Kunſt-und natuͤrlicher Raritaͤten ſind; eben ſo, und noch weit empfindlicher genieſſet das Gemuͤth die herrlichſten Fruͤchte in Leſung guter Buͤcher. Wie muͤhſam aber unſere alte Vorfahren in der Ge- lehrſamkeit haben profitiren koͤnnen, bezeuget unter andern auch J. C. Scali- ger, indem er in der Vorrede uͤber dieOrationeswiderEraſmumund fuͤr Ciceronem gar ſehr uͤber den Mangel und Seltenheit guter Buͤcher alſo kla- get: Es iſt allhier (er lebte dazumal in der Frantzoͤſiſchen Provintz Aqui- tanien,) kein eintzig Buch zu kauff, (alſo ſpricht er,) ohne die, welche vonJuſtinianoherkommen, und die kleine Kinder-Grammatic.Jch habe uͤber 500. Meilen her, und von den aͤuſſerſten Enden der Welt mir die Buͤcher anſchaffen muͤſſen, aus denBibliothequen zu Baſel, Florentz, Venedig, Rom ꝛc. Und in der andernOrationwiderEraſm. ſpricht er: Jch bin mir ſelber die ſpielende Perſon, dieScenaund der Schauplatz in der Comoͤdie: Denn man wird ſchwerlich im gan- tzen Lande alle SchrifftenCiceronisfinden. Derohalben achte ich es fuͤr eine Suͤnde zu reden vonPlatone, Hippocrate, Ariſtotele, Demoſthene, Galeno, Thucydideund dergleichen. So ſchwer und muͤhſam aber auch dazumaln die Studia waren; deſto emſiger war auch zur ſelben Zeit die Be- gierde und Fleiß zur Gelehrſamkeit. Ein theures Buch war auch dasjeni- ge, welches Alexander Magnus (wie bereits im Anfang gedacht,) dem Ariſto- teli um 500. Talenta oder 5. Tonnen Goldes bezahlte, nur daher die Natu- ren der Thiere zu erforſchen und zu beſchreiben; anderer vielen Exempel zu geſchweigen. Die theure Zeit und Seltenheit aber der Buͤcher verurſachte dazumaln der Mangel und die Unbekandtſchafft der nachhero erfundenen un- ſchaͤtzbaren und vortrefflichen Buchdrucker-Kunſt, in Ermangelung deren zuvor alle Buͤcher und Schrifften mit der Feder und eigner Hand muſten geſchrieben werden: Und da denn gleich ein gelehrtes Werck von dieſem oder jenem beruͤhmten Manne verfertiget war, ſo konte es doch nicht mehr als einem zur Zeit nutzen, es waͤre denn, daß der Verfertiger deſſelben die Freyheit an einen oder andern mehr gab, um ſelbiges abzucopiren. Was ſolches aber fuͤr Zeit erfordert hat, laͤſſet ſich leicht vorſtellen: Und inſon- derheit da es ein Werck von ziemlicher Weitlaͤufftigkeit geweſen. Und diß
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III. Theil.
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SO angenehm denen Augen vorerzehlte Behaͤltniſſe Kunſt-und
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genieſſet das Gemuͤth die herrlichſten Fruͤchte in Leſung guter
Buͤcher. Wie muͤhſam aber unſere alte Vorfahren in der Ge-
lehrſamkeit haben profitiren koͤnnen, bezeuget unter andern auch J. C. Scali-
ger, indem er in der Vorrede uͤber die Orationes wider Eraſmum und fuͤr
Ciceronem gar ſehr uͤber den Mangel und Seltenheit guter Buͤcher alſo kla-
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von Juſtiniano herkommen, und die kleine Kinder-Grammatic. Jch
habe uͤber 500. Meilen her, und von den aͤuſſerſten Enden der Welt
mir die Buͤcher anſchaffen muͤſſen, aus den Bibliothequen zu Baſel,
Florentz, Venedig, Rom ꝛc. Und in der andern Oration wider Eraſm.
ſpricht er: Jch bin mir ſelber die ſpielende Perſon, die Scena und der
Schauplatz in der Comoͤdie: Denn man wird ſchwerlich im gan-
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es fuͤr eine Suͤnde zu reden von Platone, Hippocrate, Ariſtotele, Demoſthene,
Galeno, Thucydide und dergleichen. So ſchwer und muͤhſam aber auch
dazumaln die Studia waren; deſto emſiger war auch zur ſelben Zeit die Be-
gierde und Fleiß zur Gelehrſamkeit. Ein theures Buch war auch dasjeni-
ge, welches Alexander Magnus (wie bereits im Anfang gedacht,) dem Ariſto-
teli um 500. Talenta oder 5. Tonnen Goldes bezahlte, nur daher die Natu-
ren der Thiere zu erforſchen und zu beſchreiben; anderer vielen Exempel zu
geſchweigen. Die theure Zeit und Seltenheit aber der Buͤcher verurſachte
dazumaln der Mangel und die Unbekandtſchafft der nachhero erfundenen un-
ſchaͤtzbaren und vortrefflichen Buchdrucker-Kunſt, in Ermangelung deren
zuvor alle Buͤcher und Schrifften mit der Feder und eigner Hand muſten
geſchrieben werden: Und da denn gleich ein gelehrtes Werck von dieſem
oder jenem beruͤhmten Manne verfertiget war, ſo konte es doch nicht mehr
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Freyheit an einen oder andern mehr gab, um ſelbiges abzucopiren. Was
ſolches aber fuͤr Zeit erfordert hat, laͤſſet ſich leicht vorſtellen: Und inſon-
derheit da es ein Werck von ziemlicher Weitlaͤufftigkeit geweſen. Und diß
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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/260>, abgerufen am 22.11.2024.
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