Für den Vernunftwillen ist also in der That, so wie Kant wollte, das reine Formgesetz des Willens maassgebend. Da dieses über alles Empirische hinausgeht, so kann sich der Ver- nunftwille freilich niemals empirisch beweisen, auch nicht durch eben die That, in der er sich auszuprägen sucht und schein- bar empirische Gestalt annimmt. Wir beurteilen allerdings die Gesinnung nach der Handlung, wissen aber sehr wohl, dass diese nur ein unsicherer Zeuge derselben ist. Nur der Blick des Selbstbewusstseins ist unendlich, d. h. durch keine end- liche Schranke schlechthin eingeschränkt. Vor dem Forum des eigenen Bewusstseins aber erweist sich das Vernunftgesetz mächtig, ja unbedingt herrschend in dem unerbittlichen Ge- richt über unser empirisches Thun. Ob es je die Kraft hat unser thatsächliches Wollen ganz in die Richtung zu zwingen, die es ihm vorschreibt, mag nicht bloss Andern, sondern am allermeisten uns selbst zweifelhaft bleiben; empirisch beweisen lässt es sich, wie gesagt, niemals; so bleibt ihm dennoch die praktische Wirkung, dass nach seinem Ausspruch das, was wir thaten, unbedingt hat sein sollen oder nicht sein sollen, dass es recht war oder verkehrt, gut oder schlimm, dass ich selbst vor mir selber, mein empirisches Subjekt vor der "bessern Person" in mir, wie Kant sagte, bestehen kann oder nicht. Ich denke aber, dass das eine mächtige praktische Wir- kung ist.
Woher kommt nun dem Vernunftwillen diese Obmacht, die ihm erlaubt, auch unser bestes empirisches Thun für un- zureichend zu erklären; von unsrem empirischen Wollen zu verlangen, dass es bei keinem empirischen Ziel jemals verharre?
Unsern Voraussetzungen entsprechend werden wir ant- worten müssen: diese Gewalt kommt der Vernunft einzig und allein aus der Einheit, in der sie gleichsam das ganze prak- tische Vermögen in seinem letzten Grunde, im Selbstbewusst- sein, zusammenfasst. Wie Wille konzentrierter Trieb, so ist Vernunftwille höchste Konzentration des praktischen Vermögens überhaupt; und diese Konzentration ist die Wurzel seiner Kraft.
Für den Vernunftwillen ist also in der That, so wie Kant wollte, das reine Formgesetz des Willens maassgebend. Da dieses über alles Empirische hinausgeht, so kann sich der Ver- nunftwille freilich niemals empirisch beweisen, auch nicht durch eben die That, in der er sich auszuprägen sucht und schein- bar empirische Gestalt annimmt. Wir beurteilen allerdings die Gesinnung nach der Handlung, wissen aber sehr wohl, dass diese nur ein unsicherer Zeuge derselben ist. Nur der Blick des Selbstbewusstseins ist unendlich, d. h. durch keine end- liche Schranke schlechthin eingeschränkt. Vor dem Forum des eigenen Bewusstseins aber erweist sich das Vernunftgesetz mächtig, ja unbedingt herrschend in dem unerbittlichen Ge- richt über unser empirisches Thun. Ob es je die Kraft hat unser thatsächliches Wollen ganz in die Richtung zu zwingen, die es ihm vorschreibt, mag nicht bloss Andern, sondern am allermeisten uns selbst zweifelhaft bleiben; empirisch beweisen lässt es sich, wie gesagt, niemals; so bleibt ihm dennoch die praktische Wirkung, dass nach seinem Ausspruch das, was wir thaten, unbedingt hat sein sollen oder nicht sein sollen, dass es recht war oder verkehrt, gut oder schlimm, dass ich selbst vor mir selber, mein empirisches Subjekt vor der „bessern Person“ in mir, wie Kant sagte, bestehen kann oder nicht. Ich denke aber, dass das eine mächtige praktische Wir- kung ist.
Woher kommt nun dem Vernunftwillen diese Obmacht, die ihm erlaubt, auch unser bestes empirisches Thun für un- zureichend zu erklären; von unsrem empirischen Wollen zu verlangen, dass es bei keinem empirischen Ziel jemals verharre?
Unsern Voraussetzungen entsprechend werden wir ant- worten müssen: diese Gewalt kommt der Vernunft einzig und allein aus der Einheit, in der sie gleichsam das ganze prak- tische Vermögen in seinem letzten Grunde, im Selbstbewusst- sein, zusammenfasst. Wie Wille konzentrierter Trieb, so ist Vernunftwille höchste Konzentration des praktischen Vermögens überhaupt; und diese Konzentration ist die Wurzel seiner Kraft.
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eben die That, in der er sich auszuprägen sucht und schein-
bar empirische Gestalt annimmt. Wir beurteilen allerdings
die Gesinnung nach der Handlung, wissen aber sehr wohl, dass
diese nur ein unsicherer Zeuge derselben ist. Nur der Blick
des Selbstbewusstseins ist unendlich, d. h. durch keine end-
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des eigenen Bewusstseins aber erweist sich das Vernunftgesetz
mächtig, ja unbedingt herrschend in dem unerbittlichen Ge-
richt über unser empirisches Thun. Ob es je die Kraft hat
unser thatsächliches Wollen ganz in die Richtung zu zwingen,
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allermeisten uns selbst zweifelhaft bleiben; empirisch beweisen
lässt es sich, wie gesagt, niemals; so bleibt ihm dennoch die
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wir thaten, unbedingt hat sein sollen oder nicht sein sollen,
dass es recht war oder verkehrt, gut oder schlimm, dass ich
selbst vor mir selber, mein empirisches Subjekt vor der „bessern
Person“ in mir, wie Kant sagte, bestehen kann oder nicht.
Ich denke aber, dass das eine mächtige praktische Wir-
kung ist.
Woher kommt nun dem Vernunftwillen diese Obmacht,
die ihm erlaubt, auch unser bestes empirisches Thun für un-
zureichend zu erklären; von unsrem empirischen Wollen
zu verlangen, dass es bei keinem empirischen Ziel jemals
verharre?
Unsern Voraussetzungen entsprechend werden wir ant-
worten müssen: diese Gewalt kommt der Vernunft einzig und
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tische Vermögen in seinem letzten Grunde, im Selbstbewusst-
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/80>, abgerufen am 04.12.2024.
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