nicht, bezw. auch des nicht mehr im empirischen Sinne Be- wussten. Es lässt sich fasslich mit Richtung, Strebung, Tendenz oder einem analogen Ausdruck bezeichnen. Am bekanntesten in der deutlichen Gestalt des gewöhnlichen "Triebes" nach sinnlichem Geniessen oder auch motorischer Bethätigung, ist es in Wahrheit von ganz allgemeiner Be- deutung im bewussten Leben. Es durchdringt auch das ganze Getriebe der Vorstellungen, das ja in mannigfach wechselnden, sich von Moment zu Moment gleichsam verschiebenden Ver- bindungen durchaus besteht, also ein Verhältnis gegebener und erst anzueignender, bezw. auch abzustossender, sich aus dem jeweiligen Zusammenhang des Bewusstseins lösender Momente allzeit in sich schliesst. Wir erkennen in diesem alle Prozesse der Vorstellung begleitenden Momente der Tendenz die Ur- sache, weshalb auch das blosse Vorstellen uns als Thätigkeit, nicht lediglich als etwas, das uns angeschieht, bewusst wird. Es verrät sich in der Wahrnehmung, als Richtung des Inter- esses, gleichsam Fixierung des geistigen Blicks auf das beob- achtete, die Aufmerksamkeit fesselnde Objekt; im Wiederauf- spüren des Entschwundenen in der Erinnerung; im tastenden Vorgriff der gespannten Erwartung; in dem oft fühlbar an- gestrengten Suchen in der Phantasie; vollends in allem höheren Bewusstsein: die Konzentration des Gedankens auf ein be- stimmtes inhaltliches Moment, bei gleichzeitiger, auf Voll- ständigkeit gerichteter Ueberschau der möglichen Fälle; die Möglichkeit, sogar ein Unendliches, z. B. eine ins Unendliche fortzusetzende Reihe in Raum, Zeit, Zahl zu denken, was eine aus dem direkten Bewusstsein ins Nichtgegebene hinüber- greifende Tendenz unmittelbar einschliesst; somit alles, was überhaupt begriffliches Denken vom sinnlichen Vorstellen unter- scheidet; desgleichen alles Urteilen und Erkennen: die Frage, die Aufgabe, der Zweifel, das Erklärungs- oder Begründungs- bedürfnis, das freie Entwerfen von Hypothesen, der gedank- liche Versuch, und wieder das Prüfen und Untersuchen, Folgern, Beweisen; das überzeugte Annehmen, die Behauptung, als willentliche Setzung und Aneignung, Anerkennung des als wahr Begriffenen; das Verwerfen, Verneinen, als ausdrückliches
Natorp, Sozialpädagogik. 4
nicht, bezw. auch des nicht mehr im empirischen Sinne Be- wussten. Es lässt sich fasslich mit Richtung, Strebung, Tendenz oder einem analogen Ausdruck bezeichnen. Am bekanntesten in der deutlichen Gestalt des gewöhnlichen „Triebes“ nach sinnlichem Geniessen oder auch motorischer Bethätigung, ist es in Wahrheit von ganz allgemeiner Be- deutung im bewussten Leben. Es durchdringt auch das ganze Getriebe der Vorstellungen, das ja in mannigfach wechselnden, sich von Moment zu Moment gleichsam verschiebenden Ver- bindungen durchaus besteht, also ein Verhältnis gegebener und erst anzueignender, bezw. auch abzustossender, sich aus dem jeweiligen Zusammenhang des Bewusstseins lösender Momente allzeit in sich schliesst. Wir erkennen in diesem alle Prozesse der Vorstellung begleitenden Momente der Tendenz die Ur- sache, weshalb auch das blosse Vorstellen uns als Thätigkeit, nicht lediglich als etwas, das uns angeschieht, bewusst wird. Es verrät sich in der Wahrnehmung, als Richtung des Inter- esses, gleichsam Fixierung des geistigen Blicks auf das beob- achtete, die Aufmerksamkeit fesselnde Objekt; im Wiederauf- spüren des Entschwundenen in der Erinnerung; im tastenden Vorgriff der gespannten Erwartung; in dem oft fühlbar an- gestrengten Suchen in der Phantasie; vollends in allem höheren Bewusstsein: die Konzentration des Gedankens auf ein be- stimmtes inhaltliches Moment, bei gleichzeitiger, auf Voll- ständigkeit gerichteter Ueberschau der möglichen Fälle; die Möglichkeit, sogar ein Unendliches, z. B. eine ins Unendliche fortzusetzende Reihe in Raum, Zeit, Zahl zu denken, was eine aus dem direkten Bewusstsein ins Nichtgegebene hinüber- greifende Tendenz unmittelbar einschliesst; somit alles, was überhaupt begriffliches Denken vom sinnlichen Vorstellen unter- scheidet; desgleichen alles Urteilen und Erkennen: die Frage, die Aufgabe, der Zweifel, das Erklärungs- oder Begründungs- bedürfnis, das freie Entwerfen von Hypothesen, der gedank- liche Versuch, und wieder das Prüfen und Untersuchen, Folgern, Beweisen; das überzeugte Annehmen, die Behauptung, als willentliche Setzung und Aneignung, Anerkennung des als wahr Begriffenen; das Verwerfen, Verneinen, als ausdrückliches
Natorp, Sozialpädagogik. 4
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nicht, bezw. auch des nicht mehr im empirischen Sinne Be-
wussten. Es lässt sich fasslich mit Richtung, Strebung,
Tendenz oder einem analogen Ausdruck bezeichnen. Am
bekanntesten in der deutlichen Gestalt des gewöhnlichen
„Triebes“ nach sinnlichem Geniessen oder auch motorischer
Bethätigung, ist es in Wahrheit von ganz allgemeiner Be-
deutung im bewussten Leben. Es durchdringt auch das ganze
Getriebe der Vorstellungen, das ja in mannigfach wechselnden,
sich von Moment zu Moment gleichsam verschiebenden Ver-
bindungen durchaus besteht, also ein Verhältnis gegebener und
erst anzueignender, bezw. auch abzustossender, sich aus dem
jeweiligen Zusammenhang des Bewusstseins lösender Momente
allzeit in sich schliesst. Wir erkennen in diesem alle Prozesse
der Vorstellung begleitenden Momente der Tendenz die Ur-
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nicht lediglich als etwas, das uns angeschieht, bewusst wird.
Es verrät sich in der Wahrnehmung, als Richtung des Inter-
esses, gleichsam Fixierung des geistigen Blicks auf das beob-
achtete, die Aufmerksamkeit fesselnde Objekt; im Wiederauf-
spüren des Entschwundenen in der Erinnerung; im tastenden
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stimmtes inhaltliches Moment, bei gleichzeitiger, auf Voll-
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aus dem direkten Bewusstsein ins Nichtgegebene hinüber-
greifende Tendenz unmittelbar einschliesst; somit alles, was
überhaupt begriffliches Denken vom sinnlichen Vorstellen unter-
scheidet; desgleichen alles Urteilen und Erkennen: die Frage,
die Aufgabe, der Zweifel, das Erklärungs- oder Begründungs-
bedürfnis, das freie Entwerfen von Hypothesen, der gedank-
liche Versuch, und wieder das Prüfen und Untersuchen, Folgern,
Beweisen; das überzeugte Annehmen, die Behauptung, als
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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