Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.sierten Moralunterricht, wenn möglich, allgemein in die Schulen, Von der sittlichen Lehre ist nun (§ 25) nach Form *) Religion etc. S. 89 ff. **) S. 92: "Also müsste vor allem Andern ein sicherer Grund sitt-
lichen Lebens gelegt sein; hernach würde es mit der sittlichen Lehre keine Not mehr haben; sie würde dann nur aussprechen und zu hellerem Bewusst- sein bringen, wozu das Leben schon in jeden den Keim gelegt hätte." Und S. 11: "Deswegen kann kein noch so hoch gegriffener sittlicher Unter- richt, ausser hülfsweise, für die sittliche Erziehung einstehen." Etwas zu eng zwar heisst es an ersterer Stelle weiter: "Soweit Unterricht helfen kann, kann es nur eben der sein, der die Gemeinschaftsordnung ... als den wahren Quell der Sittlichkeit ... erkennen lehrt," nämlich der sozio- logisch-geschichtliche. Hier hätte auf die Ergänzung durch direkte moralische Reflexion bis zur philosophischen Ethik wenigstens hingedeutet werden können. Die Frage war aber im dortigen Zusammenhang, wie die sittliche Gesinnung ursprünglich gegründet werden könne; dies aber liegt in der That ausser der Kompetenz der abstrakten Sittenlehre; wogegen der soziologisch- historische Unterricht zur konkretesten Grundlage der Sittlichkeit, dem Leben der Gemeinschaft, eine ganz unmittelbare Beziehung hat. sierten Moralunterricht, wenn möglich, allgemein in die Schulen, Von der sittlichen Lehre ist nun (§ 25) nach Form *) Religion etc. S. 89 ff. **) S. 92: „Also müsste vor allem Andern ein sicherer Grund sitt-
lichen Lebens gelegt sein; hernach würde es mit der sittlichen Lehre keine Not mehr haben; sie würde dann nur aussprechen und zu hellerem Bewusst- sein bringen, wozu das Leben schon in jeden den Keim gelegt hätte.“ Und S. 11: „Deswegen kann kein noch so hoch gegriffener sittlicher Unter- richt, ausser hülfsweise, für die sittliche Erziehung einstehen.“ Etwas zu eng zwar heisst es an ersterer Stelle weiter: „Soweit Unterricht helfen kann, kann es nur eben der sein, der die Gemeinschaftsordnung … als den wahren Quell der Sittlichkeit … erkennen lehrt,“ nämlich der sozio- logisch-geschichtliche. Hier hätte auf die Ergänzung durch direkte moralische Reflexion bis zur philosophischen Ethik wenigstens hingedeutet werden können. Die Frage war aber im dortigen Zusammenhang, wie die sittliche Gesinnung ursprünglich gegründet werden könne; dies aber liegt in der That ausser der Kompetenz der abstrakten Sittenlehre; wogegen der soziologisch- historische Unterricht zur konkretesten Grundlage der Sittlichkeit, dem Leben der Gemeinschaft, eine ganz unmittelbare Beziehung hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0319" n="303"/> sierten Moralunterricht, wenn möglich, allgemein in die Schulen,<lb/> selbst von der untersten Stufe an, einzuführen, nicht schelten;<lb/> auch meine frühere Polemik<note place="foot" n="*)">Religion etc. S. 89 ff.</note> richtete sich zwar gegen über-<lb/> triebene Hoffnungen, die man für die Versittlichung der Völker<lb/> auf den Moralunterricht zu setzen schien, aber nicht gegen<lb/> den Gedanken eines solchen Unterrichts überhaupt. Sittliche<lb/> Lehre wirkt sozusagen nichts ohne die Grundlage sittlicher<lb/> Lebensgemeinschaft: das war im damaligen Zusammenhang<lb/> vorzüglich zu betonen; aber wenigstens angedeutet wurde auch<lb/> die Ergänzung hierzu, dass auf der Grundlage sittlicher Lebens-<lb/> gemeinschaft die sittliche Lehre das Ihrige zur Erziehung aller-<lb/> dings beitragen kann und soll<note place="foot" n="**)">S. 92: „Also müsste vor allem Andern ein sicherer Grund sitt-<lb/> lichen Lebens gelegt sein; hernach würde es mit der sittlichen Lehre keine<lb/> Not mehr haben; sie würde dann nur aussprechen und zu hellerem Bewusst-<lb/> sein bringen, wozu das Leben schon in jeden den Keim gelegt hätte.“<lb/> Und S. 11: „Deswegen kann kein noch so hoch gegriffener sittlicher Unter-<lb/> richt, <hi rendition="#g">ausser hülfsweise</hi>, für die sittliche Erziehung <hi rendition="#g">einstehen</hi>.“<lb/> Etwas zu eng zwar heisst es an ersterer Stelle weiter: „Soweit Unterricht<lb/> helfen kann, kann es <hi rendition="#g">nur</hi> eben der sein, der die Gemeinschaftsordnung …<lb/> als den wahren Quell der Sittlichkeit … erkennen lehrt,“ nämlich der sozio-<lb/> logisch-geschichtliche. Hier hätte auf die Ergänzung durch direkte moralische<lb/> Reflexion bis zur philosophischen Ethik wenigstens hingedeutet werden können.<lb/> Die Frage war aber im dortigen Zusammenhang, wie die sittliche Gesinnung<lb/><hi rendition="#g">ursprünglich gegründet</hi> werden könne; dies aber liegt in der That<lb/> ausser der Kompetenz der abstrakten Sittenlehre; wogegen der soziologisch-<lb/> historische Unterricht zur konkretesten Grundlage der Sittlichkeit, dem<lb/> Leben der Gemeinschaft, eine ganz unmittelbare Beziehung hat.</note>.</p><lb/> <p>Von der sittlichen Lehre ist nun (§ 25) nach Form<lb/> und Materie schon die Rede gewesen. In formaler Hinsicht<lb/> müssen Geschichten und auf höherer Stufe Geschichte, in<lb/> methodischem Anschluss an die eigene Erfahrung und Uebung,<lb/> die Grundlage bilden. Eine eigene Darstellungsweise, deren<lb/> Erfordernisse erörtert wurden, muss diesen Stoff für die Zwecke<lb/> der eigentlich sittlichen Lehre zubereiten; diese hat dann auf<lb/> dem Wege einfacher Induktion zu schlichten Sätzen fortzu-<lb/> schreiten, die sich ordnen nach Gesichtspunkten der Tugend-<lb/> und Pflichtenlehre, oder besser noch einer vertieften Güterlehre,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [303/0319]
sierten Moralunterricht, wenn möglich, allgemein in die Schulen,
selbst von der untersten Stufe an, einzuführen, nicht schelten;
auch meine frühere Polemik *) richtete sich zwar gegen über-
triebene Hoffnungen, die man für die Versittlichung der Völker
auf den Moralunterricht zu setzen schien, aber nicht gegen
den Gedanken eines solchen Unterrichts überhaupt. Sittliche
Lehre wirkt sozusagen nichts ohne die Grundlage sittlicher
Lebensgemeinschaft: das war im damaligen Zusammenhang
vorzüglich zu betonen; aber wenigstens angedeutet wurde auch
die Ergänzung hierzu, dass auf der Grundlage sittlicher Lebens-
gemeinschaft die sittliche Lehre das Ihrige zur Erziehung aller-
dings beitragen kann und soll **).
Von der sittlichen Lehre ist nun (§ 25) nach Form
und Materie schon die Rede gewesen. In formaler Hinsicht
müssen Geschichten und auf höherer Stufe Geschichte, in
methodischem Anschluss an die eigene Erfahrung und Uebung,
die Grundlage bilden. Eine eigene Darstellungsweise, deren
Erfordernisse erörtert wurden, muss diesen Stoff für die Zwecke
der eigentlich sittlichen Lehre zubereiten; diese hat dann auf
dem Wege einfacher Induktion zu schlichten Sätzen fortzu-
schreiten, die sich ordnen nach Gesichtspunkten der Tugend-
und Pflichtenlehre, oder besser noch einer vertieften Güterlehre,
*) Religion etc. S. 89 ff.
**) S. 92: „Also müsste vor allem Andern ein sicherer Grund sitt-
lichen Lebens gelegt sein; hernach würde es mit der sittlichen Lehre keine
Not mehr haben; sie würde dann nur aussprechen und zu hellerem Bewusst-
sein bringen, wozu das Leben schon in jeden den Keim gelegt hätte.“
Und S. 11: „Deswegen kann kein noch so hoch gegriffener sittlicher Unter-
richt, ausser hülfsweise, für die sittliche Erziehung einstehen.“
Etwas zu eng zwar heisst es an ersterer Stelle weiter: „Soweit Unterricht
helfen kann, kann es nur eben der sein, der die Gemeinschaftsordnung …
als den wahren Quell der Sittlichkeit … erkennen lehrt,“ nämlich der sozio-
logisch-geschichtliche. Hier hätte auf die Ergänzung durch direkte moralische
Reflexion bis zur philosophischen Ethik wenigstens hingedeutet werden können.
Die Frage war aber im dortigen Zusammenhang, wie die sittliche Gesinnung
ursprünglich gegründet werden könne; dies aber liegt in der That
ausser der Kompetenz der abstrakten Sittenlehre; wogegen der soziologisch-
historische Unterricht zur konkretesten Grundlage der Sittlichkeit, dem
Leben der Gemeinschaft, eine ganz unmittelbare Beziehung hat.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |