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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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war das freie und starke Regen der Kräfte, doch ohne sicher
und gar endgültig erkanntes Ziel. Im so vertieften Geschichts-
sinn schliesst die allgemeine Bildung sich ab und fügt sich an
sie die Berufsbildung nunmehr organisch an. Gerade der Beruf
aber und die Bildung zu ihm führt dann erst recht zum Ver-
sändnis für Bürgertum, für Volkstum. Er trennt nur, um
wieder zu verbinden; er teilt die Arbeiten, um sie desto besser
zu vereinen. Aus der Volksgemeinschaft erwachsen, wirkt er
notwendig auf sie wieder zurück, wenn nicht bewusst, dann
unbewusst, wenn nicht im Guten, dann im Verkehrten. Also
sorge man vor, dass es bewusst und im Guten geschieht. Jeder
Beruf wirkt mit zur Höherbildung des Menschentums
zunächst im Volkstum. Einen Beruf aber giebt es daher,
an dem alle teilhaben, ja der zuletzt alle andern befasst, der
direkt in das Zentrum der ganzen Aufgabe der Willensbildung
zielt: den Beruf der sozialen Erziehung. Wie jede Form
erziehender Gemeinschaft zum Ziel die ewige Erneuerung dieser
Gemeinschaft selbst hat, so hat die Erziehung im ganzen, die
auf allen Stufen in der Gemeinschaft beruht, das bestimmte
Ziel, dass der Erzogene selbst wieder befähigt werde zum Er-
zieher, zum Miterzieher der Gemeinschaft. Darin schliesst sich
der Kreis der sozialen Pädagogik, als der fortwährenden Selbst-
erneuung des Menschentums, als geistiger Fortzeugung, in der
die Menschheit, die ideelle wie die physische, sich fort und fort
selbst erhält. Auch in dieser Beziehung möchte der Idee der
"Volkshochschule" ein vorzüglicher Wert zuzuerkennen sein,
besonders wenn man sie sich (nach den obigen Andeutungen,
S. 219 f.) in Verbindung gesetzt denkt mit der ganzen ge-
meinsamen Sorge für das Wohl der arbeitenden Klassen,
nicht im Sinne der Bevormundung, sondern der Erziehung
zur Freiheit
, in dem Sinne, jeder Arbeit in jedem Beruf
und auf jeder gesellschaftlichen Stufe einen Inhalt und damit
dem Leben eines jeden ein lebenswertes Ziel zu geben, dasselbe
für alle: Vergemeinschaftung und damit Erhöhung und Ver-
edelung des Menschentums, in unbeschränktem, sich selbst er-
haltendem Fortschritt.

Deshalb muss die geschichtliche Bildung sich ergänzen

war das freie und starke Regen der Kräfte, doch ohne sicher
und gar endgültig erkanntes Ziel. Im so vertieften Geschichts-
sinn schliesst die allgemeine Bildung sich ab und fügt sich an
sie die Berufsbildung nunmehr organisch an. Gerade der Beruf
aber und die Bildung zu ihm führt dann erst recht zum Ver-
sändnis für Bürgertum, für Volkstum. Er trennt nur, um
wieder zu verbinden; er teilt die Arbeiten, um sie desto besser
zu vereinen. Aus der Volksgemeinschaft erwachsen, wirkt er
notwendig auf sie wieder zurück, wenn nicht bewusst, dann
unbewusst, wenn nicht im Guten, dann im Verkehrten. Also
sorge man vor, dass es bewusst und im Guten geschieht. Jeder
Beruf wirkt mit zur Höherbildung des Menschentums
zunächst im Volkstum. Einen Beruf aber giebt es daher,
an dem alle teilhaben, ja der zuletzt alle andern befasst, der
direkt in das Zentrum der ganzen Aufgabe der Willensbildung
zielt: den Beruf der sozialen Erziehung. Wie jede Form
erziehender Gemeinschaft zum Ziel die ewige Erneuerung dieser
Gemeinschaft selbst hat, so hat die Erziehung im ganzen, die
auf allen Stufen in der Gemeinschaft beruht, das bestimmte
Ziel, dass der Erzogene selbst wieder befähigt werde zum Er-
zieher, zum Miterzieher der Gemeinschaft. Darin schliesst sich
der Kreis der sozialen Pädagogik, als der fortwährenden Selbst-
erneuung des Menschentums, als geistiger Fortzeugung, in der
die Menschheit, die ideelle wie die physische, sich fort und fort
selbst erhält. Auch in dieser Beziehung möchte der Idee der
„Volkshochschule“ ein vorzüglicher Wert zuzuerkennen sein,
besonders wenn man sie sich (nach den obigen Andeutungen,
S. 219 f.) in Verbindung gesetzt denkt mit der ganzen ge-
meinsamen Sorge für das Wohl der arbeitenden Klassen,
nicht im Sinne der Bevormundung, sondern der Erziehung
zur Freiheit
, in dem Sinne, jeder Arbeit in jedem Beruf
und auf jeder gesellschaftlichen Stufe einen Inhalt und damit
dem Leben eines jeden ein lebenswertes Ziel zu geben, dasselbe
für alle: Vergemeinschaftung und damit Erhöhung und Ver-
edelung des Menschentums, in unbeschränktem, sich selbst er-
haltendem Fortschritt.

Deshalb muss die geschichtliche Bildung sich ergänzen

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[267/0283] war das freie und starke Regen der Kräfte, doch ohne sicher und gar endgültig erkanntes Ziel. Im so vertieften Geschichts- sinn schliesst die allgemeine Bildung sich ab und fügt sich an sie die Berufsbildung nunmehr organisch an. Gerade der Beruf aber und die Bildung zu ihm führt dann erst recht zum Ver- sändnis für Bürgertum, für Volkstum. Er trennt nur, um wieder zu verbinden; er teilt die Arbeiten, um sie desto besser zu vereinen. Aus der Volksgemeinschaft erwachsen, wirkt er notwendig auf sie wieder zurück, wenn nicht bewusst, dann unbewusst, wenn nicht im Guten, dann im Verkehrten. Also sorge man vor, dass es bewusst und im Guten geschieht. Jeder Beruf wirkt mit zur Höherbildung des Menschentums zunächst im Volkstum. Einen Beruf aber giebt es daher, an dem alle teilhaben, ja der zuletzt alle andern befasst, der direkt in das Zentrum der ganzen Aufgabe der Willensbildung zielt: den Beruf der sozialen Erziehung. Wie jede Form erziehender Gemeinschaft zum Ziel die ewige Erneuerung dieser Gemeinschaft selbst hat, so hat die Erziehung im ganzen, die auf allen Stufen in der Gemeinschaft beruht, das bestimmte Ziel, dass der Erzogene selbst wieder befähigt werde zum Er- zieher, zum Miterzieher der Gemeinschaft. Darin schliesst sich der Kreis der sozialen Pädagogik, als der fortwährenden Selbst- erneuung des Menschentums, als geistiger Fortzeugung, in der die Menschheit, die ideelle wie die physische, sich fort und fort selbst erhält. Auch in dieser Beziehung möchte der Idee der „Volkshochschule“ ein vorzüglicher Wert zuzuerkennen sein, besonders wenn man sie sich (nach den obigen Andeutungen, S. 219 f.) in Verbindung gesetzt denkt mit der ganzen ge- meinsamen Sorge für das Wohl der arbeitenden Klassen, nicht im Sinne der Bevormundung, sondern der Erziehung zur Freiheit, in dem Sinne, jeder Arbeit in jedem Beruf und auf jeder gesellschaftlichen Stufe einen Inhalt und damit dem Leben eines jeden ein lebenswertes Ziel zu geben, dasselbe für alle: Vergemeinschaftung und damit Erhöhung und Ver- edelung des Menschentums, in unbeschränktem, sich selbst er- haltendem Fortschritt. Deshalb muss die geschichtliche Bildung sich ergänzen

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/283>, abgerufen am 25.11.2024.