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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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nen Augen recht herzlich an. Klärchens Herz war
leichtfertig, aber für die Stimme der Wahrheit hatte
sie doch noch Gefühl. Ich glaube es, entgegnete sie
und erwiederte der Tante Händedruck. Diese fuhr fort:

Kennst Du Deinen Bräutigam genau?

Ich kenne ihn seitdem ich im Hotel bin, versetzte
Klärchen. Ich weiß, daß er dem Herrn des Hauses
Ein und Alles ist, daß er eigentlich das ganze Ge¬
schäft führt und in Kurzem selbst einen Gasthof über¬
nehmen wird. Er hat Konnexionen, Vermögen, dazu
ist er gebildet und von Allen, die im Gasthofe aus-
und eingehen, geachtet und geliebt.

Das ist wohl gut, sagte die Tante; aber es sind
nur äußere Dinge, und Du könntest bei alle dem
kreuzunglücklich werden. Weißt Du, ob er ein recht¬
schaffener Mann ist, ob er ein braver Mann ist, der
Gott mehr fürchtet, als die Menschen?

Freilich hoffe ich, daß er ein rechtschaffener Mann
ist, und habe keine Ursache, das Gegentheil zu glau¬
ben. Und wißt Ihr etwas von ihm, so ist's Eure
Pflicht und Schuldigkeit, es mir zu sagen.

Der Tante gefielen diese Worte wohl, sie meinte,
Klärchen liege ihres Bräutigams Rechtschaffenheit gar
sehr an der Seele; aber von der war es nur die bren¬
nende Begierde, etwas zu wissen, zu hören; ihr Stolz
war gedehmüthigt, sie war innerlich erboßt, sie hätte
mit der ganzen Welt hadern mögen.

Ich will Dir nun erzählen, was wir von Deinem
Bräutigam wissen, begann die Tante, Du kannst dann
überlegen, was Du zu thun hast. Im vorletzten
Winter, als ich am gastrischen Fieber lag, mußte

nen Augen recht herzlich an. Klärchens Herz war
leichtfertig, aber für die Stimme der Wahrheit hatte
ſie doch noch Gefühl. Ich glaube es, entgegnete ſie
und erwiederte der Tante Händedruck. Dieſe fuhr fort:

Kennſt Du Deinen Bräutigam genau?

Ich kenne ihn ſeitdem ich im Hotel bin, verſetzte
Klärchen. Ich weiß, daß er dem Herrn des Hauſes
Ein und Alles iſt, daß er eigentlich das ganze Ge¬
ſchäft führt und in Kurzem ſelbſt einen Gaſthof über¬
nehmen wird. Er hat Konnexionen, Vermögen, dazu
iſt er gebildet und von Allen, die im Gaſthofe aus-
und eingehen, geachtet und geliebt.

Das iſt wohl gut, ſagte die Tante; aber es ſind
nur äußere Dinge, und Du könnteſt bei alle dem
kreuzunglücklich werden. Weißt Du, ob er ein recht¬
ſchaffener Mann iſt, ob er ein braver Mann iſt, der
Gott mehr fürchtet, als die Menſchen?

Freilich hoffe ich, daß er ein rechtſchaffener Mann
iſt, und habe keine Urſache, das Gegentheil zu glau¬
ben. Und wißt Ihr etwas von ihm, ſo iſt's Eure
Pflicht und Schuldigkeit, es mir zu ſagen.

Der Tante gefielen dieſe Worte wohl, ſie meinte,
Klärchen liege ihres Bräutigams Rechtſchaffenheit gar
ſehr an der Seele; aber von der war es nur die bren¬
nende Begierde, etwas zu wiſſen, zu hören; ihr Stolz
war gedehmüthigt, ſie war innerlich erboßt, ſie hätte
mit der ganzen Welt hadern mögen.

Ich will Dir nun erzählen, was wir von Deinem
Bräutigam wiſſen, begann die Tante, Du kannſt dann
überlegen, was Du zu thun haſt. Im vorletzten
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[85/0091] nen Augen recht herzlich an. Klärchens Herz war leichtfertig, aber für die Stimme der Wahrheit hatte ſie doch noch Gefühl. Ich glaube es, entgegnete ſie und erwiederte der Tante Händedruck. Dieſe fuhr fort: Kennſt Du Deinen Bräutigam genau? Ich kenne ihn ſeitdem ich im Hotel bin, verſetzte Klärchen. Ich weiß, daß er dem Herrn des Hauſes Ein und Alles iſt, daß er eigentlich das ganze Ge¬ ſchäft führt und in Kurzem ſelbſt einen Gaſthof über¬ nehmen wird. Er hat Konnexionen, Vermögen, dazu iſt er gebildet und von Allen, die im Gaſthofe aus- und eingehen, geachtet und geliebt. Das iſt wohl gut, ſagte die Tante; aber es ſind nur äußere Dinge, und Du könnteſt bei alle dem kreuzunglücklich werden. Weißt Du, ob er ein recht¬ ſchaffener Mann iſt, ob er ein braver Mann iſt, der Gott mehr fürchtet, als die Menſchen? Freilich hoffe ich, daß er ein rechtſchaffener Mann iſt, und habe keine Urſache, das Gegentheil zu glau¬ ben. Und wißt Ihr etwas von ihm, ſo iſt's Eure Pflicht und Schuldigkeit, es mir zu ſagen. Der Tante gefielen dieſe Worte wohl, ſie meinte, Klärchen liege ihres Bräutigams Rechtſchaffenheit gar ſehr an der Seele; aber von der war es nur die bren¬ nende Begierde, etwas zu wiſſen, zu hören; ihr Stolz war gedehmüthigt, ſie war innerlich erboßt, ſie hätte mit der ganzen Welt hadern mögen. Ich will Dir nun erzählen, was wir von Deinem Bräutigam wiſſen, begann die Tante, Du kannſt dann überlegen, was Du zu thun haſt. Im vorletzten Winter, als ich am gaſtriſchen Fieber lag, mußte

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/91>, abgerufen am 24.11.2024.