den Schlüssel und schloß auf. Der Mond brach eben durch Wolken und warf sein helles Licht auf Fritz und Klärchen, sie sah unwillkürlich auf zu ihm: da ruheten seine dunklen Augen so traurig auf ihrem frischen Gesicht, er reichte ihr die Hand, sie mußte ihre hineinlegen. Klärchen, sagte er mit bewegter Stimme, wir stehen jetzt am Anfang eines neuen Jahres. Der Herr wolle uns segnen, daß wir am Ende desselben mit reinem Herzen und ruhigem Gewissen und unbe¬ fleckter Ehre mögen darauf zurückschauen. Der Herr behüte Sie!
Er wandte sich schnell von ihr, sie trat in das Haus, aber mußte erst einige Augenblicke sich vom Schrecken erholen.
Was will er nur? dachte sie. Meine Ehre? da will ich selbst für sorgen. Und das Gewissen? ich werde doch kein Verbrechen begehen? -- Sie suchte mit Gewalt den Eindruck von Fritzens Worten abzu¬ schütteln, und das sollte ihr leider nicht schwer werden. Als sie die erste Treppe hinauf war und eben den Zu¬ gang, der zur Etage bei Generalin führte, öffnen wollte, kam Jemand von oben herunter. Sie zögerte, -- ja es war der Mediziner. Er hatte den Sylvester-Abend etwas lauter und wilder gefeiert als Klärchen, sein Gesicht glühte von Wein und Punsch, und seit geraumer Zeit hatte er mit Ungeduld auf Klärchens Rückkehr gewartet. Jetzt flossen ihm die Worte wie Feuer von den Lippen. Diese Liebes- und Treueversicherungen, diese Ausdrücke von erhabenen Gefühlen -- Klärchen konnte nicht widerstehen. Sie erwiederte flüsternd süße Liebesphrasen, duldete, daß er sie küßte, und als sie
den Schlüſſel und ſchloß auf. Der Mond brach eben durch Wolken und warf ſein helles Licht auf Fritz und Klärchen, ſie ſah unwillkürlich auf zu ihm: da ruheten ſeine dunklen Augen ſo traurig auf ihrem friſchen Geſicht, er reichte ihr die Hand, ſie mußte ihre hineinlegen. Klärchen, ſagte er mit bewegter Stimme, wir ſtehen jetzt am Anfang eines neuen Jahres. Der Herr wolle uns ſegnen, daß wir am Ende deſſelben mit reinem Herzen und ruhigem Gewiſſen und unbe¬ fleckter Ehre mögen darauf zurückſchauen. Der Herr behüte Sie!
Er wandte ſich ſchnell von ihr, ſie trat in das Haus, aber mußte erſt einige Augenblicke ſich vom Schrecken erholen.
Was will er nur? dachte ſie. Meine Ehre? da will ich ſelbſt für ſorgen. Und das Gewiſſen? ich werde doch kein Verbrechen begehen? — Sie ſuchte mit Gewalt den Eindruck von Fritzens Worten abzu¬ ſchütteln, und das ſollte ihr leider nicht ſchwer werden. Als ſie die erſte Treppe hinauf war und eben den Zu¬ gang, der zur Etage bei Generalin führte, öffnen wollte, kam Jemand von oben herunter. Sie zögerte, — ja es war der Mediziner. Er hatte den Sylveſter-Abend etwas lauter und wilder gefeiert als Klärchen, ſein Geſicht glühte von Wein und Punſch, und ſeit geraumer Zeit hatte er mit Ungeduld auf Klärchens Rückkehr gewartet. Jetzt floſſen ihm die Worte wie Feuer von den Lippen. Dieſe Liebes- und Treueverſicherungen, dieſe Ausdrücke von erhabenen Gefühlen — Klärchen konnte nicht widerſtehen. Sie erwiederte flüſternd ſüße Liebesphraſen, duldete, daß er ſie küßte, und als ſie
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den Schlüſſel und ſchloß auf. Der Mond brach eben
durch Wolken und warf ſein helles Licht auf Fritz
und Klärchen, ſie ſah unwillkürlich auf zu ihm: da
ruheten ſeine dunklen Augen ſo traurig auf ihrem
friſchen Geſicht, er reichte ihr die Hand, ſie mußte ihre
hineinlegen. Klärchen, ſagte er mit bewegter Stimme,
wir ſtehen jetzt am Anfang eines neuen Jahres. Der
Herr wolle uns ſegnen, daß wir am Ende deſſelben
mit reinem Herzen und ruhigem Gewiſſen und unbe¬
fleckter Ehre mögen darauf zurückſchauen. Der Herr
behüte Sie!
Er wandte ſich ſchnell von ihr, ſie trat in das
Haus, aber mußte erſt einige Augenblicke ſich vom
Schrecken erholen.
Was will er nur? dachte ſie. Meine Ehre? da
will ich ſelbſt für ſorgen. Und das Gewiſſen? ich
werde doch kein Verbrechen begehen? — Sie ſuchte
mit Gewalt den Eindruck von Fritzens Worten abzu¬
ſchütteln, und das ſollte ihr leider nicht ſchwer werden.
Als ſie die erſte Treppe hinauf war und eben den Zu¬
gang, der zur Etage bei Generalin führte, öffnen wollte,
kam Jemand von oben herunter. Sie zögerte, — ja
es war der Mediziner. Er hatte den Sylveſter-Abend
etwas lauter und wilder gefeiert als Klärchen, ſein
Geſicht glühte von Wein und Punſch, und ſeit geraumer
Zeit hatte er mit Ungeduld auf Klärchens Rückkehr
gewartet. Jetzt floſſen ihm die Worte wie Feuer von
den Lippen. Dieſe Liebes- und Treueverſicherungen,
dieſe Ausdrücke von erhabenen Gefühlen — Klärchen
konnte nicht widerſtehen. Sie erwiederte flüſternd ſüße
Liebesphraſen, duldete, daß er ſie küßte, und als ſie
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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