Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.was aus ihm geworden, und ob er so aussähe wie was aus ihm geworden, und ob er ſo ausſähe wie <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0032" n="26"/> was aus ihm geworden, und ob er ſo ausſähe wie<lb/> ſie ſich ihn nach ſeinen Briefen gedacht. Sie ging in<lb/> den Garten. Bei Buchſteins war alles ſtill, und un¬<lb/> geſtört ging ſie in dem geraden Stachelbeerwege auf<lb/> und ab. Hinter den Büſchen hatte ſie als Kind mit<lb/> Luischen Buchſtein und anderen Freundinnen Schaf<lb/> und Wolf geſpielt; Luischen Buchſtein war todt, die<lb/> anderen Freundinnen zerſtreut, und ſie mußte zum Sonn¬<lb/> tag-Nachmittag ſo allein hier wandeln. Auf der Bank<lb/> unter dem alten Birnenbaume hatte ſie auch oft ver¬<lb/> gnügt geſeſſen, noch lieber aber oben auf dem Baum:<lb/> da konnte ſie doch ein Bischen weiter in die Welt<lb/> ſchauen, in die Nachbarsgärten, einem Böttcher auf<lb/> den Hof, dem Benjamin in die Stube. Nach der<lb/> andern Seite hin war der Garten zwar durch eine<lb/> hohe Mauer begränzt, aber ſie ſah doch die blühen¬<lb/> den Flieder- und Goldregen-Wipfel, auch zuwei¬<lb/> len die weiße Spitzenhaube der Frau Stadträthin<lb/> und die bebänderten Strohhüte der Fräulein. Gret¬<lb/> chen konnte nicht widerſtehen; ſie ſtieg auf den Baum.<lb/> Heut war aber gar nichts zu ſehen, an den Gold¬<lb/> regen hing trockner Samen, die Fliederbüſche ſa¬<lb/> hen dunkel und glanzlos aus, weder Haube noch<lb/> Strohhüte ließen ſich ſehen, Stadtraths waren in ein<lb/> Bad und die Fräulein längſt verheirathet. In den<lb/> anderen Nachbarsgärten war es auch ſtill, nicht ein¬<lb/> mal Benjamin war am Fenſter. Da ward es dem<lb/> Gretchen immer enger um das Herz, immer ſehnſüch¬<lb/> tiger ſchaute ſie zum Himmel hinauf. So iſts. Wenn<lb/> der Herr uns die Welt einſam und öde macht, ſo<lb/> zieht er uns deſto mächtiger zum Himmel hinauf. Und<lb/></p> </body> </text> </TEI> [26/0032]
was aus ihm geworden, und ob er ſo ausſähe wie
ſie ſich ihn nach ſeinen Briefen gedacht. Sie ging in
den Garten. Bei Buchſteins war alles ſtill, und un¬
geſtört ging ſie in dem geraden Stachelbeerwege auf
und ab. Hinter den Büſchen hatte ſie als Kind mit
Luischen Buchſtein und anderen Freundinnen Schaf
und Wolf geſpielt; Luischen Buchſtein war todt, die
anderen Freundinnen zerſtreut, und ſie mußte zum Sonn¬
tag-Nachmittag ſo allein hier wandeln. Auf der Bank
unter dem alten Birnenbaume hatte ſie auch oft ver¬
gnügt geſeſſen, noch lieber aber oben auf dem Baum:
da konnte ſie doch ein Bischen weiter in die Welt
ſchauen, in die Nachbarsgärten, einem Böttcher auf
den Hof, dem Benjamin in die Stube. Nach der
andern Seite hin war der Garten zwar durch eine
hohe Mauer begränzt, aber ſie ſah doch die blühen¬
den Flieder- und Goldregen-Wipfel, auch zuwei¬
len die weiße Spitzenhaube der Frau Stadträthin
und die bebänderten Strohhüte der Fräulein. Gret¬
chen konnte nicht widerſtehen; ſie ſtieg auf den Baum.
Heut war aber gar nichts zu ſehen, an den Gold¬
regen hing trockner Samen, die Fliederbüſche ſa¬
hen dunkel und glanzlos aus, weder Haube noch
Strohhüte ließen ſich ſehen, Stadtraths waren in ein
Bad und die Fräulein längſt verheirathet. In den
anderen Nachbarsgärten war es auch ſtill, nicht ein¬
mal Benjamin war am Fenſter. Da ward es dem
Gretchen immer enger um das Herz, immer ſehnſüch¬
tiger ſchaute ſie zum Himmel hinauf. So iſts. Wenn
der Herr uns die Welt einſam und öde macht, ſo
zieht er uns deſto mächtiger zum Himmel hinauf. Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |