Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.zum himmlischen Jerusalem und dort oben ewig selig Während Fritz so mit seinen Gedanken allein war, Am anderen Morgen stand Frau Krauter trotz der zum himmliſchen Jeruſalem und dort oben ewig ſelig Während Fritz ſo mit ſeinen Gedanken allein war, Am anderen Morgen ſtand Frau Krauter trotz der <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0144" n="138"/> zum himmliſchen Jeruſalem und dort oben ewig ſelig<lb/> vereinigt halte.</p><lb/> <p>Während Fritz ſo mit ſeinen Gedanken allein war,<lb/> ſaß Klärchen ebenſo an der Wiege ihres hinwelkenden<lb/> Kindes. Sie war matt und krank, ihre Glaubens¬<lb/> welt ſchwach und ohne Halt, das Leben war ihr trüb'<lb/> und der Himmel fern, ihr einziger Troſt war das<lb/> Kind, ihr einziger Gedanke: ſo grauſam kann Gott<lb/> nicht ſein, dir dies zu nehmen. Und doch kann er<lb/> es, dachte ſie angſtvoll, und du haſt es verdient! —<lb/> Das Leben lag wie eine ſchwere Schuld hinter ihr,<lb/> und der erlöſenden Liebe wagte ſie ſich nicht zu nahen.<lb/> In die Kirche war ſie nicht gekommen, die Tante und<lb/> Buchſteins hatte ſie lange nicht geſprochen, ſo fehlte<lb/> es ihr an jedem ſtärkenden Zuſpruch, und innerlich<lb/> und äußerlich welkte ſie dahin.</p><lb/> <p>Am anderen Morgen ſtand Frau Krauter trotz der<lb/> warmen Stube nicht auf, ſie fühlte ſich wirklich krank,<lb/> und als es in den nächſten Tagen zunahm, ſchickte<lb/> die Tante einen Arzt. Der erklärte es für eine ner¬<lb/> vöſe Grippe. Klärchen hatte nun doppelt zu pflegen,<lb/> und da die Tante immer wieder an Gretchens Kran¬<lb/> kenbette gebunden war, ſtand ſie ganz allein. Nur<lb/> Fritz kam zuweilen; aber ernſt und ſchweigſam war<lb/> er, Klärchen hielt das für eine verdiente Nichtachtung,<lb/> wagte ihn kaum anzuſehen und zu danken für Alles,<lb/> was er ihr zur Erleichterung that und ſchickte. So<lb/> gingen ihr die Tage wie im dumpfen Traume hin.<lb/> Nach drei Wochen erklärte der Arzt den Zuſtand der<lb/> Mutter für beſſer, zugleich aber ward ſein Geſicht beim<lb/> Anſchauen des Kindes immer bedenklicher. Klärchen<lb/></p> </body> </text> </TEI> [138/0144]
zum himmliſchen Jeruſalem und dort oben ewig ſelig
vereinigt halte.
Während Fritz ſo mit ſeinen Gedanken allein war,
ſaß Klärchen ebenſo an der Wiege ihres hinwelkenden
Kindes. Sie war matt und krank, ihre Glaubens¬
welt ſchwach und ohne Halt, das Leben war ihr trüb'
und der Himmel fern, ihr einziger Troſt war das
Kind, ihr einziger Gedanke: ſo grauſam kann Gott
nicht ſein, dir dies zu nehmen. Und doch kann er
es, dachte ſie angſtvoll, und du haſt es verdient! —
Das Leben lag wie eine ſchwere Schuld hinter ihr,
und der erlöſenden Liebe wagte ſie ſich nicht zu nahen.
In die Kirche war ſie nicht gekommen, die Tante und
Buchſteins hatte ſie lange nicht geſprochen, ſo fehlte
es ihr an jedem ſtärkenden Zuſpruch, und innerlich
und äußerlich welkte ſie dahin.
Am anderen Morgen ſtand Frau Krauter trotz der
warmen Stube nicht auf, ſie fühlte ſich wirklich krank,
und als es in den nächſten Tagen zunahm, ſchickte
die Tante einen Arzt. Der erklärte es für eine ner¬
vöſe Grippe. Klärchen hatte nun doppelt zu pflegen,
und da die Tante immer wieder an Gretchens Kran¬
kenbette gebunden war, ſtand ſie ganz allein. Nur
Fritz kam zuweilen; aber ernſt und ſchweigſam war
er, Klärchen hielt das für eine verdiente Nichtachtung,
wagte ihn kaum anzuſehen und zu danken für Alles,
was er ihr zur Erleichterung that und ſchickte. So
gingen ihr die Tage wie im dumpfen Traume hin.
Nach drei Wochen erklärte der Arzt den Zuſtand der
Mutter für beſſer, zugleich aber ward ſein Geſicht beim
Anſchauen des Kindes immer bedenklicher. Klärchen
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