man die Physiognomie der ganzen Hand- lung, mit der Physiognomie des Thäters zusammen hält, so erklären sich alle Fehler der erstern durch die letztern so vollkommen, daß kein andrer Mensch als der Jnquisit der Weinvergifter seyn kann.
Jch. Warlich Freund, Sie sind recht sinnreich alle Umstände der Zürcher Wein- vergiftung, mit einem Anstrich von Wahr- scheinlichkeit auf den Bastian hinaus zudre- hen. Aber verzeihn Sie mir einen Ver- gleich, mir kommts vor, als hätten Sie geflissentlich die Stechäpfel, den spani- nischen Pfeffer, den Fliegengift und die übri- gen Jngredienzien dem Kerl in die Tasche praktizirt, um hernach bey der Visitation das all bey ihm zu finden. Wie? Wenn ich als ein barmherziger Samariter mich zum Defensor des armen Sünders angäb, und aus statthaften Gründen erwieß, daß er an dem vergifteten Abendmahlwein so
unschuldig
man die Phyſiognomie der ganzen Hand- lung, mit der Phyſiognomie des Thaͤters zuſammen haͤlt, ſo erklaͤren ſich alle Fehler der erſtern durch die letztern ſo vollkommen, daß kein andrer Menſch als der Jnquiſit der Weinvergifter ſeyn kann.
Jch. Warlich Freund, Sie ſind recht ſinnreich alle Umſtaͤnde der Zuͤrcher Wein- vergiftung, mit einem Anſtrich von Wahr- ſcheinlichkeit auf den Baſtian hinaus zudre- hen. Aber verzeihn Sie mir einen Ver- gleich, mir kommts vor, als haͤtten Sie gefliſſentlich die Stechaͤpfel, den ſpani- niſchen Pfeffer, den Fliegengift und die uͤbri- gen Jngredienzien dem Kerl in die Taſche praktizirt, um hernach bey der Viſitation das all bey ihm zu finden. Wie? Wenn ich als ein barmherziger Samariter mich zum Defenſor des armen Suͤnders angaͤb, und aus ſtatthaften Gruͤnden erwieß, daß er an dem vergifteten Abendmahlwein ſo
unſchuldig
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man die Phyſiognomie der ganzen Hand-
lung, mit der Phyſiognomie des Thaͤters
zuſammen haͤlt, ſo erklaͤren ſich alle Fehler
der erſtern durch die letztern ſo vollkommen,
daß kein andrer Menſch als der Jnquiſit
der Weinvergifter ſeyn kann.
Jch. Warlich Freund, Sie ſind recht
ſinnreich alle Umſtaͤnde der Zuͤrcher Wein-
vergiftung, mit einem Anſtrich von Wahr-
ſcheinlichkeit auf den Baſtian hinaus zudre-
hen. Aber verzeihn Sie mir einen Ver-
gleich, mir kommts vor, als haͤtten Sie
gefliſſentlich die Stechaͤpfel, den ſpani-
niſchen Pfeffer, den Fliegengift und die uͤbri-
gen Jngredienzien dem Kerl in die Taſche
praktizirt, um hernach bey der Viſitation
das all bey ihm zu finden. Wie? Wenn
ich als ein barmherziger Samariter mich
zum Defenſor des armen Suͤnders angaͤb,
und aus ſtatthaften Gruͤnden erwieß, daß
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/85>, abgerufen am 25.11.2024.
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