Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch. Nichts mehr, als daß ich dem
Dummkopf nicht zutraue, mit Absicht und
Vorbedacht, sondern nur nach einem wilden
Jnstinkt zu wirken, das ist, ohne daß er
weiß, oder sich darum bekümmert, ob die
That gut oder böse sey. Jst wohl möglich,
daß der Kerl alle Qualitäten des einge-
fleischten Teufels, des Rüdgerodts besitz,
daß er sey ein Hurer ohne Maaß, ein Mäd-
chenmörder, ein Strauchdieb, Bandit und
so weiter, nur ohne Gefühl und Bewußt-
seyn dieser Thaten als Verbrechen. Denkt
wohl in der Funktion seines Berufs Men-
schen abzuwürgen, wie der Koch die Kap-
paunen schlachtet.

Er. Könnte diese anscheinende Dumm-
heit nicht eine erkünstelte Hülle seyn, da-
hinter sich natürliche Verschlagenheit und
arglistige Boßheit birgt?

Jch. Das widerlegt dünkt mich der
Augenschein. Doch Augenschein ist Schein,

und
D 4

Jch. Nichts mehr, als daß ich dem
Dummkopf nicht zutraue, mit Abſicht und
Vorbedacht, ſondern nur nach einem wilden
Jnſtinkt zu wirken, das iſt, ohne daß er
weiß, oder ſich darum bekuͤmmert, ob die
That gut oder boͤſe ſey. Jſt wohl moͤglich,
daß der Kerl alle Qualitaͤten des einge-
fleiſchten Teufels, des Ruͤdgerodts beſitz,
daß er ſey ein Hurer ohne Maaß, ein Maͤd-
chenmoͤrder, ein Strauchdieb, Bandit und
ſo weiter, nur ohne Gefuͤhl und Bewußt-
ſeyn dieſer Thaten als Verbrechen. Denkt
wohl in der Funktion ſeines Berufs Men-
ſchen abzuwuͤrgen, wie der Koch die Kap-
paunen ſchlachtet.

Er. Koͤnnte dieſe anſcheinende Dumm-
heit nicht eine erkuͤnſtelte Huͤlle ſeyn, da-
hinter ſich natuͤrliche Verſchlagenheit und
argliſtige Boßheit birgt?

Jch. Das widerlegt duͤnkt mich der
Augenſchein. Doch Augenſchein iſt Schein,

und
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0063" n="55"/>
        <p><hi rendition="#fr">Jch.</hi> Nichts mehr, als daß ich dem<lb/>
Dummkopf nicht zutraue, mit Ab&#x017F;icht und<lb/>
Vorbedacht, &#x017F;ondern nur nach einem wilden<lb/>
Jn&#x017F;tinkt zu wirken, das i&#x017F;t, ohne daß er<lb/>
weiß, oder &#x017F;ich darum beku&#x0364;mmert, ob die<lb/>
That gut oder bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ey. J&#x017F;t wohl mo&#x0364;glich,<lb/>
daß der Kerl alle Qualita&#x0364;ten des einge-<lb/>
flei&#x017F;chten Teufels, des Ru&#x0364;dgerodts be&#x017F;itz,<lb/>
daß er &#x017F;ey ein Hurer ohne Maaß, ein Ma&#x0364;d-<lb/>
chenmo&#x0364;rder, ein Strauchdieb, Bandit und<lb/>
&#x017F;o weiter, nur ohne Gefu&#x0364;hl und Bewußt-<lb/>
&#x017F;eyn die&#x017F;er Thaten als Verbrechen. Denkt<lb/>
wohl in der Funktion &#x017F;eines Berufs Men-<lb/>
&#x017F;chen abzuwu&#x0364;rgen, wie der Koch die Kap-<lb/>
paunen &#x017F;chlachtet.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Er.</hi> Ko&#x0364;nnte die&#x017F;e an&#x017F;cheinende Dumm-<lb/>
heit nicht eine erku&#x0364;n&#x017F;telte Hu&#x0364;lle &#x017F;eyn, da-<lb/>
hinter &#x017F;ich natu&#x0364;rliche Ver&#x017F;chlagenheit und<lb/>
argli&#x017F;tige Boßheit birgt?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Jch.</hi> Das widerlegt du&#x0364;nkt mich der<lb/>
Augen&#x017F;chein. Doch Augen&#x017F;chein i&#x017F;t Schein,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] Jch. Nichts mehr, als daß ich dem Dummkopf nicht zutraue, mit Abſicht und Vorbedacht, ſondern nur nach einem wilden Jnſtinkt zu wirken, das iſt, ohne daß er weiß, oder ſich darum bekuͤmmert, ob die That gut oder boͤſe ſey. Jſt wohl moͤglich, daß der Kerl alle Qualitaͤten des einge- fleiſchten Teufels, des Ruͤdgerodts beſitz, daß er ſey ein Hurer ohne Maaß, ein Maͤd- chenmoͤrder, ein Strauchdieb, Bandit und ſo weiter, nur ohne Gefuͤhl und Bewußt- ſeyn dieſer Thaten als Verbrechen. Denkt wohl in der Funktion ſeines Berufs Men- ſchen abzuwuͤrgen, wie der Koch die Kap- paunen ſchlachtet. Er. Koͤnnte dieſe anſcheinende Dumm- heit nicht eine erkuͤnſtelte Huͤlle ſeyn, da- hinter ſich natuͤrliche Verſchlagenheit und argliſtige Boßheit birgt? Jch. Das widerlegt duͤnkt mich der Augenſchein. Doch Augenſchein iſt Schein, und D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/63
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/63>, abgerufen am 25.11.2024.