Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

dem iungen Kirchpatron den Vorsatz aus
den Augen zu lesen, diese Theorie dereinst
in seinem Gerichtsbezirk ad praxin zu brin-
gen, welches ihn denn bewog, da er es
nicht der Klugheit gemäß erachtete seinen
Gegner en fronte anzugreifen, einen ge-
lehrten Einfall in die kaiserlichen Erblande
zu wagen, und aus den renomirten Briefen
über den Zustand der Litteratur zu Wien
manches Excerptum beyzubringen, das dem
iungen Herrn nicht schmecken mochte. Als
daher der geistlichen Gegenpart, wie ein
störrischer Stier durch keine Widerlegung
sich bändigen lassen, und weder zur Rechten
noch zur Linken ausbeugen wollte, sondern
immer mit seinen Hörnern voran auf die
Wiener Gelehrten einbohrte, die in der
That schlecht wären berathen gewesen, wenn
sie den iungen Franken zu ihrem Schuz-
patron erwählet hätten: suchte sich dieser
mit französischer Leichtigkeit durch einen Sei-

tensprung

dem iungen Kirchpatron den Vorſatz aus
den Augen zu leſen, dieſe Theorie dereinſt
in ſeinem Gerichtsbezirk ad praxin zu brin-
gen, welches ihn denn bewog, da er es
nicht der Klugheit gemaͤß erachtete ſeinen
Gegner en fronte anzugreifen, einen ge-
lehrten Einfall in die kaiſerlichen Erblande
zu wagen, und aus den renomirten Briefen
uͤber den Zuſtand der Litteratur zu Wien
manches Excerptum beyzubringen, das dem
iungen Herrn nicht ſchmecken mochte. Als
daher der geiſtlichen Gegenpart, wie ein
ſtoͤrriſcher Stier durch keine Widerlegung
ſich baͤndigen laſſen, und weder zur Rechten
noch zur Linken ausbeugen wollte, ſondern
immer mit ſeinen Hoͤrnern voran auf die
Wiener Gelehrten einbohrte, die in der
That ſchlecht waͤren berathen geweſen, wenn
ſie den iungen Franken zu ihrem Schuz-
patron erwaͤhlet haͤtten: ſuchte ſich dieſer
mit franzoͤſiſcher Leichtigkeit durch einen Sei-

tenſprung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
dem iungen Kirchpatron den Vor&#x017F;atz aus<lb/>
den Augen zu le&#x017F;en, die&#x017F;e Theorie derein&#x017F;t<lb/>
in &#x017F;einem Gerichtsbezirk <hi rendition="#aq">ad praxin</hi> zu brin-<lb/>
gen, welches ihn denn bewog, da er es<lb/>
nicht der Klugheit gema&#x0364;ß erachtete &#x017F;einen<lb/>
Gegner <hi rendition="#aq">en fronte</hi> anzugreifen, einen ge-<lb/>
lehrten Einfall in die kai&#x017F;erlichen Erblande<lb/>
zu wagen, und aus den renomirten Briefen<lb/>
u&#x0364;ber den Zu&#x017F;tand der Litteratur zu Wien<lb/>
manches Excerptum beyzubringen, das dem<lb/>
iungen Herrn nicht &#x017F;chmecken mochte. Als<lb/>
daher der gei&#x017F;tlichen Gegenpart, wie ein<lb/>
&#x017F;to&#x0364;rri&#x017F;cher Stier durch keine Widerlegung<lb/>
&#x017F;ich ba&#x0364;ndigen la&#x017F;&#x017F;en, und weder zur Rechten<lb/>
noch zur Linken ausbeugen wollte, &#x017F;ondern<lb/>
immer mit &#x017F;einen Ho&#x0364;rnern voran auf die<lb/>
Wiener Gelehrten einbohrte, die in der<lb/>
That &#x017F;chlecht wa&#x0364;ren berathen gewe&#x017F;en, wenn<lb/>
&#x017F;ie den iungen Franken zu ihrem Schuz-<lb/>
patron erwa&#x0364;hlet ha&#x0364;tten: &#x017F;uchte &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
mit franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Leichtigkeit durch einen Sei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten&#x017F;prung</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] dem iungen Kirchpatron den Vorſatz aus den Augen zu leſen, dieſe Theorie dereinſt in ſeinem Gerichtsbezirk ad praxin zu brin- gen, welches ihn denn bewog, da er es nicht der Klugheit gemaͤß erachtete ſeinen Gegner en fronte anzugreifen, einen ge- lehrten Einfall in die kaiſerlichen Erblande zu wagen, und aus den renomirten Briefen uͤber den Zuſtand der Litteratur zu Wien manches Excerptum beyzubringen, das dem iungen Herrn nicht ſchmecken mochte. Als daher der geiſtlichen Gegenpart, wie ein ſtoͤrriſcher Stier durch keine Widerlegung ſich baͤndigen laſſen, und weder zur Rechten noch zur Linken ausbeugen wollte, ſondern immer mit ſeinen Hoͤrnern voran auf die Wiener Gelehrten einbohrte, die in der That ſchlecht waͤren berathen geweſen, wenn ſie den iungen Franken zu ihrem Schuz- patron erwaͤhlet haͤtten: ſuchte ſich dieſer mit franzoͤſiſcher Leichtigkeit durch einen Sei- tenſprung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/54
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/54>, abgerufen am 19.04.2024.