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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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sichtszüge vermalefizirte. Jedoch mit Zu-
stimmung eines reinen Gewissens, bey die-
sem Physiognomischen Scherbengerichte das
schwarze oder weisse Täfelein für ieden Kopf
einzulegen, und das so behend, wie's Freund
Spörtlern von der Hand ging, das war
über meinem Horizont.

Besonders war mir unbegreiflich, wie er
an dem Fliegeniäger einen so großen Brat-
fisch zu erhaschen vermeynte, den ich zwar
seiner Baschkiren Physiognomie halber für
einen wandernden Schuknecht hielt; aber
mir nicht träumen ließ, daß diese mißge-
staltete Gesichtsform ein frey öffentlich Be-
kenntniß unerhörter Schandthaten ablege.
Jndessen hegt ich für die Spörtlerische Phy-
siognomicen Forensem bereits ein so günsti-
ges Vorurtheil, daß ich von dem kreissenden
Berg eine fürchterliche Mißgeburt erwartete.
Weils Hochmittag war, begaben sich Rich-
ter und Schöppen mit Beyseitsetzung alles

in

ſichtszuͤge vermalefizirte. Jedoch mit Zu-
ſtimmung eines reinen Gewiſſens, bey die-
ſem Phyſiognomiſchen Scherbengerichte das
ſchwarze oder weiſſe Taͤfelein fuͤr ieden Kopf
einzulegen, und das ſo behend, wie’s Freund
Spoͤrtlern von der Hand ging, das war
uͤber meinem Horizont.

Beſonders war mir unbegreiflich, wie er
an dem Fliegeniaͤger einen ſo großen Brat-
fiſch zu erhaſchen vermeynte, den ich zwar
ſeiner Baſchkiren Phyſiognomie halber fuͤr
einen wandernden Schuknecht hielt; aber
mir nicht traͤumen ließ, daß dieſe mißge-
ſtaltete Geſichtsform ein frey oͤffentlich Be-
kenntniß unerhoͤrter Schandthaten ablege.
Jndeſſen hegt ich fuͤr die Spoͤrtleriſche Phy-
ſiognomicen Forenſem bereits ein ſo guͤnſti-
ges Vorurtheil, daß ich von dem kreiſſenden
Berg eine fuͤrchterliche Mißgeburt erwartete.
Weils Hochmittag war, begaben ſich Rich-
ter und Schoͤppen mit Beyſeitſetzung alles

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[42/0050] ſichtszuͤge vermalefizirte. Jedoch mit Zu- ſtimmung eines reinen Gewiſſens, bey die- ſem Phyſiognomiſchen Scherbengerichte das ſchwarze oder weiſſe Taͤfelein fuͤr ieden Kopf einzulegen, und das ſo behend, wie’s Freund Spoͤrtlern von der Hand ging, das war uͤber meinem Horizont. Beſonders war mir unbegreiflich, wie er an dem Fliegeniaͤger einen ſo großen Brat- fiſch zu erhaſchen vermeynte, den ich zwar ſeiner Baſchkiren Phyſiognomie halber fuͤr einen wandernden Schuknecht hielt; aber mir nicht traͤumen ließ, daß dieſe mißge- ſtaltete Geſichtsform ein frey oͤffentlich Be- kenntniß unerhoͤrter Schandthaten ablege. Jndeſſen hegt ich fuͤr die Spoͤrtleriſche Phy- ſiognomicen Forenſem bereits ein ſo guͤnſti- ges Vorurtheil, daß ich von dem kreiſſenden Berg eine fuͤrchterliche Mißgeburt erwartete. Weils Hochmittag war, begaben ſich Rich- ter und Schoͤppen mit Beyſeitſetzung alles in

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/50>, abgerufen am 19.04.2024.