nach Lothringen zu, einem armen Erzie- hungsinstitut zu D* machte, davon vor einiger Zeit in öffentlichen Druckschriften groß Rühmens war? Erstere spendirte 500 Thaler; Leztere ihre Brautohrenge- hänge, dreissig Gulden vor zehn oder zwölf Jahren unter Brüdern werth, ans Philan- thropin, und da gab die böse Welt dieser Wohlthätigkeit eine ganz andre Deutung, als ihr die pädagogischen Unterhandlungen beylegten. Da hieß es, die wohlthätige Judenschaft habe diese Beysteuer als Schmuesgelder pränumerirt, in der Jn- tention, das anhoffende große Kapital von 30000 Thalern, das so luftig auf Men- schenfreundschaft kalkulirt war, als ein Darlehn gegen leidliche Zinsen in Empfang zu nehmen; und die Frau des Herrn Ober- lins habe eigentlich auf ein Paar neumodi- sche Ohrengehänge von ihrem Eheherrn, einen warmen Beförderer philanthropini-
scher
nach Lothringen zu, einem armen Erzie- hungsinſtitut zu D* machte, davon vor einiger Zeit in oͤffentlichen Druckſchriften groß Ruͤhmens war? Erſtere ſpendirte 500 Thaler; Leztere ihre Brautohrenge- haͤnge, dreiſſig Gulden vor zehn oder zwoͤlf Jahren unter Bruͤdern werth, ans Philan- thropin, und da gab die boͤſe Welt dieſer Wohlthaͤtigkeit eine ganz andre Deutung, als ihr die paͤdagogiſchen Unterhandlungen beylegten. Da hieß es, die wohlthaͤtige Judenſchaft habe dieſe Beyſteuer als Schmuesgelder praͤnumerirt, in der Jn- tention, das anhoffende große Kapital von 30000 Thalern, das ſo luftig auf Men- ſchenfreundſchaft kalkulirt war, als ein Darlehn gegen leidliche Zinſen in Empfang zu nehmen; und die Frau des Herrn Ober- lins habe eigentlich auf ein Paar neumodi- ſche Ohrengehaͤnge von ihrem Eheherrn, einen warmen Befoͤrderer philanthropini-
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nach Lothringen zu, einem armen Erzie-
hungsinſtitut zu D* machte, davon vor
einiger Zeit in oͤffentlichen Druckſchriften
groß Ruͤhmens war? Erſtere ſpendirte
500 Thaler; Leztere ihre Brautohrenge-
haͤnge, dreiſſig Gulden vor zehn oder zwoͤlf
Jahren unter Bruͤdern werth, ans Philan-
thropin, und da gab die boͤſe Welt dieſer
Wohlthaͤtigkeit eine ganz andre Deutung,
als ihr die paͤdagogiſchen Unterhandlungen
beylegten. Da hieß es, die wohlthaͤtige
Judenſchaft habe dieſe Beyſteuer als
Schmuesgelder praͤnumerirt, in der Jn-
tention, das anhoffende große Kapital von
30000 Thalern, das ſo luftig auf Men-
ſchenfreundſchaft kalkulirt war, als ein
Darlehn gegen leidliche Zinſen in Empfang
zu nehmen; und die Frau des Herrn Ober-
lins habe eigentlich auf ein Paar neumodi-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/246>, abgerufen am 26.11.2024.
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