Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeichen, daß ein unbekannter Schirmvertre-
ter dazwischen stünd, und der übermäßigen
Hitz abwehrte, daß sie nicht wirken kan.

Das lezte war mir doch um deswillen
nicht glaubhaft, weil sie so entschlossen war,
sich ein Freyerideal zu wählen, welches,
wenns auch nur zum Schein geschehen wär,
die hellreine Politur der ersten Liebe, durch
einen Anhauch von Untreu und Leichtsinn,
in ihrem zarten Gewissen würde getrübet
haben.

Diese Betrachtung bewog mich, weil ich
nicht hoffen konnt', mit dem Vater der Gäst'
halber in seiner Tabagie des Abends Unter-
redung zu pflegen, ihm über diese Verhand-
lung einen schriftlichen Nachtrapport zu
machen, den ich wie folget konzipirte.

Werther Freund.

Kan nicht umhin, Denenselben im Ver-
trauen zu eröffnen, daß ich heut Nachmittag,
nachdem mir Lottchen, weiß nicht warum,

bißher
O 4

Zeichen, daß ein unbekannter Schirmvertre-
ter dazwiſchen ſtuͤnd, und der uͤbermaͤßigen
Hitz abwehrte, daß ſie nicht wirken kan.

Das lezte war mir doch um deswillen
nicht glaubhaft, weil ſie ſo entſchloſſen war,
ſich ein Freyerideal zu waͤhlen, welches,
wenns auch nur zum Schein geſchehen waͤr,
die hellreine Politur der erſten Liebe, durch
einen Anhauch von Untreu und Leichtſinn,
in ihrem zarten Gewiſſen wuͤrde getruͤbet
haben.

Dieſe Betrachtung bewog mich, weil ich
nicht hoffen konnt’, mit dem Vater der Gaͤſt’
halber in ſeiner Tabagie des Abends Unter-
redung zu pflegen, ihm uͤber dieſe Verhand-
lung einen ſchriftlichen Nachtrapport zu
machen, den ich wie folget konzipirte.

Werther Freund.

Kan nicht umhin, Denenſelben im Ver-
trauen zu eroͤffnen, daß ich heut Nachmittag,
nachdem mir Lottchen, weiß nicht warum,

bißher
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="215"/>
Zeichen, daß ein unbekannter Schirmvertre-<lb/>
ter dazwi&#x017F;chen &#x017F;tu&#x0364;nd, und der u&#x0364;berma&#x0364;ßigen<lb/>
Hitz abwehrte, daß &#x017F;ie nicht wirken kan.</p><lb/>
          <p>Das lezte war mir doch um deswillen<lb/>
nicht glaubhaft, weil &#x017F;ie &#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war,<lb/>
&#x017F;ich ein Freyerideal zu wa&#x0364;hlen, welches,<lb/>
wenns auch nur zum Schein ge&#x017F;chehen wa&#x0364;r,<lb/>
die hellreine Politur der er&#x017F;ten Liebe, durch<lb/>
einen Anhauch von Untreu und Leicht&#x017F;inn,<lb/>
in ihrem zarten Gewi&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde getru&#x0364;bet<lb/>
haben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <p>Die&#x017F;e Betrachtung bewog mich, weil ich<lb/>
nicht hoffen konnt&#x2019;, mit dem Vater der Ga&#x0364;&#x017F;t&#x2019;<lb/>
halber in &#x017F;einer Tabagie des Abends Unter-<lb/>
redung zu pflegen, ihm u&#x0364;ber die&#x017F;e Verhand-<lb/>
lung einen &#x017F;chriftlichen Nachtrapport zu<lb/>
machen, den ich wie folget konzipirte.</p><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <salute>Werther Freund.</salute><lb/>
                <p>Kan nicht umhin, Denen&#x017F;elben im Ver-<lb/>
trauen zu ero&#x0364;ffnen, daß ich heut Nachmittag,<lb/>
nachdem mir Lottchen, weiß nicht warum,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 4</fw><fw place="bottom" type="catch">bißher</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0223] Zeichen, daß ein unbekannter Schirmvertre- ter dazwiſchen ſtuͤnd, und der uͤbermaͤßigen Hitz abwehrte, daß ſie nicht wirken kan. Das lezte war mir doch um deswillen nicht glaubhaft, weil ſie ſo entſchloſſen war, ſich ein Freyerideal zu waͤhlen, welches, wenns auch nur zum Schein geſchehen waͤr, die hellreine Politur der erſten Liebe, durch einen Anhauch von Untreu und Leichtſinn, in ihrem zarten Gewiſſen wuͤrde getruͤbet haben. Dieſe Betrachtung bewog mich, weil ich nicht hoffen konnt’, mit dem Vater der Gaͤſt’ halber in ſeiner Tabagie des Abends Unter- redung zu pflegen, ihm uͤber dieſe Verhand- lung einen ſchriftlichen Nachtrapport zu machen, den ich wie folget konzipirte. Werther Freund. Kan nicht umhin, Denenſelben im Ver- trauen zu eroͤffnen, daß ich heut Nachmittag, nachdem mir Lottchen, weiß nicht warum, bißher O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/223
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/223>, abgerufen am 18.12.2024.