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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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zugehen. Zwar ging der Gaudieb Nikol
List auch zur rechten Thür ein, als er die
berühmte goldne Tafel in Lüneburg stahl;
aber er eröffnete solche durch einen diebi-
schen Nachschlüssel, brauchte Trug und
Arglist sich des Kirchenraubes zu bemäch-
tigen, welcher unerlaubten Mittel ich mich
zu bedienen nicht gesonnen war. Allein
durch eine nachfolgende Betrachtung dehnt'
ich diese Gewissenhaftigkeit ins weite. Jch
erwog, daß iunge Dirnen gern Schäkerey
und Muthwillen üben, die Horcher und
Spührer ihrer Geheimnisse äffen, durch
betrügliche Offenherzigkeit den Zugang in
ihr Herzkämmerlein willig zu gestatten schei-
nen, und wenn der Kundschafter angezo-
gen kommt sich drinn zu besehen, ihm die
Thür vor der Nase zuwerfen, sich dar-
hinter stellen wie Mutter Sara, und sich
von Herzen satt lachen. Darum macht ich
noch andere Anstalten, auch wider ihren

Willen
M 3

zugehen. Zwar ging der Gaudieb Nikol
Liſt auch zur rechten Thuͤr ein, als er die
beruͤhmte goldne Tafel in Luͤneburg ſtahl;
aber er eroͤffnete ſolche durch einen diebi-
ſchen Nachſchluͤſſel, brauchte Trug und
Argliſt ſich des Kirchenraubes zu bemaͤch-
tigen, welcher unerlaubten Mittel ich mich
zu bedienen nicht geſonnen war. Allein
durch eine nachfolgende Betrachtung dehnt’
ich dieſe Gewiſſenhaftigkeit ins weite. Jch
erwog, daß iunge Dirnen gern Schaͤkerey
und Muthwillen uͤben, die Horcher und
Spuͤhrer ihrer Geheimniſſe aͤffen, durch
betruͤgliche Offenherzigkeit den Zugang in
ihr Herzkaͤmmerlein willig zu geſtatten ſchei-
nen, und wenn der Kundſchafter angezo-
gen kommt ſich drinn zu beſehen, ihm die
Thuͤr vor der Naſe zuwerfen, ſich dar-
hinter ſtellen wie Mutter Sara, und ſich
von Herzen ſatt lachen. Darum macht ich
noch andere Anſtalten, auch wider ihren

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[181/0189] zugehen. Zwar ging der Gaudieb Nikol Liſt auch zur rechten Thuͤr ein, als er die beruͤhmte goldne Tafel in Luͤneburg ſtahl; aber er eroͤffnete ſolche durch einen diebi- ſchen Nachſchluͤſſel, brauchte Trug und Argliſt ſich des Kirchenraubes zu bemaͤch- tigen, welcher unerlaubten Mittel ich mich zu bedienen nicht geſonnen war. Allein durch eine nachfolgende Betrachtung dehnt’ ich dieſe Gewiſſenhaftigkeit ins weite. Jch erwog, daß iunge Dirnen gern Schaͤkerey und Muthwillen uͤben, die Horcher und Spuͤhrer ihrer Geheimniſſe aͤffen, durch betruͤgliche Offenherzigkeit den Zugang in ihr Herzkaͤmmerlein willig zu geſtatten ſchei- nen, und wenn der Kundſchafter angezo- gen kommt ſich drinn zu beſehen, ihm die Thuͤr vor der Naſe zuwerfen, ſich dar- hinter ſtellen wie Mutter Sara, und ſich von Herzen ſatt lachen. Darum macht ich noch andere Anſtalten, auch wider ihren Willen M 3

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/189>, abgerufen am 21.11.2024.