Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

könnten, durch die Modeerziehung immer
mehr und mehr applanirt werden. Andere
Zeiten andere Sitten, iezt haben die Kraft-
genies sich zu rechtlichen Anwalden der un-
ter dem Vaterdespotismus seufzenden Krea-
tur legitimiret, und den Töchtern die Ge-
rechtsame wieder vindizirt, ihr Herzterrito-
rium auszuthun und zu verleihen wie und
an wem sie wollen, ohne die Aeltern, Vor-
münder, Taufpathen, oder die ganze Kom-
mun, wo dieser nach Landesbrauch obliegt,
die Töchter ihrer Pfarrherren an Mann zu
bringen, weiter mit dieser Sorge zu be-
helligen. Vor Olimszeiten, als die Min-
nesinger die iungen Dirnen zum erstenmal
empfindsam machten, waren sie auch im
Besitz dieser Rechte, welches daraus er-
weislich ist, weil die schlauen Väter den
peremtorischen Termin, wo die Mädchen
diese Rechte geltend machen konnten, nicht
leicht abwarteten, und den Kniff erfanden,

die

koͤnnten, durch die Modeerziehung immer
mehr und mehr applanirt werden. Andere
Zeiten andere Sitten, iezt haben die Kraft-
genies ſich zu rechtlichen Anwalden der un-
ter dem Vaterdeſpotiſmus ſeufzenden Krea-
tur legitimiret, und den Toͤchtern die Ge-
rechtſame wieder vindizirt, ihr Herzterrito-
rium auszuthun und zu verleihen wie und
an wem ſie wollen, ohne die Aeltern, Vor-
muͤnder, Taufpathen, oder die ganze Kom-
mun, wo dieſer nach Landesbrauch obliegt,
die Toͤchter ihrer Pfarrherren an Mann zu
bringen, weiter mit dieſer Sorge zu be-
helligen. Vor Olimszeiten, als die Min-
neſinger die iungen Dirnen zum erſtenmal
empfindſam machten, waren ſie auch im
Beſitz dieſer Rechte, welches daraus er-
weislich iſt, weil die ſchlauen Vaͤter den
peremtoriſchen Termin, wo die Maͤdchen
dieſe Rechte geltend machen konnten, nicht
leicht abwarteten, und den Kniff erfanden,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="174"/>
ko&#x0364;nnten, durch die Modeerziehung immer<lb/>
mehr und mehr applanirt werden. Andere<lb/>
Zeiten andere Sitten, iezt haben die Kraft-<lb/>
genies &#x017F;ich zu rechtlichen Anwalden der un-<lb/>
ter dem Vaterde&#x017F;poti&#x017F;mus &#x017F;eufzenden Krea-<lb/>
tur legitimiret, und den To&#x0364;chtern die Ge-<lb/>
recht&#x017F;ame wieder vindizirt, ihr Herzterrito-<lb/>
rium auszuthun und zu verleihen wie und<lb/>
an wem &#x017F;ie wollen, ohne die Aeltern, Vor-<lb/>
mu&#x0364;nder, Taufpathen, oder die ganze Kom-<lb/>
mun, wo die&#x017F;er nach Landesbrauch obliegt,<lb/>
die To&#x0364;chter ihrer Pfarrherren an Mann zu<lb/>
bringen, weiter mit die&#x017F;er Sorge zu be-<lb/>
helligen. Vor Olimszeiten, als die Min-<lb/>
ne&#x017F;inger die iungen Dirnen zum er&#x017F;tenmal<lb/>
empfind&#x017F;am machten, waren &#x017F;ie auch im<lb/>
Be&#x017F;itz die&#x017F;er Rechte, welches daraus er-<lb/>
weislich i&#x017F;t, weil die &#x017F;chlauen Va&#x0364;ter den<lb/>
peremtori&#x017F;chen Termin, wo die Ma&#x0364;dchen<lb/>
die&#x017F;e Rechte geltend machen konnten, nicht<lb/>
leicht abwarteten, und den Kniff erfanden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0182] koͤnnten, durch die Modeerziehung immer mehr und mehr applanirt werden. Andere Zeiten andere Sitten, iezt haben die Kraft- genies ſich zu rechtlichen Anwalden der un- ter dem Vaterdeſpotiſmus ſeufzenden Krea- tur legitimiret, und den Toͤchtern die Ge- rechtſame wieder vindizirt, ihr Herzterrito- rium auszuthun und zu verleihen wie und an wem ſie wollen, ohne die Aeltern, Vor- muͤnder, Taufpathen, oder die ganze Kom- mun, wo dieſer nach Landesbrauch obliegt, die Toͤchter ihrer Pfarrherren an Mann zu bringen, weiter mit dieſer Sorge zu be- helligen. Vor Olimszeiten, als die Min- neſinger die iungen Dirnen zum erſtenmal empfindſam machten, waren ſie auch im Beſitz dieſer Rechte, welches daraus er- weislich iſt, weil die ſchlauen Vaͤter den peremtoriſchen Termin, wo die Maͤdchen dieſe Rechte geltend machen konnten, nicht leicht abwarteten, und den Kniff erfanden, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/182
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/182>, abgerufen am 18.04.2024.