völlig frey sey, und daß sie mich als Mann, so wie ich sie als Frau, in dem Maaße lie- ben würde, wie es der Stifter der Ehen verordnet hat. Wir lebten acht Jahr ver- gnügt zusammen, und nachdem ich ihren Verlust, der Observanz gemäß, ein volles Jahr beweint und betrauret hatte, entschloß ich mich zur zwoten Heurath. Jch sahe meine ietzige Frau auf einem Jahrmarkte zu Neustadt an der Aisch, schloß sie ins Herz, ob ich gleich vorhabender Geschäfte wegen, keine Zeit gewinnen konnte, mit ihr ein Wort zu reden. Als ihr Vater nach ei- niger Zeit hierher kam, entdeckt ich ihm bey einem Glaß Wein meine Absicht, der Han- del wurde stehenden Fußes richtig, ohne daß das Mädchen gefragt wurde, und vier Wochen darauf war sie meine Frau. Sie hat mir zwey Söhne gebohren, ein paar derbe gesunde Buben, die in Neustadt fre- quentiren, und mich nichts von einer ge-
stöhr-
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voͤllig frey ſey, und daß ſie mich als Mann, ſo wie ich ſie als Frau, in dem Maaße lie- ben wuͤrde, wie es der Stifter der Ehen verordnet hat. Wir lebten acht Jahr ver- gnuͤgt zuſammen, und nachdem ich ihren Verluſt, der Obſervanz gemaͤß, ein volles Jahr beweint und betrauret hatte, entſchloß ich mich zur zwoten Heurath. Jch ſahe meine ietzige Frau auf einem Jahrmarkte zu Neuſtadt an der Aiſch, ſchloß ſie ins Herz, ob ich gleich vorhabender Geſchaͤfte wegen, keine Zeit gewinnen konnte, mit ihr ein Wort zu reden. Als ihr Vater nach ei- niger Zeit hierher kam, entdeckt ich ihm bey einem Glaß Wein meine Abſicht, der Han- del wurde ſtehenden Fußes richtig, ohne daß das Maͤdchen gefragt wurde, und vier Wochen darauf war ſie meine Frau. Sie hat mir zwey Soͤhne gebohren, ein paar derbe geſunde Buben, die in Neuſtadt fre- quentiren, und mich nichts von einer ge-
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voͤllig frey ſey, und daß ſie mich als Mann,
ſo wie ich ſie als Frau, in dem Maaße lie-
ben wuͤrde, wie es der Stifter der Ehen
verordnet hat. Wir lebten acht Jahr ver-
gnuͤgt zuſammen, und nachdem ich ihren
Verluſt, der Obſervanz gemaͤß, ein volles
Jahr beweint und betrauret hatte, entſchloß
ich mich zur zwoten Heurath. Jch ſahe
meine ietzige Frau auf einem Jahrmarkte
zu Neuſtadt an der Aiſch, ſchloß ſie ins
Herz, ob ich gleich vorhabender Geſchaͤfte
wegen, keine Zeit gewinnen konnte, mit ihr
ein Wort zu reden. Als ihr Vater nach ei-
niger Zeit hierher kam, entdeckt ich ihm bey
einem Glaß Wein meine Abſicht, der Han-
del wurde ſtehenden Fußes richtig, ohne
daß das Maͤdchen gefragt wurde, und vier
Wochen darauf war ſie meine Frau. Sie
hat mir zwey Soͤhne gebohren, ein paar
derbe geſunde Buben, die in Neuſtadt fre-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/177>, abgerufen am 16.02.2025.
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