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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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Jndeß wärs wohl der Mühe werth, daß
ein akademisches Mitglied sich dran gäb, die
Signalementen der Bienenkönigin zu unter-
suchen, um zu erforschen, welche physio-
gnomische Chiffer, weils doch nicht der Kö-
nigsbuchstab seyn kann, sich sonst daraus
veroffenbahre; denn meines Erachtens ist aus
dem Jnsektenreich für die Physiognomik kein
Süjet interessanter als dieses. Und eine
Linie liegt gewiß drinnen, nur fragt sichs,
welche? Obs die Linie oder die Chiffer des
Genies ist? Wer weiß nicht, daß die Biene
das größte mathematische Genie ist, aber nur
fürs Sechseck ihrer Zelle? Oder die Linie
der Fruchtbarkeit? Wem ist unbekannt, daß
die sogenannte Königin die allgemeine Volks-
mutter sey, in dem Verstand, wie mancher
Fürst des Landes Vater zu heißen verdienet?
Oder die Linie der Buhlerey, und zwar der
schandbaren Polyandrie? Wer hat nicht sa-
gen hören, daß die Leibwache der Drohneu

ihrer
J 4

Jndeß waͤrs wohl der Muͤhe werth, daß
ein akademiſches Mitglied ſich dran gaͤb, die
Signalementen der Bienenkoͤnigin zu unter-
ſuchen, um zu erforſchen, welche phyſio-
gnomiſche Chiffer, weils doch nicht der Koͤ-
nigsbuchſtab ſeyn kann, ſich ſonſt daraus
veroffenbahre; denn meines Erachtens iſt aus
dem Jnſektenreich fuͤr die Phyſiognomik kein
Suͤjet intereſſanter als dieſes. Und eine
Linie liegt gewiß drinnen, nur fragt ſichs,
welche? Obs die Linie oder die Chiffer des
Genies iſt? Wer weiß nicht, daß die Biene
das groͤßte mathematiſche Genie iſt, aber nur
fuͤrs Sechseck ihrer Zelle? Oder die Linie
der Fruchtbarkeit? Wem iſt unbekannt, daß
die ſogenannte Koͤnigin die allgemeine Volks-
mutter ſey, in dem Verſtand, wie mancher
Fuͤrſt des Landes Vater zu heißen verdienet?
Oder die Linie der Buhlerey, und zwar der
ſchandbaren Polyandrie? Wer hat nicht ſa-
gen hoͤren, daß die Leibwache der Drohneu

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[135/0143] Jndeß waͤrs wohl der Muͤhe werth, daß ein akademiſches Mitglied ſich dran gaͤb, die Signalementen der Bienenkoͤnigin zu unter- ſuchen, um zu erforſchen, welche phyſio- gnomiſche Chiffer, weils doch nicht der Koͤ- nigsbuchſtab ſeyn kann, ſich ſonſt daraus veroffenbahre; denn meines Erachtens iſt aus dem Jnſektenreich fuͤr die Phyſiognomik kein Suͤjet intereſſanter als dieſes. Und eine Linie liegt gewiß drinnen, nur fragt ſichs, welche? Obs die Linie oder die Chiffer des Genies iſt? Wer weiß nicht, daß die Biene das groͤßte mathematiſche Genie iſt, aber nur fuͤrs Sechseck ihrer Zelle? Oder die Linie der Fruchtbarkeit? Wem iſt unbekannt, daß die ſogenannte Koͤnigin die allgemeine Volks- mutter ſey, in dem Verſtand, wie mancher Fuͤrſt des Landes Vater zu heißen verdienet? Oder die Linie der Buhlerey, und zwar der ſchandbaren Polyandrie? Wer hat nicht ſa- gen hoͤren, daß die Leibwache der Drohneu ihrer J 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/143>, abgerufen am 22.11.2024.