Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

ein geistlich Amt mehr rechnen durfte. Mein
Promotor verwandelte sich nun in einen un-
geduldigen Gläubiger, übte auf gewisse Art
das habeas corpus an mir aus, und hätte
mich gern in den eisernen Kasten zu meinen
Schuldverschreibungen eingesperrt; denn er
fürchtete, ich möchte den Weg suchen, den
der ehrliche Kirchschaffner so gut zu finden
wußte. Er beobachtete mich genau, und
arbeitete zugleich an einem neuen Plan zu
meiner Unterkunft. Es zeigte sich eine Ge-
legenheit dazu außerhalb des Gebietes der
Hierarchie, wo die Prozedur meines Be-
förderers der Weg Rechtens war. Jn kur-
zem stund ich einer Amtskellerey mit Ehren
vor, davon er, nach gepflogener Berech-
nung, zehn Jahr lang, wenn nicht die Aus-
steuer eines reichen Weibes die Schuld frü-
her tilgte, zwey Drittel des Ertrags zog.

Wie ich hör', redet' ich dazwischen, hat
der Herr umgesattelt, und da nimmts mich

Wunder,

ein geiſtlich Amt mehr rechnen durfte. Mein
Promotor verwandelte ſich nun in einen un-
geduldigen Glaͤubiger, uͤbte auf gewiſſe Art
das habeas corpus an mir aus, und haͤtte
mich gern in den eiſernen Kaſten zu meinen
Schuldverſchreibungen eingeſperrt; denn er
fuͤrchtete, ich moͤchte den Weg ſuchen, den
der ehrliche Kirchſchaffner ſo gut zu finden
wußte. Er beobachtete mich genau, und
arbeitete zugleich an einem neuen Plan zu
meiner Unterkunft. Es zeigte ſich eine Ge-
legenheit dazu außerhalb des Gebietes der
Hierarchie, wo die Prozedur meines Be-
foͤrderers der Weg Rechtens war. Jn kur-
zem ſtund ich einer Amtskellerey mit Ehren
vor, davon er, nach gepflogener Berech-
nung, zehn Jahr lang, wenn nicht die Aus-
ſteuer eines reichen Weibes die Schuld fruͤ-
her tilgte, zwey Drittel des Ertrags zog.

Wie ich hoͤr’, redet’ ich dazwiſchen, hat
der Herr umgeſattelt, und da nimmts mich

Wunder,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="22"/>
ein gei&#x017F;tlich Amt mehr rechnen durfte. Mein<lb/>
Promotor verwandelte &#x017F;ich nun in einen un-<lb/>
geduldigen Gla&#x0364;ubiger, u&#x0364;bte auf gewi&#x017F;&#x017F;e Art<lb/>
das <hi rendition="#aq">habeas corpus</hi> an mir aus, und ha&#x0364;tte<lb/>
mich gern in den ei&#x017F;ernen Ka&#x017F;ten zu meinen<lb/>
Schuldver&#x017F;chreibungen einge&#x017F;perrt; denn er<lb/>
fu&#x0364;rchtete, ich mo&#x0364;chte den Weg &#x017F;uchen, den<lb/>
der ehrliche Kirch&#x017F;chaffner &#x017F;o gut zu finden<lb/>
wußte. Er beobachtete mich genau, und<lb/>
arbeitete zugleich an einem neuen Plan zu<lb/>
meiner Unterkunft. Es zeigte &#x017F;ich eine Ge-<lb/>
legenheit dazu außerhalb des Gebietes der<lb/>
Hierarchie, wo die Prozedur meines Be-<lb/>
fo&#x0364;rderers der Weg Rechtens war. Jn kur-<lb/>
zem &#x017F;tund ich einer Amtskellerey mit Ehren<lb/>
vor, davon er, nach gepflogener Berech-<lb/>
nung, zehn Jahr lang, wenn nicht die Aus-<lb/>
&#x017F;teuer eines reichen Weibes die Schuld fru&#x0364;-<lb/>
her tilgte, zwey Drittel des Ertrags zog.</p><lb/>
        <p>Wie ich ho&#x0364;r&#x2019;, redet&#x2019; ich dazwi&#x017F;chen, hat<lb/>
der Herr umge&#x017F;attelt, und da nimmts mich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wunder,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0022] ein geiſtlich Amt mehr rechnen durfte. Mein Promotor verwandelte ſich nun in einen un- geduldigen Glaͤubiger, uͤbte auf gewiſſe Art das habeas corpus an mir aus, und haͤtte mich gern in den eiſernen Kaſten zu meinen Schuldverſchreibungen eingeſperrt; denn er fuͤrchtete, ich moͤchte den Weg ſuchen, den der ehrliche Kirchſchaffner ſo gut zu finden wußte. Er beobachtete mich genau, und arbeitete zugleich an einem neuen Plan zu meiner Unterkunft. Es zeigte ſich eine Ge- legenheit dazu außerhalb des Gebietes der Hierarchie, wo die Prozedur meines Be- foͤrderers der Weg Rechtens war. Jn kur- zem ſtund ich einer Amtskellerey mit Ehren vor, davon er, nach gepflogener Berech- nung, zehn Jahr lang, wenn nicht die Aus- ſteuer eines reichen Weibes die Schuld fruͤ- her tilgte, zwey Drittel des Ertrags zog. Wie ich hoͤr’, redet’ ich dazwiſchen, hat der Herr umgeſattelt, und da nimmts mich Wunder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/22
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/22>, abgerufen am 21.11.2024.