Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

bey iedem Versuch der beste Anschein vor-
handen, daß der Prozeß gelingen werde:
denn die herausgebrachte Masse war immer
Beynahegold. Das machte den lieben Ael-
tervater nur hitziger: er meinte, weil die
Hauptsache gut von der Hand gehe, werde
sich die Kleinigkeit, woran's noch gebrach,
mit der Zeit wohl finden. Und so fraß in
einer Reihe von Jahren der Schmelztiegel
den ganzen bleyernen Götterdivan im Lust-
garten; dennoch fehlt's immer an der Klei-
nigkeit, die der Kunst den Ausschlag hätt'
geben sollen. Bald hielt das erkünstelte
Gold nicht den Stich, bald mangelte die
spezifische Schwere, bald wieder die Feuer-
beständigkeit u. s. w. Endlich als man
dachte, nun wären alle Berg' überstiegen,
schrieb der Adeptus eines Tages bey frü-
hem Morgen über die Thür des Laborato-
riums, nachdem er sie verschlossen hatte,
die nachdenkliche Sentenz: O Eitelkeit

der

bey iedem Verſuch der beſte Anſchein vor-
handen, daß der Prozeß gelingen werde:
denn die herausgebrachte Maſſe war immer
Beynahegold. Das machte den lieben Ael-
tervater nur hitziger: er meinte, weil die
Hauptſache gut von der Hand gehe, werde
ſich die Kleinigkeit, woran’s noch gebrach,
mit der Zeit wohl finden. Und ſo fraß in
einer Reihe von Jahren der Schmelztiegel
den ganzen bleyernen Goͤtterdivan im Luſt-
garten; dennoch fehlt’s immer an der Klei-
nigkeit, die der Kunſt den Ausſchlag haͤtt’
geben ſollen. Bald hielt das erkuͤnſtelte
Gold nicht den Stich, bald mangelte die
ſpezifiſche Schwere, bald wieder die Feuer-
beſtaͤndigkeit u. ſ. w. Endlich als man
dachte, nun waͤren alle Berg’ uͤberſtiegen,
ſchrieb der Adeptus eines Tages bey fruͤ-
hem Morgen uͤber die Thuͤr des Laborato-
riums, nachdem er ſie verſchloſſen hatte,
die nachdenkliche Sentenz: O Eitelkeit

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0202" n="202"/>
bey iedem Ver&#x017F;uch der be&#x017F;te An&#x017F;chein vor-<lb/>
handen, daß der Prozeß gelingen werde:<lb/>
denn die herausgebrachte Ma&#x017F;&#x017F;e war immer<lb/>
Beynahegold. Das machte den lieben Ael-<lb/>
tervater nur hitziger: er meinte, weil die<lb/>
Haupt&#x017F;ache gut von der Hand gehe, werde<lb/>
&#x017F;ich die Kleinigkeit, woran&#x2019;s noch gebrach,<lb/>
mit der Zeit wohl finden. Und &#x017F;o fraß in<lb/>
einer Reihe von Jahren der Schmelztiegel<lb/>
den ganzen bleyernen Go&#x0364;tterdivan im Lu&#x017F;t-<lb/>
garten; dennoch fehlt&#x2019;s immer an der Klei-<lb/>
nigkeit, die der Kun&#x017F;t den Aus&#x017F;chlag ha&#x0364;tt&#x2019;<lb/>
geben &#x017F;ollen. Bald hielt das erku&#x0364;n&#x017F;telte<lb/>
Gold nicht den Stich, bald mangelte die<lb/>
&#x017F;pezifi&#x017F;che Schwere, bald wieder die Feuer-<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit u. &#x017F;. w. Endlich als man<lb/>
dachte, nun wa&#x0364;ren alle Berg&#x2019; u&#x0364;ber&#x017F;tiegen,<lb/>
&#x017F;chrieb der Adeptus eines Tages bey fru&#x0364;-<lb/>
hem Morgen u&#x0364;ber die Thu&#x0364;r des Laborato-<lb/>
riums, nachdem er &#x017F;ie ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte,<lb/>
die nachdenkliche Sentenz: O Eitelkeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0202] bey iedem Verſuch der beſte Anſchein vor- handen, daß der Prozeß gelingen werde: denn die herausgebrachte Maſſe war immer Beynahegold. Das machte den lieben Ael- tervater nur hitziger: er meinte, weil die Hauptſache gut von der Hand gehe, werde ſich die Kleinigkeit, woran’s noch gebrach, mit der Zeit wohl finden. Und ſo fraß in einer Reihe von Jahren der Schmelztiegel den ganzen bleyernen Goͤtterdivan im Luſt- garten; dennoch fehlt’s immer an der Klei- nigkeit, die der Kunſt den Ausſchlag haͤtt’ geben ſollen. Bald hielt das erkuͤnſtelte Gold nicht den Stich, bald mangelte die ſpezifiſche Schwere, bald wieder die Feuer- beſtaͤndigkeit u. ſ. w. Endlich als man dachte, nun waͤren alle Berg’ uͤberſtiegen, ſchrieb der Adeptus eines Tages bey fruͤ- hem Morgen uͤber die Thuͤr des Laborato- riums, nachdem er ſie verſchloſſen hatte, die nachdenkliche Sentenz: O Eitelkeit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/202
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/202>, abgerufen am 18.12.2024.