heiligen Kelch der Natur! daß ihr glaubt und selig seyd wie ich, und wir mit einan- der anbeten im Mondschein."
Mag dabey sein Bewenden haben, möch- ten sonst der Glößlein zu viel werden. Durch den Mondschein glauben und selig werden dazu gehört freilich viel. Denn es kans nicht iedweder praktiziren wie durch den Glauben: drum ists traun ein starkes Stück. Doch etwas Unsinn, oder wies der Fran- zoß nennt, Galimatias, der die empfind- samen Peroranten leicht anwandelt, muß man ihnen verzeihen; wär auch ungerecht, ein Ding mit dem Mikroskop des Verstan- des zu betrachten, was eigentlich für das Fühlhorn der Empfindsamkeit gehöret. Wahr ist es, daß ein solcher geschraubter Vortrag, so volltönend ins Ohr rauscht, wie eine Opernarie im neuen italiänischen Geschmack, wo man um der schmeichelhaften Passagen willen, auf eine Zeitlang vergißt, daß ein
Konter-
heiligen Kelch der Natur! daß ihr glaubt und ſelig ſeyd wie ich, und wir mit einan- der anbeten im Mondſchein.“
Mag dabey ſein Bewenden haben, moͤch- ten ſonſt der Gloͤßlein zu viel werden. Durch den Mondſchein glauben und ſelig werden dazu gehoͤrt freilich viel. Denn es kans nicht iedweder praktiziren wie durch den Glauben: drum iſts traun ein ſtarkes Stuͤck. Doch etwas Unſinn, oder wies der Fran- zoß nennt, Galimatias, der die empfind- ſamen Peroranten leicht anwandelt, muß man ihnen verzeihen; waͤr auch ungerecht, ein Ding mit dem Mikroſkop des Verſtan- des zu betrachten, was eigentlich fuͤr das Fuͤhlhorn der Empfindſamkeit gehoͤret. Wahr iſt es, daß ein ſolcher geſchraubter Vortrag, ſo volltoͤnend ins Ohr rauſcht, wie eine Opernarie im neuen italiaͤniſchen Geſchmack, wo man um der ſchmeichelhaften Paſſagen willen, auf eine Zeitlang vergißt, daß ein
Konter-
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heiligen Kelch der Natur! daß ihr glaubt
und ſelig ſeyd wie ich, und wir mit einan-
der anbeten im Mondſchein.“
Mag dabey ſein Bewenden haben, moͤch-
ten ſonſt der Gloͤßlein zu viel werden. Durch
den Mondſchein glauben und ſelig werden
dazu gehoͤrt freilich viel. Denn es kans
nicht iedweder praktiziren wie durch den
Glauben: drum iſts traun ein ſtarkes Stuͤck.
Doch etwas Unſinn, oder wies der Fran-
zoß nennt, Galimatias, der die empfind-
ſamen Peroranten leicht anwandelt, muß
man ihnen verzeihen; waͤr auch ungerecht,
ein Ding mit dem Mikroſkop des Verſtan-
des zu betrachten, was eigentlich fuͤr das
Fuͤhlhorn der Empfindſamkeit gehoͤret. Wahr
iſt es, daß ein ſolcher geſchraubter Vortrag,
ſo volltoͤnend ins Ohr rauſcht, wie eine
Opernarie im neuen italiaͤniſchen Geſchmack,
wo man um der ſchmeichelhaften Paſſagen
willen, auf eine Zeitlang vergißt, daß ein
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/140>, abgerufen am 24.07.2024.
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