Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

als ich nicht mehr dran dachte, fing er ur-
plötzlich also an.

Jch bin meines Herkommens ein Schwab.
Mit den Lebensläufen in aufsteigender Linie
verschon ich Sie billig, ob sie gleich leicht
interessanter seyn würden, als die sich un-
ter Chodowieckischen Empfehlungen in den
Buchläden verkaufen. Mein Vater, den
ich gleichwohl nicht vorbeygehen darf, war
ein Mann schlecht und recht, an dem kein
Höcker, nichts krummes, nichts verbogenes
war, weder an Leib noch an der Seele;
seinem Beruf nach Prediger einer kleinen
Landstadt, der den Probst dadurch verfehl-
te, weil er in der apokalyptischen Epoque
meines Vaterlandes dem wolfischen System
anhing, minder aus geprüfter Erkenntniß,
als Anhänglichkeit an den Optimismus.
Dem selgen Mann war alles gut und recht
so wie ers fand, hatte eine Gabe über iedes
Ding sich kindisch zu freuen, wie das große

Kind

als ich nicht mehr dran dachte, fing er ur-
ploͤtzlich alſo an.

Jch bin meines Herkommens ein Schwab.
Mit den Lebenslaͤufen in aufſteigender Linie
verſchon ich Sie billig, ob ſie gleich leicht
intereſſanter ſeyn wuͤrden, als die ſich un-
ter Chodowieckiſchen Empfehlungen in den
Buchlaͤden verkaufen. Mein Vater, den
ich gleichwohl nicht vorbeygehen darf, war
ein Mann ſchlecht und recht, an dem kein
Hoͤcker, nichts krummes, nichts verbogenes
war, weder an Leib noch an der Seele;
ſeinem Beruf nach Prediger einer kleinen
Landſtadt, der den Probſt dadurch verfehl-
te, weil er in der apokalyptiſchen Epoque
meines Vaterlandes dem wolfiſchen Syſtem
anhing, minder aus gepruͤfter Erkenntniß,
als Anhaͤnglichkeit an den Optimiſmus.
Dem ſelgen Mann war alles gut und recht
ſo wie ers fand, hatte eine Gabe uͤber iedes
Ding ſich kindiſch zu freuen, wie das große

Kind
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="11"/>
als ich nicht mehr dran dachte, fing er ur-<lb/>
plo&#x0364;tzlich al&#x017F;o an.</p><lb/>
        <p>Jch bin meines Herkommens ein Schwab.<lb/>
Mit den Lebensla&#x0364;ufen in auf&#x017F;teigender Linie<lb/>
ver&#x017F;chon ich Sie billig, ob &#x017F;ie gleich leicht<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;anter &#x017F;eyn wu&#x0364;rden, als die &#x017F;ich un-<lb/>
ter Chodowiecki&#x017F;chen Empfehlungen in den<lb/>
Buchla&#x0364;den verkaufen. Mein Vater, den<lb/>
ich gleichwohl nicht vorbeygehen darf, war<lb/>
ein Mann &#x017F;chlecht und recht, an dem kein<lb/>
Ho&#x0364;cker, nichts krummes, nichts verbogenes<lb/>
war, weder an Leib noch an der Seele;<lb/>
&#x017F;einem Beruf nach Prediger einer kleinen<lb/>
Land&#x017F;tadt, der den Prob&#x017F;t dadurch verfehl-<lb/>
te, weil er in der apokalypti&#x017F;chen Epoque<lb/>
meines Vaterlandes dem wolfi&#x017F;chen Sy&#x017F;tem<lb/>
anhing, minder aus gepru&#x0364;fter Erkenntniß,<lb/>
als Anha&#x0364;nglichkeit an den Optimi&#x017F;mus.<lb/>
Dem &#x017F;elgen Mann war alles gut und recht<lb/>
&#x017F;o wie ers fand, hatte eine Gabe u&#x0364;ber iedes<lb/>
Ding &#x017F;ich kindi&#x017F;ch zu freuen, wie das große<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kind</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0011] als ich nicht mehr dran dachte, fing er ur- ploͤtzlich alſo an. Jch bin meines Herkommens ein Schwab. Mit den Lebenslaͤufen in aufſteigender Linie verſchon ich Sie billig, ob ſie gleich leicht intereſſanter ſeyn wuͤrden, als die ſich un- ter Chodowieckiſchen Empfehlungen in den Buchlaͤden verkaufen. Mein Vater, den ich gleichwohl nicht vorbeygehen darf, war ein Mann ſchlecht und recht, an dem kein Hoͤcker, nichts krummes, nichts verbogenes war, weder an Leib noch an der Seele; ſeinem Beruf nach Prediger einer kleinen Landſtadt, der den Probſt dadurch verfehl- te, weil er in der apokalyptiſchen Epoque meines Vaterlandes dem wolfiſchen Syſtem anhing, minder aus gepruͤfter Erkenntniß, als Anhaͤnglichkeit an den Optimiſmus. Dem ſelgen Mann war alles gut und recht ſo wie ers fand, hatte eine Gabe uͤber iedes Ding ſich kindiſch zu freuen, wie das große Kind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/11
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/11>, abgerufen am 21.11.2024.