Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

gelehrter, Dichter, Denker, Seher oder
was sonst.

"Diesmal hat Sie gleichwol ihre Kunst
verlassen."

Das seh ich, und begreif's eben nicht.

"Jch begreif's aber wohl, daß sich das,
wenn Sie ein Prosopomant oder Gesichts-
gucker sind, gar oft begeben muß."

Wes Glaubens sind Sie?

"Jch bin ein Pnevmatomant, oder bes-
ser, ein Psychognomist."

Was ist das?

"Einer, dem die Gabe verliehen ist, die
Geister zu prüfen."

Wie geschieht das?

"Durch einen genauen Umgang, durch
Aufmerksamkeit auf Aeusserungen, Hand-
lungen und Thatsachen der Personen, deren
Charakter ich beurtheilen will. Wo mir
diese Kriterien fehlen, urtheil ich entweder
gar nicht, oder suspendire mein Judicium

so

gelehrter, Dichter, Denker, Seher oder
was ſonſt.

„Diesmal hat Sie gleichwol ihre Kunſt
verlaſſen.„

Das ſeh ich, und begreif’s eben nicht.

„Jch begreif’s aber wohl, daß ſich das,
wenn Sie ein Proſopomant oder Geſichts-
gucker ſind, gar oft begeben muß.„

Wes Glaubens ſind Sie?

„Jch bin ein Pnevmatomant, oder beſ-
ſer, ein Pſychognomiſt.„

Was iſt das?

„Einer, dem die Gabe verliehen iſt, die
Geiſter zu pruͤfen.„

Wie geſchieht das?

„Durch einen genauen Umgang, durch
Aufmerkſamkeit auf Aeuſſerungen, Hand-
lungen und Thatſachen der Perſonen, deren
Charakter ich beurtheilen will. Wo mir
dieſe Kriterien fehlen, urtheil ich entweder
gar nicht, oder ſuſpendire mein Judicium

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="66"/>
gelehrter, Dichter, Denker, Seher oder<lb/>
was &#x017F;on&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Diesmal hat Sie gleichwol ihre Kun&#x017F;t<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;eh ich, und begreif&#x2019;s eben nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch begreif&#x2019;s aber wohl, daß &#x017F;ich das,<lb/>
wenn Sie ein Pro&#x017F;opomant oder Ge&#x017F;ichts-<lb/>
gucker &#x017F;ind, gar oft begeben muß.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Wes Glaubens &#x017F;ind Sie?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch bin ein Pnevmatomant, oder be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er, ein P&#x017F;ychognomi&#x017F;t.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Was i&#x017F;t das?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einer, dem die Gabe verliehen i&#x017F;t, die<lb/>
Gei&#x017F;ter zu pru&#x0364;fen.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Wie ge&#x017F;chieht das?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Durch einen genauen Umgang, durch<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit auf Aeu&#x017F;&#x017F;erungen, Hand-<lb/>
lungen und That&#x017F;achen der Per&#x017F;onen, deren<lb/>
Charakter ich beurtheilen will. Wo mir<lb/>
die&#x017F;e Kriterien fehlen, urtheil ich entweder<lb/>
gar nicht, oder &#x017F;u&#x017F;pendire mein Judicium<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0066] gelehrter, Dichter, Denker, Seher oder was ſonſt. „Diesmal hat Sie gleichwol ihre Kunſt verlaſſen.„ Das ſeh ich, und begreif’s eben nicht. „Jch begreif’s aber wohl, daß ſich das, wenn Sie ein Proſopomant oder Geſichts- gucker ſind, gar oft begeben muß.„ Wes Glaubens ſind Sie? „Jch bin ein Pnevmatomant, oder beſ- ſer, ein Pſychognomiſt.„ Was iſt das? „Einer, dem die Gabe verliehen iſt, die Geiſter zu pruͤfen.„ Wie geſchieht das? „Durch einen genauen Umgang, durch Aufmerkſamkeit auf Aeuſſerungen, Hand- lungen und Thatſachen der Perſonen, deren Charakter ich beurtheilen will. Wo mir dieſe Kriterien fehlen, urtheil ich entweder gar nicht, oder ſuſpendire mein Judicium ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/66
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/66>, abgerufen am 16.02.2025.