Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

cher oder das unrechte Ende traf, und sei-
nen Jahrlohn drüber verspielte. Dennoch
unterließ ich nicht, meine Spekulationen
über die witzigen Köpf' zu machen, die ich
vor Augen gehabt hatte, forschte fleißig
nach dem Genieausdruck in ihren Lineamen-
ten, wiewol vergebens. Stirn, Augen,
Nase, Mund, ja Haar und Bart war bey
allen wie es bey gemeinen Menschen zu seyn
pflegt. Ausserdem fand ich einige so übel
gebildet wie die Schuster. Konnts meiner
Jmagination nicht wehren, etlichen dieser
Herren den Pechdrath in die Hand zu ge-
ben, und sie mit dem Schurzfell vor dem Leib,
einen ledernen Käpplein auf den Haupt, und
mit aufgestreiften Armen auf den dreybeinig-
ten Schemel zu verpflanzen, wo sie sich schier
besser ausnahmen als hinterm Schreibpult.

Diese Jdee hätte mich bald wieder irr
gemacht; wenn mit der geringsten verän-
derten Aeusserlichkeit des Aufputzes, sprach

ich,

cher oder das unrechte Ende traf, und ſei-
nen Jahrlohn druͤber verſpielte. Dennoch
unterließ ich nicht, meine Spekulationen
uͤber die witzigen Koͤpf’ zu machen, die ich
vor Augen gehabt hatte, forſchte fleißig
nach dem Genieausdruck in ihren Lineamen-
ten, wiewol vergebens. Stirn, Augen,
Naſe, Mund, ja Haar und Bart war bey
allen wie es bey gemeinen Menſchen zu ſeyn
pflegt. Auſſerdem fand ich einige ſo uͤbel
gebildet wie die Schuſter. Konnts meiner
Jmagination nicht wehren, etlichen dieſer
Herren den Pechdrath in die Hand zu ge-
ben, und ſie mit dem Schurzfell vor dem Leib,
einen ledernen Kaͤpplein auf den Haupt, und
mit aufgeſtreiften Armen auf den dreybeinig-
ten Schemel zu verpflanzen, wo ſie ſich ſchier
beſſer ausnahmen als hinterm Schreibpult.

Dieſe Jdee haͤtte mich bald wieder irr
gemacht; wenn mit der geringſten veraͤn-
derten Aeuſſerlichkeit des Aufputzes, ſprach

ich,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="43"/>
cher oder das unrechte Ende traf, und &#x017F;ei-<lb/>
nen Jahrlohn dru&#x0364;ber ver&#x017F;pielte. Dennoch<lb/>
unterließ ich nicht, meine Spekulationen<lb/>
u&#x0364;ber die witzigen Ko&#x0364;pf&#x2019; zu machen, die ich<lb/>
vor Augen gehabt hatte, for&#x017F;chte fleißig<lb/>
nach dem Genieausdruck in ihren Lineamen-<lb/>
ten, wiewol vergebens. Stirn, Augen,<lb/>
Na&#x017F;e, Mund, ja Haar und Bart war bey<lb/>
allen wie es bey gemeinen Men&#x017F;chen zu &#x017F;eyn<lb/>
pflegt. Au&#x017F;&#x017F;erdem fand ich einige &#x017F;o u&#x0364;bel<lb/>
gebildet wie die Schu&#x017F;ter. Konnts meiner<lb/>
Jmagination nicht wehren, etlichen die&#x017F;er<lb/>
Herren den Pechdrath in die Hand zu ge-<lb/>
ben, und &#x017F;ie mit dem Schurzfell vor dem Leib,<lb/>
einen ledernen Ka&#x0364;pplein auf den Haupt, und<lb/>
mit aufge&#x017F;treiften Armen auf den dreybeinig-<lb/>
ten Schemel zu verpflanzen, wo &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chier<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er ausnahmen als hinterm Schreibpult.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Jdee ha&#x0364;tte mich bald wieder irr<lb/>
gemacht; wenn mit der gering&#x017F;ten vera&#x0364;n-<lb/>
derten Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeit des Aufputzes, &#x017F;prach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0043] cher oder das unrechte Ende traf, und ſei- nen Jahrlohn druͤber verſpielte. Dennoch unterließ ich nicht, meine Spekulationen uͤber die witzigen Koͤpf’ zu machen, die ich vor Augen gehabt hatte, forſchte fleißig nach dem Genieausdruck in ihren Lineamen- ten, wiewol vergebens. Stirn, Augen, Naſe, Mund, ja Haar und Bart war bey allen wie es bey gemeinen Menſchen zu ſeyn pflegt. Auſſerdem fand ich einige ſo uͤbel gebildet wie die Schuſter. Konnts meiner Jmagination nicht wehren, etlichen dieſer Herren den Pechdrath in die Hand zu ge- ben, und ſie mit dem Schurzfell vor dem Leib, einen ledernen Kaͤpplein auf den Haupt, und mit aufgeſtreiften Armen auf den dreybeinig- ten Schemel zu verpflanzen, wo ſie ſich ſchier beſſer ausnahmen als hinterm Schreibpult. Dieſe Jdee haͤtte mich bald wieder irr gemacht; wenn mit der geringſten veraͤn- derten Aeuſſerlichkeit des Aufputzes, ſprach ich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/43
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/43>, abgerufen am 24.11.2024.