physiognomischen Scherf selbst ausgemünzt, oder als ein reisender Handwerker irgendwo zum Allmosen empfangen?
"Scherf oder Schaumünze, das gilt gleich. Er trägt das Gepräge physiogno- mischen Sinnes. Seitdem dieser in mir er- wacht ist, hab ich die Menschenkunde nicht als Spielwerk, sondern als das ernstlichste Geschäft meines Lebens betrieben; habe selbst versucht, gedacht, geprüft; habe nicht mehr mit fremden Augen gesehen, sondern mit meinen eignen. Und das Resultat mei- ner Bemühungen ist nun, daß ich wenig sehe, was L. sahe, viel was er nicht sahe, alles aber was er voraus sahe, und als ein Seher Gottes in seinen Fragmenten ver- kündigte, wenn physiognomischer Sinn er- wachen würde."
Wie lautet diese Weissagung? Hab' die Fragmente sonst wohl inn, daß ichs eine Wette gelten ließ, wenn sie verloren gingen,
das
phyſiognomiſchen Scherf ſelbſt ausgemuͤnzt, oder als ein reiſender Handwerker irgendwo zum Allmoſen empfangen?
„Scherf oder Schaumuͤnze, das gilt gleich. Er traͤgt das Gepraͤge phyſiogno- miſchen Sinnes. Seitdem dieſer in mir er- wacht iſt, hab ich die Menſchenkunde nicht als Spielwerk, ſondern als das ernſtlichſte Geſchaͤft meines Lebens betrieben; habe ſelbſt verſucht, gedacht, gepruͤft; habe nicht mehr mit fremden Augen geſehen, ſondern mit meinen eignen. Und das Reſultat mei- ner Bemuͤhungen iſt nun, daß ich wenig ſehe, was L. ſahe, viel was er nicht ſahe, alles aber was er voraus ſahe, und als ein Seher Gottes in ſeinen Fragmenten ver- kuͤndigte, wenn phyſiognomiſcher Sinn er- wachen wuͤrde.„
Wie lautet dieſe Weiſſagung? Hab’ die Fragmente ſonſt wohl inn, daß ichs eine Wette gelten ließ, wenn ſie verloren gingen,
das
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phyſiognomiſchen Scherf ſelbſt ausgemuͤnzt,
oder als ein reiſender Handwerker irgendwo
zum Allmoſen empfangen?
„Scherf oder Schaumuͤnze, das gilt
gleich. Er traͤgt das Gepraͤge phyſiogno-
miſchen Sinnes. Seitdem dieſer in mir er-
wacht iſt, hab ich die Menſchenkunde nicht
als Spielwerk, ſondern als das ernſtlichſte
Geſchaͤft meines Lebens betrieben; habe
ſelbſt verſucht, gedacht, gepruͤft; habe nicht
mehr mit fremden Augen geſehen, ſondern
mit meinen eignen. Und das Reſultat mei-
ner Bemuͤhungen iſt nun, daß ich wenig
ſehe, was L. ſahe, viel was er nicht ſahe,
alles aber was er voraus ſahe, und als ein
Seher Gottes in ſeinen Fragmenten ver-
kuͤndigte, wenn phyſiognomiſcher Sinn er-
wachen wuͤrde.„
Wie lautet dieſe Weiſſagung? Hab’ die
Fragmente ſonſt wohl inn, daß ichs eine
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/221>, abgerufen am 16.02.2025.
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